Gucci, Fiat, Barilla Starke Macher, starke Marken

Weltbekannte Labels und ein breiter Mittelstand stärken Italiens Wirtschaft. Das führt zu einer ausgewogenen Struktur: Exportstarke Konzerne und technologisch führende Nischenanbieter ergänzen sich.

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Die Frühjahrs-Kollektion der italienischen Modeunternehmer Stefano Gabbana und Domenico Dolce. Quelle: Reuters

Düsseldorf Domenico Dolce und Stefano Gabbana haben es geschafft: Sie sind längst eine Marke. Ihr 1982 gegründetes Modelabel ist weltbekannt, das Geschäft läuft gut. Beide unterstreichen das durch selbstbewusste Auftritte und inszenieren sich bevorzugt in herrlicher italienischer Küstenlandschaft als Duo mit Stil.

So wie die beiden Modedesigner ist ihr Heimatland Italien längst selbst zu einer weltweiten Qualitätsmarke geworden. Italienische Mode steht weltweit für Eleganz, italienisches Essen für Lebenskunst, der italienische Film für Spaghetti-Western und ausschweifende Epen. Viele große Marken kommen aus dem südeuropäischen Land: Gucci, Benetton, Barilla. Dazu die großen Urlaubsmarken: Capri, Santorini, das Colosseum. Selbst italienische Autos, noch vor wenigen Jahren als Rostlauben und Zuhälter-Karren verunglimpft, finden neue Freunde. Mit dem neuen 500 hat Fiat den schönsten Kleinwagen der jüngeren Generation im Angebot, Ferrari bleibt ein weltweiter Männertraum.

Das Bild, das die italienische Wirtschaft abgibt, ist anders als das desolate Bild, das die Politik abliefert. Es ist eleganter, internationaler – wenn auch nicht unbedingt bescheidener. Das liegt zum einen an den Führungspersonen, zum anderen am starken Mittelstand – trotz offensichtlicher Schwächen.

Fiat-Chef Sergio Marchionne etwa ist so einer, der etwas wagt. Er hat die Insolvenz der US-Legende Chrysler genutzt, um die Mehrheit an dem Konzern zu übernehmen. Mit dem familiendominierten Fiat-Konzern will er schaffen, woran sich Daimler übernommen hat: einen europäisch-amerikanischen Weltkonzern. Die ersten Ergebnisse sind mehr als ermutigend: Im dritten Quartal steigerte Marchionne den Chrysler-Umsatz um 19 Prozent auf mehr als 13 Milliarden Dollar – und schrieb endlich wieder Gewinne. Fiat hat die jahrelange Lethargie erfolgreich überwunden.


Chancen vor allem im Ausland

Etliche italienische Konzermanager sind in den vergangenen Jahren mutig gewesen, wenn es darum ging, Chancen im Ausland zu nutzen: Der Chef des Energieversorgers Enel, nach Umsatz der drittgrößte Konzern des Landes hinter dem Ölriesen Eni und der Versicherung Generali, schnappte schon 2007 dem deutschen Konkurrenten Eon den spanischen Versorger Endesa weg. Heute läuft das Geschäft von Spitzenmanager Fluvio Conti gut, der Deal zahlt sich aus.

Oder Barilla: Groß geworden mit einem uritalienischen Produkt, den Nudeln, kaufte der Konzern kurzerhand die deutsche Bäckereikette Kamps. Auch wenn sich das Geschäft im Nachhinein kaum auszahlte: Es zeigt, wie geltungsbewusst die Italiener europaweit sind – und was die italienische Industrie stemmen kann.

Die Kehrseite des Wirtschafts-Machismo sind Skandale wie der um die Molkereigruppe Parmalat. Vor einem Jahrzehnt protzten die Manager mit gefälschten Bilanzen und brachten die Firma in eine schwere Krise. Heute steht sie wieder stabil da– und wird vom französischen Konzern Lactalis geschluckt. Auch andere bekannte Marken waren gerade erst Ziel von französischen Aufkäufen: LVMH übernahm die Modemarke Bulgari, PPR den Edelschneider Brioni, der Pariser Energieversorger EDF die italienische Edison.

