Big Data Nur wenige Führungskräfte erkennen die Chancen

Weniger als jedes zehnte mittelständische Unternehmen hat erkannt, welchen Nutzen es aus Big Data - etwa aus dem Kundengeschäft - ziehen kann.

Nur wenige mittelständische Unternehmen sammeln Kundendaten und analysieren sie für ihr Geschäft. Ein großer Fehler, wie Michael Reuther, Vorstand bei der Commerzbank fürs Firmenkundengeschäft, erklärt.

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WirtschaftsWoche: Herr Reuther, Ihre Studie belegt, dass nur acht Prozent der mittelständischen Unternehmen Daten ihrer Kunden sammeln und unternehmerisch nutzen. Wie kommt das?
Michael Reuther: Dafür gibt es gleich drei Gründe. Der erste ist Zeit, und zwar warten viele Unternehmen immer noch ab und wollen sich dreieinhalb Jahre oder noch länger Zeit lassen. Das halte ich für fahrlässig. Der Markt und der Wettbewerb sind schließlich in Bewegung. Ein großes Potenzial von Big Data liegt ganz klar in der Weiterentwicklung oder Neuentwicklung von Geschäftsmodellen, aber das braucht Zeit und Know-how - das ist dann der zweite Faktor. Es reicht nicht, nur Experten für kurze Zeit von außen einfliegen zu lassen. Auch ein Mittelständler muss Spezialisten nach der Kick-off-Phase ins Unternehmen integrieren. Denn Big Data ist keine Phase, die vorübergeht.

Die Umfrage ergibt, dass die Führungskräfte zu wenig Bereitschaft für Big Data an den Tag legen. Warum?
Es braucht den unternehmerischen Willen von ganz oben, um Big Data im Unternehmen zu verankern. Aber langjährige Führungskräfte sind ja nicht automatisch diejenigen mit dem besten Verständnis und Gespür für die Nutzung der Unternehmensdaten. Zum einen erkennen sie das oft nicht. Und zum anderen ist es für jeden schwierig, ein Stück Macht und Verantwortung an Experten abzugeben und Mitarbeitern neue Freiräume zu gewähren. Solange nur Daten gesammelt werden, kann man die Experten extern einkaufen und neue Prozesse parallel laufen lassen. Wenn aber die bereichsübergreifende Analyse und Nutzung großer Datenmengen zum Normalfall wird, müssen sich Innovationsmanagement, Abläufe und Strukturen ändern.

Welche Folgen hat es, dass Führungskräfte den Prozess eher ausbremsen?
Die Manager und die Unternehmenskultur sind der dritte Faktor. Das mangelnde Commitment der Führungskräfte ist ein echtes Hindernis für Big Data. Klar, Big Data muss strategisch von der Unternehmensleitung gewollt und unterstützt werden. Entscheidend für den Erfolg sind die Führungskräfte, die bereit sind, abteilungsübergreifend zusammenzuarbeiten, aber auch ganz neue Fach- und Führungskräfte. Da passiert häufig ein echter Kulturwechsel im Unternehmen.

Was entgeht der großen Mehrheit der Unternehmen, die ihre Daten nicht nutzen?
Die wenigen Datenkünstler – das sind grade mal acht Prozent – sind insgesamt erfolgreichere Unternehmen. Die Beschäftigung mit den Daten soll ja nicht nur Effizienzpotenziale heben – auch wenn das für die Kundenorientierung und Absatzsteigerung eine gute Sache ist. Es geht darum, neue Geschäftsmodelle in Chancen am Markt zu verwandeln und sich zur Not teilweise selbst Konkurrenz machen. Auch wenn das Bisherige gut funktioniert. Nehmen Sie Gisbert Rühl, den Vorstand von Klöckner, der eine Online-Stahlhandelsplattform ins Leben gerufen hat. Auf der verkauft er nicht nur den eigenen Stahl, sondern auch den der Konkurrenz.

Also ist es eine Milchmädchenrechnung der Unternehmen, wenn sie zu wenig Personal fürs Datensammeln einstellen oder selbst heranziehen, womit die Zielgruppe am Ende ausgeweitet würde.
Ja, stimmt. Das Erfolgsgeheimnis ist, eigene Digital- und Big-Data-Spezialisten an Bord zu haben. Wem die fehlen, der sollte sie sich selbst ausbilden. Es gibt ja entsprechende Unterstützung von Hochschulen und IHKs und dann auch die passenden Berufsbilder. Zudem fehlt in vielen Unternehmen der Mut beispielsweise in Pilotprojekten einfach mal etwas auszuprobieren. Die Unternehmen in Deutschland brauchen eine Fehlerkultur und ebenso den Mut, Projekte auch wieder zu beenden.

Michael Reuther ist Vorstand bei der Commerzbank fürs Firmenkundengeschäft.

Fürchten Unternehmen die zu komplizierten Datenschutzregeln? Die Strafen für Verstöße wurden ja gerade massiv erhöht.
Big Data kann nicht an zu komplizierten Datenschutzregeln scheitern. Im Gegenteil, die Reglementierung ist wichtig, um Sicherheit zu erzeugen und damit den Mut zum Handeln auch zu belohnen. Das zeigen ja gerade die aktuellen Fälle, wie eben Facebook. 30 Prozent der Unternehmen sagen sogar umgekehrt, dass eher mangelnder Datenschutz bei ihnen das Datensammeln und -auswerten erschwert. 81 Prozent der Mittelständler sagen, sie wünschen sich internationale, einheitliche Datenschutzgesetze.

Unfähig sind die Unternehmen jedenfalls nicht: Finanzen, Lagerbestände und Absatzschwerpunkte erfassen sie sehr wohl – weil sie das ja auch müssen, fürs Finanzamt, für Investoren und so weiter.
Mir scheint es plausibel zu sein, dass diese internen Daten viel einfacher zu erheben sind als Daten aus dem Markt oder aus der Kundschaft. Lagerbestände, Finanzdaten oder Personaldaten gibt es ja bereits, sie müssen nur systematisch erfasst, systematisiert und analysiert werden. Sicherlich spielen hier auch Berichtspflichten eine Rolle, aber die Erfassung ist wohl vor allem eine Frage der Zugänglichkeit.

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