Fliesenhersteller aus Brandenburg „Ich fände es schwierig, wenn die Industrie weiter produziert, die Leute aber in ihren Wohnungen frieren“

Fliesenbrennerei Quelle: imago images

Die Bundesnetzagentur sammelt Daten von den größten Gasverbrauchern des Landes - wie etwa vom Brandenburger Fliesenhersteller Porcelaingres. Was würde ein Gasembargo bedeuten? Fragen an Geschäftsführer Fabian Schäfers.

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Der Fliesenproduzent Porcelaingres wurde 2003 in der brandenburgischen Kleinstadt Vetschau gegründet, 18 Kilometer westlich von Cottbus. Der Betrieb gehört zur italienischen Gruppe Iris Ceramica mit Sitz in der Emilia-Romagna. Porcelaingres beschäftigt 220 Mitarbeiter, diese brennen im Jahr rund viereinhalb Millionen Quadratmeter Fliesen – mithilfe von Gas.

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 55 Millionen Euro. Die Fliesen aus Brandenburg werden sowohl im Fachhandel verkauft (es gibt etwa eine Kooperation mit „Schöner Wohnen“), als auch im Projektgeschäft, wo man Einkaufszentren, Hotels, Büros ausstattet. Vor kurzem hat Porcelaingres ein Einkaufszentrum in Peru und ein Resort auf den Malediven mit Fliesen beliefert, als nächstes ist der Flughafen in Oslo dran. Seit September 2016 leitet Fabian Schäfers die Geschäfte.

Herr Schäfers, seit kurzem sammelt die Bundesnetzagentur Daten von den 2500 größten Gasverbrauchern Deutschlands und erstellt eine Plattform, um im Notfall entscheiden zu können, wer noch wie viel Gas bekommt. Haben Sie schon Post bekommen?
Ja, auch wir wurden angeschrieben und werden alle Fragen beantworten und die benötigten Informationen schnellstens bereitstellen.

Wie viel Gas verbrauchen Sie?
Im Jahr sind es etwa 140 Millionen Kilowattstunden. Wir haben drei 100 Meter lange Rollen-Ofen. Dort werden die Keramik-Oberflächen auf 900 bis 1200 Grad erhitzt.

Wenn nun ein Gasembargo käme…
… brauchen wir schnelle Lösungen und auch Unterstützung. Zum Beispiel müssten wir die Mitarbeiter der Produktion in Kurzarbeit schicken. Ein paar Wochen noch würden wir Mitarbeiter im Lager und im Innendienst beschäftigen können, aber auch in den weiteren Abteilungen müssten wir dann in Kurzarbeit gehen.

Was fordern Sie?
Wenn kein Gas mehr für die Produktion bestimmt wäre, müssen uns die Behörden meines Erachtens andere Wege aufzeigen, wie wir mit der Situation umgehen sollen. Wir sind ein profitables Unternehmen und es müssten Wege gefunden werden, wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.

Es gab den Vorschlag von Wirtschaftswissenschaftlern, die vorgesehene Priorisierung umzukehren und im Falle eines Gasmangels doch erst die Industrie zu beliefern anstelle der Privathaushalte.
Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Ich fände es schwierig, wenn die Industrie weiter produziert, die Leute aber in ihren Wohnungen frieren. Wenn wir weiter Arbeitsplätze sichern und Steuern zahlen wollen, dann müssen wir produzieren. Aber wenn ein Gasembargo dazu beiträgt, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden, sollte man eine gewisse Dauer darauf verzichten. Jeder sollte dann seinen Beitrag leisten. Das müsste staatlich organisiert und vielleicht auch kontrolliert werden.

An was denken Sie?
Es wird ja gerade diskutiert, ob wir alle nicht die Raumtemperatur von durchschnittlich 24 auf 23 Grad reduzieren könnten. Das halte ich für vertretbar. Jedenfalls vertretbarer, als ganze Industriezweige zu stoppen. Wir leisten auch schon unseren Beitrag: Derzeit produzieren wir nur auf zwei unserer drei Öfen.

Sie sind zwiegespalten?
Nein. Ich bin ja zum Glück nicht in der Situation, diese Entscheidung treffen zu müssen. Für uns ist es simpel: Wir haben volle Auftragsbücher, und solange wir Gas bekommen, werden wir Keramik produzieren. Und wenn moralisch abgewogen wird, dass ein Gasembargo der richtige Schritt ist, kann ich das nachvollziehen. Da entsteht für mich kein Zwiespalt.



Haben Sie einen Notfallplan?
Wir testen an unserem Standort in Brandenburg, wie wir selbst Strom produzieren können, mit einer Mischung aus Wind- und Solarpark. Aber das Projekt steht am Anfang.

Haben Sie mit Ihrem regionalen Gasversorger gesprochen?
Natürlich. Wir stehen im laufenden Austausch. Vor ein paar Wochen gab es schon mal Abfragen, wie viel Gas wir verbrauchen. Aber es hieß, wir sollen uns keine Sorgen machen, die Lieferung sei stabil.

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