Der Einfluss aus dem Ausland könnte helfen, überkommene Strukturen aufzubrechen. In der Vergangenheit haben Italiens Konzern-Patriarchen eifrig mit der Politik und den Gewerkschaften gekungelt. Ergebnis: Fiat etwa muss bis heute in Neapel etliche Arbeiter in einem Werk mit auffällig hohem Krankenstand durchziehen. Dazu kommt das Wiedererstarken der Mafia im Süden des Landes, die eng mit Unternehmern verbunden ist. Das verhindert neue Investitionen in dem strukturschwachen Gebiet.

Nichtsdestotrotz ist es der Unternehmergeist, in dem Italiens Chancen liegen. Allein die nackten Zahlen zeigen, dass die Italiener ein Volk von Entrepreneurs sind: 3,9 Millionen Unternehmen zählten die Statistiker zuletzt – im einwohnerstärkeren Deutschland sind es nur 1,9 Millionen. Das liegt nicht zuletzt an den vielen Einzelunternehmern in Italien: Landwirtschaft und Tourismus bieten Chancen für Kleinunternehmer – konservieren aber auch unprofitable Strukturen. Vor allem im abgehängten Süden arbeiten Kleinstunternehmen ineffizient. In den einkommensschwachen Gebieten findet auch die italienische Textilindustrie fernab der Nobelmeilen eine letzte Zuflucht: in Nähereien – ein Zweig, der in Deutschland fast nicht mehr existiert.

Doch das sind nur die Schattenseiten. In seiner Gänze stützt der Mittelstand Italiens Volkswirtschaft. In Norditalien ist der industrielle Mittelstand stark wie selten zuvor. In Udine etwa, nahe Triest, sitzt einer der weltgrößten Ausrüster für Stahlwerke. Gianpietro Benedetti will den Walzwerkhersteller Danieli neuerdings zu einer festen Größe in China machen – und konkurriert dabei heftig mit der deutschen SMS-Gruppe. Im laufenden Geschäftsjahr will er den Umsatz auf bis zu drei Milliarden Euro steigern – von 2,6 Milliarden im Vorjahr. Die Erfolgsfaktoren ähneln denen der deutschen Konkurrenz: Danieli hat in der Krise die Gruppe kräftig restrukturiert und den Export weiter gestärkt. Das macht den Hersteller unabhängiger von der europäischen Schuldenkrise.


Der Unterschied zu Griechenland

Ähnlich agiert der 1937 in Mailand gegründete Bauchemie-Hersteller Mapei. Auch das Familienunternehmen ist längst ein internationaler Konzern mit 58 Werken, aktiv in 27 Ländern. Fünf Prozent des jährlichen Umsatzes steckt die Firma in die Forschung, um etwa mit dem deutschen Konkurrenten Henkel mithalten zu können. Schon seit den 1960er-Jahren geht der Konzern gezielt ins Ausland. In der Branche ist das unumgänglich: Die Industriekunden erwarten kurze Lieferzeiten und geringe Transportkosten. Der Konzern erwartet für 2011 rund 1,9 Milliarden Euro Umsatz. Dafür beschäftigt er 7 500 Mitarbeiter.

Danieli und Mapei sind nur zwei Beispiele für die vielen italienischen Industrieunternehmen, die in ihrer Nische auf dem Weltmarkt vorn mitspielen. Das unterscheidet Italien von Griechenland, das kaum Industrie vorweisen kann – trotz der strukturellen Schwächen, an der die römische Politik zumindest mitschuldig ist. Italiens Unternehmer lassen sich dadurch nicht unterkriegen. Das Designerduo Dolce und Gabbana etwa steigerte den Umsatz seiner Gruppe allein im abgelaufenen Jahr um 200 Millionen Euro auf 1,4 Milliarden Euro.

