Auftragsschwund Die Luft für die deutsche Industrie wird immer dünner

Die deutsche Industrie bekommt immer weniger Aufträge. Eine so lange Durststrecke gab es zuletzt im Sommer 2015. Quelle: dpa

Die Auftragsbücher deutscher Firmen bleiben zwar sehr gut gefüllt, trotzdem verzeichnet die deutsche Industrie die längste Negativserie seit 2015. Der Wachstumszenit ist überschritten, warnen Ökonomen.

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Im März erhielt sie wegen der sinkenden Auslandsnachfrage den dritten Monat in Folge weniger Aufträge. Eine so lange Durststrecke gab es zuletzt im Sommer 2015. Die Bestellungen fielen um 0,9 Prozent geringer aus als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen ein Wachstum von 0,5 Prozent erwartet. "Die Auftragsbücher der Unternehmen sind aber weiterhin sehr gut gefüllt", erklärte das Ministerium. Die Reichweite der Bestellungen liegt derzeit mit 5,6 Monaten auf dem höchsten Niveau seit Beginn dieser Statistik 2015.

"Ein Rückgang von 0,9 Prozent ist eine herbe Schlappe – das tut schon richtig weh", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Alles in allem bestätigt sich, dass der Wachstumszenit überschritten ist", erklärte der Chefökonom des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger. "Der Fortsetzung des Konjunkturaufschwungs steht dies nicht im Wege. Für sein Tempo gilt aber fortan das Normalmaß statt XXL."

Die Inlandsnachfrage wuchs im März zwar um 1,5 Prozent. Dafür gingen die Bestellungen aus dem Ausland um 2,6 Prozent zurück - besonders die aus der Euro-Zone und hier vor allem nach Investitionsgütern wie Maschinen. "Die Zolldebatte hat vermutlich die exportstarke europäische Industrie stark verunsichert", sagte Thomas Gitzel. Die USA drohen mit höheren Zöllen auf Stahl und Aluminium, was zu Gegenmaßnahmen und damit zu einem Handelskrieg führen kann.

Börsianer gehen davon aus, dass die Konjunktur in der Euro-Zone - in die rund 37 Prozent der deutschen Exporte gehen - weiter an Schwung verliert. Das entsprechende Barometer fiel im Mai um 0,4 auf 19,2 Punkte, wie die Investment-Beratungsfirma Sentix zu ihrer Umfrage unter knapp 1000 Investoren mitteilte. Das ist bereits der vierte Rückgang in Folge, durch den das Barometer auf den niedrigsten Stand seit Februar 2017 abrutschte. "Die Konjunktur in der Euro-Zone kühlt sich also ab, aber eine Rezessionsgefahr besteht noch nicht", sagte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. Die Unsicherheit über US-Strafzölle dämpfe. "Ebenso belastend wirkt sich auch der feste Euro aus", sagte Hübner. Dadurch verschlechtere sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure, da ihre Waren dadurch in anderen Währungsgebieten teurer werden.

Ein Ende des deutschen Aufschwungs erwarten weder das Wirtschaftsministerium noch Ökonomen. "Trotz des leichten Dämpfers bei den Aufträgen im ersten Quartal dürfte die Industriekonjunktur aufwärtsgerichtet bleiben", hieß es aus dem Haus von Ressortchef Peter Altmaier (CDU). "Mit Blick auf die weiterhin gut gefüllten Auftragsbücher der Unternehmen haben sich die Konjunkturaussichten kaum verschlechtert", sagte auch BayernLB-Ökonom Stefan Kipar.

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