Firmensitz Warum Mittelständler so gerne umziehen

Deutsche Mittelständler sind in ihrem Ort verwurzelt. Das trifft auf viele Unternehmen zu, aber nicht auf alle: Einige zieht es weg von ihrem angestammten Sitz. Dafür gibt es viele Gründe, gute und schlechte.

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Die 30 Besten des deutschen Mittelstands
Produktion bei Ensinger Quelle: Presse
Sennheiser Produktion Quelle: Presse
Screenshot der Adva-Internetseite Quelle: Screenshot
Schiffsschraube Quelle: PR
Das Pfeiffer Vacuum Firmengebäude Quelle: Pfeiffer Vacuum Pressebild
Frank Blase, der Geschäftsführer von igus. Quelle: Presse
Armaturen in der Fertigung von Hansgrohe Quelle: REUTERS

Es gibt dieses Zitat des amerikanischen Staatsmannes Benjamin Franklin, das besagt: „Dreimal umziehen ist so schlimm wie einmal abbrennen.“ Jeder, der schon drei Umzüge hinter sich hat, kann das bestätigen.

Doch jetzt stelle man sich vor, dass es nicht nur den Ficus benjamina, Töpfe und Pfannen, Sessel, Schränke und den Partner einzupacken gilt, sondern mehrere Hundert Mitarbeiter, ebenso viele Bürostühle, Tische, Schränke, Akten und Computer. Anschließend müssen noch neue Visitenkarten gedruckt, Briefpapier entworfen und Signaturen geändert werden. Wer diesen Stress auf sich nimmt, muss einen guten Grund dafür haben. Oder gleich mehrere.

Zum Beispiel, wenn zwei Unternehmen nach einer Übernahme zu einem verschmelzen; wenn der Standort zu klein oder zu groß geraten ist; wenn die Verwaltung näher an die Produktion ziehen will; wenn Steuern oder Miete eingespart werden sollen, Umstrukturierungen notwendig sind oder das Unternehmen nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter an den aktuellen Standort lockt – was vor allem für Mittelständler im ländlichen Raum ein Problem ist.

Im Jahr 2012 wurde Christian Berner völlig überraschend Vorgesetzter von mehr als 9000 Mitarbeitern – da ist er gerade 27 Jahre alt. Kann das gut gehen?
von Lin Freitag

So vielschichtig die Gründe auch sind, aktuell kommt es in der deutschen Unternehmenslandschaft zu einer mittelgroßen Firmenwanderung. Vor einem Jahr zum Beispiel zog ein Teil der Berner-Gruppe von Künzelsau nach Köln. Auch Otto Bock, Weltmarktführer für Prothesen, hatte Probleme, die Talente ins niedersächsische Duderstadt zu locken. Die Lösung: ein neuer Standort in Berlin-Mitte.

Mobilität von Führungskräften nimmt ab

Der Armaturenhersteller Grohe wiederum zog vor ein paar Jahren aus dem sauerländischen Hemer in die nordrhein-westfälische Hauptstadt Düsseldorf. Der Umzug war zwar Teil einer größeren Umstrukturierung. Doch auch hier stand die Anbindung an einen internationalen Flughafen und der attraktivere Standort im Vordergrund.

Die zehn besten deutschen Mittelständler

„Perspektivisch ist dieser Schritt für viele ländlich angesiedelten Mittelständler alternativlos“, sagt Peter May, der an der WHU – Otto Beisheim School of Management lehrt und Familienunternehmen berät. Auch weil die Mobilität von Führungskräften immer weiter abnimmt. Die Beratung Odgers Berndtson befragte für ihr aktuelles Manager-Barometer mehr als 1800 Führungskräfte. Das Ergebnis: Nur noch etwa 55 Prozent sind dazu bereit, für einen neuen Job innerhalb Deutschlands umzuziehen – selbst wenn es sich um eine höhere Position handelt. Im vergangenen Jahr sagten das immerhin noch 63 Prozent der Manager.

Doch es geht auch andersrum, nämlich von der Stadt aufs Land. Bärchenproduzent Haribo will seinen Hauptsitz im kommenden Jahr von Bonn ins rheinland-pfälzische Städtchen Grafschaft verlegen. Die Gründe? Neben der größeren Fläche, die dem Unternehmen dort zur Verfügung steht, lockte vermutlich auch die niedrigere Gewerbesteuer im Nachbar-Bundesland. Da half es auch nicht, dass der künftige Exstandort Bonn sogar im Firmennamen verewigt ist. Heimatverbundenheit allein zahlt eben keine Rechnungen.

