Gipfel der Weltmarktführer Jörg Sennheiser ganz privat

Erstmals berichtet der Ex-Chef des weltberühmten deutschen Mikrophon-Herstellers, Jörg Sennheiser, wie er den Rückzug aus der Verantwortung für sein Unternehmer verkraftet.

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Sennheiser gilt als weltweit führender Mikrophonhersteller Quelle: dpa/dpaweb

Er ist 70 Jahre alt und auch seine Firma, die der Vater gründete, zählt 70 Jahre. Zum Jahreswechsel legte er den Aufsichtsratsvorsitz nieder - und versucht seitdem Abstand zu gewinnen zu seinem Lebenswerk: dem weltweit führenden Mikrofonbauer.



Doch geht das überhaupt? Kann ein Vollblutunternehmer, der über Jahrzehnte hinweg eine Weltmarke aufgebaut hat, überhaupt loslassen? Auf eine solche Spurensuche begab sich die WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel zur Eröffnung des diesjährigen Gipfeltreffens der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall am Dienstagabend bei einem Kamingespräch mit dem Vorzeigemittelständler.

Die Stimmungslage Dur oder eher Moll?. "Dur", sagt Sennheiser, ein bisschen hart also, aber hell und klar. Adagio oder allegretto? "Adagio", antwortet der Ex-Unternehmer, will heißen "ruhig, eher nachdenklich". Und welcher Takt, vier Viertel oder drei Viertel? Sennheiser zögert nicht. "Drei Viertel", sagt er ohne längeres Nachdenken. Er fühle sich leichter auf dem Parkett als früher.

Doch dann kommt er ein bisschen ins Grübeln. Ein bisschen knapsen müsse er schon, gibt Sennheiser zu. "Ich befinde mich in einem Zustand, den ich noch nicht erlebt habe." Einerseits sei es ein "Glücksgefühl", das Zepter an zwei Söhne abgegeben zu haben, die "kompetent und mit viel Drive" das Unternehmen aus der Nähe von Hannover mit 2500 Mitarbeitern und rund 600 Millionen Euro Jahresumsatz führten.  Anderseits sei die "emotionale Bindung an die Firma einfach da". Zwar habe er seine Anteile an seine Nachfahren verschenkt und auch den Aufsichtsratschefposten abgegeben.

Doch ganz, nein ganz kann Sennheiser nicht von der Firma lassen, die weltweit durch die Medien geht, wenn der Superbowl in den USA läuft, Pink das Publikum zum Rasen bringt oder Madonna vor die Fans tritt. Denn ohne Mikrophone von Sennheiser wären die Megaereignisse stumme Stunden. "Ganz lässt es mich einfach nicht los", gesteht Sennheiser.

Er habe sich geschworen, "der neuen Generation nicht im Wege zu stehen". Doch dann kommen die Momente, in denen Sohn Daniel oder Andreas ihn um seine Meinung zu einer unternehmerischen Entscheidung fragen. Wie dann reagieren? Dann frage er seine beiden Nachfolger schon mal, räumt Sennheiser Senior ein: "Soll ich mich mal drum kümmern."

Vom Patriarchen zum kooperativen Chef

Den Willen, sich zurückziehen, und die Kraft, dem Tagesgeschäft einigermaßen zu widerstehen, hat  Sennheiser sich erarbeitet. Als er das Unternehmen von dem Vater 1976 übernahm, war er noch ein ganz anderer. Denn sein Altvorderer war der typische Patriarch. "Diese Rolle habe ich zunächst übernommen", berichtet Sennheiser. "Es war mir wichtig, für die Mitarbeiter jener Pol der Ruhe und Beständigkeit zu bleiben, an den sie gewohnt waren."

Aber dann entschied sich Patriarch II, sein Führungsverständnis zu ändern. "Ich wollte die Kurve kriegen vom Patriarchen zum kooperativen Chef", erinnert sich Sennheiser. Die Mitarbeiter sollten kreativer werden, sollten wissen, dass keine Frage und keine Idee zu dumm sei. Und letztlich sei ihm das auch gelungen. "Ja", sagt Sennheiser, "ich habe mich geändert."

Das war nicht unbedingt einfach. Denn Chef werden wollte der zum Honorarprofessor aufgestiegene promovierte Elektrotechniker von Anfang an. Als die Eltern mit ihm im Alter von zehn bis zwölf Jahren mit ihrem Opel Kapitän spazieren fuhren, entschied der Junge: "Ich will Wirtschaftskapitän werden."

Den Keim dazu hatten die Eltern von Anfang an gelegt. Denn immer wenn die Familie beieinander war, ging es um die Firma und deren Probleme. "Die Firma saß immer dabei am Familientisch", erinnert sich Sennheiser. Auch wenn er heute nichts mehr entscheide, einmal pro Woche telefoniere er noch mit seinen Söhnen, von denen der eine das Werk in Hannover und der andere dasjenige in Zürich leite.

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Produktion bei Ensinger Quelle: Presse
Sennheiser Produktion Quelle: Presse
Screenshot der Adva-Internetseite Quelle: Screenshot
Schiffsschraube Quelle: PR
Das Pfeiffer Vacuum Firmengebäude Quelle: Pfeiffer Vacuum Pressebild
Frank Blase, der Geschäftsführer von igus. Quelle: Presse
Armaturen in der Fertigung von Hansgrohe Quelle: REUTERS

Sennheiser hat den Frieden mit sich und seinem ehemaligen Unternehmen gemacht. Während Investmentbanker und Aktionäre ständig auf den Wert von Unternehmen achten, kümmert ihn das überhaupt nicht. "Der Wert meiner Firma interessiert mich nicht", sagt er. "Mich interessiert ihre Nachhaltigkeit, ob sie an die nächste Generation weitergegeben werden kann."

Ob er noch einen Traum habe, was die Firma angeht, fragt die WirtschaftsWoche-Chefredakteurin den Teilzeitprivatier am Ende des Gesprächs, vielleicht 20 Prozent Rendite? Sennheiser lächelt. "Das ist kein Traum", sagt er, "das ist unser Plan". Wenn andere das könnten, wieso nicht auch Sennheiser?

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