Eins ist dabei klar: Der provokanten Marke nützt die Herkunft aus dem Modeland Italien immer noch weit mehr als sie schadet. Mitarbeit: Carsten Herz


Maschinenbau: Durch die Krise geschwächt

Die eigentliche Vorzeigebranche des Landes kann sich der politischen und wirtschaftlichen Lähmung Italiens nicht entziehen. So verliert der Maschinen- und Anlagenbau seit Jahren international an Boden: Lag der Anteil Italiens an den weltweiten Exporten 2005 noch bei 13 Prozent, ist er inzwischen auf neun Prozent zurückgefallen. Die Branche spürt den Druck der osteuropäischen und asiatischen Konkurrenz. Im vergangenen Jahr zog erstmals China an Italien vorbei auf Platz vier.

Ähnlich wie der deutsche Maschinenbau sind die Italiener hochspezialisiert und auf Export ausgerichtet. Fast 20 Prozent aller Ausfuhren Italiens erwirtschaftet der Maschinen- und Anlagenbau. In vielen Bereichen der weitverzweigten Branche gehören italienische Firmen zur Weltspitze. Rund 40000 Firmen sind in der Branche aktiv, fast doppelt so viele wie in Deutschland. Das Problem dabei: Viele Betriebe sind zu klein für das internationale Geschäft – im Durchschnitt haben sie 14 Mitarbeiter. Häufig fehlt das Geld für Innovationen. Auch haben viele Firmen den Trend zu Komplettlösungen verpasst – ein Vorteil der deutschen Konkurrenz.


Energie: In der Champions League

Beim Thema Energie ist Italien gleich zweifach in der europäischen Spitze vertreten. Im Gegensatz zu Deutschland verfügt das Land mit Eni über einen starken Ölkonzern und mit Enel über ein internationales Schwergewicht bei den Strom- und Gasversorgern. Beide Konzerne, an denen der Staat jeweils rund 30 Prozent der Anteile hält, sind international breit aufgestellt – und werden deshalb unabhängig von den Turbulenzen auf dem Heimatmarkt gute Geschäfte machen.

Der Ölkonzern Eni ist mit einen Umsatz von fast 100 Milliarden Euro das fünftgrößte Unternehmen in Europa und ist in 79 Ländern vertreten. Eni bezieht sein Öl und Gas vor allem aus Nordafrika. Speziell in Libyen verspricht sich der Konzern nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes neue Geschäftschancen.

Enel ist mit einem Umsatz von 72 Milliarden Euro der drittgrößte europäische Versorger hinter Eon und GDF Suez, aber noch vor Electricité de France. Unter allen börsennotierten Konzernen steht das Unternehmen immerhin auf dem 13. Platz. Vor vier Jahren gelang es Enel den damals größten spanischen Versorger Endesa zu übernehmen, obwohl sich auch Eon monatelang um diesen bemüht hatte. Seitdem hat Enel ein starkes Standbein in Spanien, ebenso in Südamerika.


Mode: Großes Renommeé nutzt

Die Modebranche ist für Italien eine zweischneidige Sache. Mehrere Übernahmen haben gezeigt, dass viele der Firmen Schwierigkeiten haben, ihre Strukturen an die globalisierte Welt anzupassen. Andererseits sind Marken wie Dolce & Gabbana, Prada und Zegna unglaublich wertvoll – wenn sie ihre Chancen nutzen. Doch erst in dieser Woche verlor der Herrenschneider Brioni seine Unabhängigkeit. Nach Streit unter den Eigentümerfamilien waren Schulden aufgelaufen, der Umsatz hatte sich nach der Finanzkrise nicht wieder komplett erholt. Der französische Luxus-Konzern PPR schlug zu. Die Franzosen hatten auch schon die Marke Gucci gekauft – und ihr eine Generalrenovierung verordnet. Dies könnte auch all jenen Labels drohen, die noch in größerem Umfang in Italien produzieren.

Das Schildchen „Made in Italy“ sorgt zwar für Renommeé beim Kunden, die Arbeitskosten sind jedoch immer weniger wettbewerbsfähig gegen die Konkurrenz aus der Türkei oder Marokko. Nach Deutschland sanken die italienischen Mode-Exporte von 2009 auf 2010 um 5,9 Prozent auf 941 Millionen Euro. Damit belegt Italien immer noch den fünften Platz – ist aber das einzige der sieben größten Importländer in Deutschland, das an Umsätzen verliert.

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