Frisches Geld für Movinga Umzugs-Start-up bekommt eine zweite Chance

Vor wenigen Monaten stand Movinga kurz vor dem Aus: Das Kapital war aufgebraucht, das Vertrauen der Investoren verspielt. Jetzt erhält die Umzugsplattform wieder eine Millionenfinanzierung – auch von Rocket Internet.

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Jochen Cassel, Finn Hänsel und Christoph Müller-Guntrum (von links) erhalten eine millionenschwere Finanzspritze. Quelle: Movinga

Berlin 00

Das Start-up Movinga erhält von seinen Investoren 17 Millionen Euro. Diesmal wird die Finanzierungsrunde bewusst bescheiden gefeiert, im Rahmen der Weihnachtsfeier in den Räumen der Firma. Höhepunkt ist eine Gans. Vor einem Jahr hat das Unternehmen das letzte Mal Geld bekommen, etwas mehr als 20 Millionen. Damals feierte man noch in einem Berliner Club, 15 Stockwerke über der Stadt.

Doch fünf Monate später war das Geld fast weg. Ende Mai sah es so aus, als würde Movinga das Jahr 2016 nicht überleben. Das Start-up, das die Umzugsbranche digitalisieren wollte, hatte es sich durch sein aggressives Auftreten sowohl mit den Spediteuren als auch mit den Kunden verscherzt. Es gab hohe Außenstände und jede Menge unzufriedener Mitarbeiter. Den Investoren gegenüber sollen die jungen Firmengründer die Zustände des Start-ups schöngeredet haben. Im Juni verließen sie die Firma. Auch ein Drittel der Belegschaft musste gehen.

Ihre Nachfolger, alle drei Manager mit jahrelanger Erfahrung, haben jetzt eine zweite Chance für das Unternehmen herausgehandelt. Investoren wie Rocket Internet, Earlybird und STS Ventures erhöhen ihren Einsatz noch einmal. Auch neue Investoren sind mit eingestiegen, unter anderem Jan Kemper, der Finanzchef von Zalando, der demnächst zu Pro Sieben Sat 1 wechselt.

„Das Team um Finn Hänsel, Christoph Müller-Guntrum und Jochen Cassel, hat konsequent die richtigen Lehren aus der Anfangszeit gezogen und Movinga erfolgreich in das nächste Level befördert. Mit dieser Neuaufstellung ist Movinga hervorragend im Wettbewerb positioniert“, sagt Hendrik Brandis von Earlybird. Andere Investoren wollten kein Geld mehr geben.

Die Movinga-Manager müssen nicht nur das Vertrauen der Geldgeber zurückgewinnen. Auch die Spediteure, mit denen die Umzugsplattform zusammenarbeiten will, sind skeptisch gegenüber dem Start-up. Movinga war mit Dumping-Preisen in den Markt eingetreten und hatte seine Aufträge zum Teil von ziemlich unseriösen Wettbewerbern erledigen lassen. Die Kunden waren unzufrieden, es gab viele Beschwerden, viele Stornierungen und lauter schlechte Bewertungen im Internet.

„Wir haben Fehler gemacht, es tut uns leid“, sagten Finn Hänsel und Christoph Müller-Guntrum kürzlich öffentlich auf einer Veranstaltung des Verbands der Möbelspediteure. Sie sprechen jetzt viel von Partnerschaft und Qualität, von Mindestlöhnen und Fairness. „Wir haben unsere Preise angepasst. Nur so können wir Qualität garantieren“, sagt Christoph Müller-Guntrum. In Deutschland würden sie jetzt nur noch mit rund hundert Unternehmen zusammen, statt wie zuvor mit 300.


Qualität statt Masse

Die Kundenzufriedenheit sei seit dem Sommer enorm gestiegen, sagen die Manager, Zahlen nennen sie nicht, aber tatsächlich sind die Bewertungen, die man öffentlich einsehen kann, besser geworden. Und die Marge? Sei ebenfalls gestiegen. Man habe massiv in die Technik investiert und schon einige Prozesse automatisieren können. Ein wichtiges Element ist der Routenplaner, mit dessen Hilfe sie den Partnerunternehmen nicht nur einen Auftrag, sondern gleich auch die passende Rückfahrt dazu vermitteln wollen.

Umzugsunternehmer hassen Leerfahrten, das ist bekannt. Deshalb buhlen derzeit nicht nur Movinga, sondern auch etliche andere Plattformen um ihre Aufmerksamkeit. Sie heißen Move24 oder Umzugsauktion und wittern das Geschäft auf dem Milliardenmarkt mit Umzügen.

Wer sich durchsetzt, darüber wird auch die Sichtbarkeit bestimmen. Movinga will ab Januar mit bundesweiten Werbespots seine Marke bekannt machen und die Zahl der Kunden erhöhen, die direkt auf die Seite kommen und buchen, anstatt über Google-Anzeigen oder Preisvergleichsportale gelockt werden zu müssen.

Mit 17 Millionen kann man wieder höher stapeln, wobei ein Teil des Geldes schon im Juni geflossen ist, als die Kasse leer war. Um sie aufzufüllen, hat ein „Cash Collection Team“ monatelang Außenstände eingetrieben. Finanzchef Jochen Cassel, der zuletzt bei Zalando gearbeitet hat, sagt: "Wir haben die Finanzprozesse professionell aufgestellt, da ist vorher nicht alles reibungslos gelaufen". Statt ehemals fast 500 Leuten arbeiten jetzt noch rund 200 bei Movinga, statt in acht Ländern sind sie nur noch auf ihren Kernmärkten Deutschland und Frankreich aktiv. „Im Kerngeschäft sind wir profitabel“, sagt Finn Hänsel. „2017 können wir auch das Gesamtunternehmen profitabel machen.

Nach der Veranstaltung beim Umzugsverband haben ein paar Unternehmer, die vorher skeptisch Interesse an Movinga angemeldet. Ob sie bleiben, wird sich zeigen. Aber es sieht aus, als bekäme das Start-up noch eine Chance.

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