Welche Familien in Deutschland die Macht haben
Rang 20: Liebherr InternationalBranche: NutzfahrzeugeUmsatz 2015: 9,2 Milliarden EuroBeschäftigte 2015: 41.500 Über die Dachgesellschaft kontrolliert die Familie Liebherr das Firmenimperium, das unter anderem Baufahrzeuge, Kräne, Verkehrstechnik, Hausgeräte und Hotels umfasst.Quelle: FAZ, Unternehmen Quelle: dpa
Rang 19: MaxingvestBranche: Nahrung und GenussUmsatz 2015: 10,1 Milliarden EuroBeschäftigte 2015: 30.000 Unter dem Dach der Maxingvest sind der Kaffeehändler Tchibo und der Nivea-Hersteller Beiersdorf vereint. Kontrolliert wird die Holding von der Hamburger Unternehmerfamilie Herz. Quelle: AP
Rang 18: WürthBranche: BefestigungstechnikUmsatz 2015: 11,0 Milliarden EuroBeschäftigte 2015: 69.000 Als Schraubenkonzern ist Würth vielen bekannt. Dabei hat sich der Konzern unter Reinhold Würth, Sohn des Firmengründers Adolf Würth, zu einem weltweiten Großhandel mit Befestigungs- und Montagetechnik entwickelt. Sitz des Unternehmens ist Künzelsau bei Stuttgart. Quelle: dapd
Rang 17: Marquard & BahlsBranche: MineralölhandelUmsatz 2015: 11,1 Milliarden EuroBeschäftigte 2015: 8.700 Zu den Geschäftsbereichen des Konzerns gehören der Mineralölhandel, die Flugzeugbetankung – aber auch die erneuerbaren Energien. Sitz des Familienunternehmens ist in Hamburg. Quelle: dpa/dpaweb
Rang 16: MahleBranche: AutozuliefererUmsatz: 11,5 Milliarden EuroBeschäftigte: 75.600 Der Autozulieferer aus Stuttgart blickt auf eine fast 100-jährige Unternehmensgeschichte zurück und zählt heute zu den größten Firmen der Branche. Der Konzern ist zu 99,9 Prozent im Besitz der Mahle-Familienstiftung. Quelle: dpa
Rang 15: OttoBranche: HandelUmsatz 2015: 12,1 Milliarden EuroBeschäftigte 2015: 49.600 Hinter Amazon ist Otto einer der größten Onlinehändler weltweit. Vom Internetverkauf profitiert der traditionelle Versandhändler so stark, dass die diversen Web-Shops in den vergangenen Jahr stark gewachsen sind. Quelle: dpa
Rang 14: Oetker-GruppeBranche: MischkonzernUmsatz 2015: 12,2 Milliarden EuroBeschäftigte 2015: 30.800 Zur Oetker-Gruppe mit Firmensitz in Bielefeld gehören rund 400 Unternehmen. Oetker ist unter anderem in den Bereichen Lebensmittel (Dr. Oetker GmbH), Bier (Radeberger), Sekt und Wein (Henkell), Schifffahrt (Hamburg Süd) und dem Bankwesen (Bankhaus Lampe) tätig. Quelle: dpa

Für den Ruf ist so ein Umzug schädlich. Der Betriebsrat fürchtet einen Jobabbau, die Mitarbeiter haben sich meist häuslich eingerichtet. „Gerade Familienunternehmen leben oft von diesem Kümmer-Image, das sie in ihrer Region haben“, sagt Experte Peter May. Sie unterstützen Schulen oder richten selbst Betriebskindergärten ein, helfen bei der Ferienbetreuung oder der Pflege der Eltern. „Das leidet natürlich unter so einem Umzug“, sagt May.

Diese Erfahrung musste auch der Küchenhersteller Alno machen. Anfang 2010 hatte der damalige Vorstandschef die Filiale nach Düsseldorf verlegt – nach mehr als 50 Jahren im baden-württembergischen Pfullendorf. Nur ein Jahr später beschloss sein Nachfolger, wieder zurückzuziehen. Manchmal ist es zu Hause eben doch am schönsten.

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