Gotthard, Brenner oder Bosporus Kein Tunnel ohne Herrenknecht

Ein großes Ziel vor Augen und mit einem Kredit von Mama in der Tasche: So hat Martin Herrenknecht angefangen. Nun wird er bald 75 Jahre alt. Seinen Heimatort hat er zum Sitz eines Weltkonzerns gemacht.

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„Martin Herrenknecht ist nicht bloß Fulltime-, sondern Lifetime-Unternehmer.“ Quelle: dpa

Schwanau-Allmannsweier Wenn dieser Mann in die Röhre schaut, ist es meist dunkel und laut. Es knirscht, kreischt, pocht und poltert. Doch für Martin Herrenknecht ist der Lärm, den gigantische Bohrmaschinen erzeugen, fast so etwas wie die Melodie seines Lebens. Vor 40 Jahren gründete der Ingenieur aus dem badischen Flecken Allmannsweier eine Firma für Großbohrgeräte. In nur einer Generation hat er sie zum Weltmarktführer für Tunnelvortriebstechnik mit mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsatz und rund 5000 Beschäftigten entwickelt. Am kommenden Samstag (24.6.) wird Herrenknecht 75.

Für die Feier mit Verwandten und Freunden in Südfrankreich hat er sich - ausnahmsweise - drei Tage frei genommen. „Mehr geht nicht“, sagt Herrenknecht. „Es werden immer neue Tunnel gebraucht, die Arbeit ruft.“ Der Konzernchef mit den schlohweißen Haaren erledigt sie längst nicht nur am Schreibtisch im Hauptwerk gleich neben seinem Heimatort zwischen der Rheingrenze zu Frankreich und der Autobahn 5.

Auch mit 75 Jahren ist der Spross einer Handwerkerfamilie - seine Eltern betrieben eine Polsterei - immer dort, wo es um große Bohraufträge für unterirdische Schienenstränge, Autostraßen oder Versorgungstrassen geht. Unterirdisch kann dabei auch „unter Wasser“ bedeuten: Unter der Seine in Paris etwa, wo die Metro erweitert wird. Unter dem Bosporus, wo mit Herrenknecht-Maschinen der Tunnel für die Straßenverbindung zwischen Europa und Asien ausgehöhlt wurde. Auch unter Megastädten und durch gigantische Bergwelten werden mit Herrenknecht-Maschinen Tunnel vorangetrieben.

„Das ist für mich die Erfüllung eines Wunschtraums“, sagte der Firmengründer sichtlich gerührt, als im vergangenen Sommer der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz feierlich eröffnet wurde - mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Vier Bohrer aus Schwanau-Allmannsweier mit rund zehn Metern Durchmesser und mehr als 400 Metern Länge waren dort im Einsatz.

Am nächsten „Tunnelweltmeister“ wird bereits gearbeitet: 64 Kilometer lang wird der Brenner-Basistunnel zwischen Österreich und Italien. Nicht weniger ambitioniert ist der Bau neuer Metro- und Straßentunnel in Hongkong. Einer der dort eingesetzten Bohrer hat einen Durchmesser von 17,6 Metern - die größte Tunnelbohrmaschine der Welt.

An fast 150 Tagen im Jahr ist Herrenknecht auf Achse. Für den „König der Tunnelbohrer“ steht immer ein Firmenjet auf dem nahen Airport Lahr bereit. „Martin Herrenknecht ist nicht bloß Fulltime-, sondern Lifetime-Unternehmer“, sagt Wolfgang Müller, der Oberbürgermeister von Lahr. „Wenn Sie ihm zuhören, wo er die vergangenen Wochen überall auf der Welt war, wird Ihnen schwindelig.“

Bodenhaftung und Heimatverbundenheit hat der Tunnelbohrer aber nie verloren. Davon zeugte in gewisser Weise auch seine Empörung, als die Grünen 2010 wegen der Auftragsvergabe für das Bahnprojekt Stuttgart 21 auf Herrenknechts Nähe zum einstigen CDU-Ministerpräsidenten Lothar Späth und mutmaßliche Mauscheleien anspielten. Das hat ihn gekränkt. Auf den relativ kleinen Auftrag in Höhe von rund 80 Millionen Euro war der Weltkonzern, der allein im Schwarzwald gut 2000 Menschen beschäftigt, nie angewiesen. Doch Herrenknecht hätte es als Schmach angesehen, wenn der Weltmarktführer nicht auch im eigenen „Ländle“ bohren dürfte.

Viel Lob gibt es für sein soziales Engagement. „Er gehört für mich zu den ganz großen Unternehmerpersönlichkeiten unseres Landes“, sagt Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) über das langjährige CDU-Mitglied Herrenknecht. „Er ist jemand, der Erfolge teilt und großzügig ist, wenn es um das Soziale, um Jugendarbeit und Sport geht.“

Als die evangelische Kirche vor Jahren die Pfarrerstelle in Allmannsweier einsparen wollte, sprang Herrenknecht ein. „Das kostet mich 100 000 Euro im Jahr, aber der Pfarrer macht eine prima Jugendarbeit. Wenn wir damit auch nur ein Kind vor den Drogen bewahren können, ist das gut angelegtes Geld“, sagt der Protestant, der seit 1982 mit einer Katholikin aus Kolumbien verheiratet ist.

Wie lange Herrenknecht sein Unternehmen noch führen wird, für das ganz am Anfang die Mutter einen Kredit in Höhe von 25 000 D-Mark vorgeschossen hatte, lässt er offen. „Die Nachfolge ist geregelt“, sagt er. Sohn Martin-Devid (30), der Maschinenbau studierte, arbeitet sich dafür ein. „Solange ich noch fit bin, möchte ich weitermachen“, sagt der Vater. Der Sohn lächelt dazu, still und freundlich.

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