„Glocalisation“ Das Erfolgsrezept der Weltmarktführer

Friederike Welter, 56, ist Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn. An der Universität Siegen leitet sie den Lehrstuhl für Management von kleinen und mittleren Unternehmen und Entrepreneurship. Sie ist Mitglied im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums und wurde für ihre Forschungstätigkeit über kleine und mittlere Unternehmen mehrfach ausgezeichnet. Quelle: PR

In keinem anderen Staat gibt es so viele Weltmarktführer wie hierzulande. Ökonomin Friederike Welter vom Institut für Mittelstandsforschung spricht über Gründe, Erfolgsrezept und die künftigen Herausforderungen.

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Die mittelständischen Weltmarktführer investieren mehr als andere Unternehmen in Forschung und Entwicklung und sind deshalb auch besonders innovativ. Sie achten auf qualitativ hochwertige Produkt- und Servicequalität und ihre Strategie ist langfristig ausgerichtet. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der mittelständischen Top-Firmen liegt zudem in der „Glocalisation“: Sie sind sowohl regional verwurzelt als auch gezielt auf ausländischen Nischenmärkten unterwegs.

Warum fokussieren sich Deutschlands Top-Unternehmen gerade auf Nischenmärkte?

Nischenprodukte sind hoch komplex, qualitativ hochwertig und auf die konkreten Kundenbedürfnisse abgestimmt – und können so nur schwer von Konkurrenten nachgebaut werden. Übrigens: Wenn wir von mittelständischen Weltmarktführern sprechen, handelt es sich vorrangig um industrielle Familienunternehmen, die in der Regel nicht börsennotiert sind und bereits über mehrere Generationen existieren. Das sind Firmen, die sich nach unserer Definition im Familiensitz befinden bzw. von Mitgliedern der Familie kontrolliert werden – gleich wie groß sie sind.

Und was ist mit den Hidden Champions, jener Unternehmen also, die global führend, aber in der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt sind?

Viele mittelständische Weltmarktführer sind unbekannt, weil sie ihre Produkte und Dienstleistungen in der Regel im B2B-Bereich und nicht an den Endverbraucher vertreiben. Man darf aber nicht den Fehler begehen, alle mittelständischen Unternehmen als Hidden Champions anzusehen. Sie sind ein Teil des vielfältigen Mittelstands. Daneben gibt es noch viele andere mittelständische Unternehmen – dazu gehören auch die Angehörigen der Freien Berufe oder das Handwerk. Man rechnet jedenfalls, dass von den 3,6 Millionen Unternehmen, die es in Deutschland gibt, ungefähr 1500 Hidden Champions sind.

Wie wichtig ist diese hohe Zahl deutscher Weltmarktführer für unsere Volkswirtschaft?

Mittelständische Weltmarktführer leisten durch ihre Innovationen einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt. Und für die Beschäftigten sind diese Unternehmen wichtig, da sie weitgehend sichere Arbeitsplätze finden. Denn ein wesentliches Kennzeichen der mittelständischen Weltmarktführer ist es auch, dass sie an langfristigen Bindungen zu ihren Mitarbeitern interessiert sind, um das Know-how im eigenen Unternehmen zu halten.

In Deutschland sitzt jeder zweite Hidden Champions. In den USA sind es gerade einmal 14 Prozent. Warum gibt es hierzulande so viele?

Ein wesentlicher Grund ist, dass der Maschinenbau hierzulande schon immer eine große Rolle gespielt hat. So haben sich in der Vergangenheit in diesem Bereich zahlreiche Familienunternehmen zu Marktführern entwickelt. Zum anderen: die Struktur. Im Gegensatz zu Konzernen sind mittelständische Weltmarktführer organisatorisch, personell und in der Produktion flexibler aufgestellt. So können sie schneller die Probleme ihrer Kunden lösen.

In anderen Staaten ballen sich Konzerne in den urbanen Regionen. In Deutschland sitzen viele führende Firmen auf dem platten Land. Wie ist das zu erklären?

Historische Entwicklungen und Traditionen spielen da eine wichtige Rolle. Nehmen wir das Beispiel Südwestfalen: Die Eisenerzeugung und -verarbeitung war dort schon in der Neuzeit verbreitet. Heute sitzen dort zahlreiche Traditionsunternehmen, die spezielle Produkte für die Elektro-, Leuchtstoff- und Automobilindustrie fertigen. Sie profitierten in ihrer Entwicklung von der jahrzehntelangen Erfahrung – und wurden so zu Weltmarktführern.

Welche Rolle spielt das duale Ausbildungssystem in Deutschland?

Dadurch können Deutschlands mittelständische Weltmarktführer gezielt das Know-how ihrer Fachkräfte aufbauen. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass sich in Staaten, in denen es eine Art duales Ausbildungssystem gibt, sich auch die Weltmarktführer finden – wenn auch nicht in der Größenordnung wie in Deutschland.

Und was könnte für Deutschlands Weltmarktführer zum Problem werden?

Die Digitalisierung kann für die Weltmarktführer ein Problem sein, wenn sie deren Möglichkeiten außer Acht lassen. Denn smarte Produkte und digitale Schnittstellen zu den Kunden dürften auf jeden Fall noch an Bedeutung gewinnen. Ich bin mir aber sicher, dass die Weltmarktführer – wie schon in der Vergangenheit – auch diese Herausforderung meistern werden.

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