Auch der Softwareanbieter fme setzt Sprachsteuerung ein, um seinen Kunden innovative Anwendungen im Bereich Business Intelligence, Social Business Collaboration und Enterprise-Content-Management-Technologien anzubieten. Die Kunden von fme kommen vor allem aus dem Bereich Life Science und der industriellen Fertigung. Mitarbeiter können verschiedene Arten von Content per Sprachbefehl suchen, in diesem navigieren, ihn sich anzeigen oder vorlesen lassen. Über Alexa können sie sich zum Beispiel einzelne Aufgaben erklären lassen. So könnte beispielweise das Onboarding neuer Mitarbeiter schneller und kostengünstiger werden – ihre Manager müssten das gleiche „Informationsritual“ nicht wieder und wieder durchlaufen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Pharmaunternehmen AstraZeneca. Es nutzt Alexa in der Arzneimittelproduktion. Die Teammitglieder können Fragen zu Standardprozessen stellen, um herauszufinden, was als nächstes zu tun ist.
Natürlich werden sich Verantwortlichkeiten und Organisationen dadurch verändern. Ressourcen für administrative Tätigkeiten können sich in Tätigkeiten verwandeln, die unmittelbar dem Kunden zugutekommen. Vom Charakter der Arbeit brauchen wir künftig vermutlich eher „Architekten“, „Entwickler“, „Kreative“, „Beziehungsexperten“, „Plattformspezialisten“ und „Analytiker“ und weniger „Abwickler“ oder „Verwalter“. Wenn wir also das Bedürfnis von Menschen ansprechen, zu schöpfen und zu erschaffen, könnte Arbeit am Ende erfüllender und angenehmer werden.
Diese Neuauflage der Mensch-Maschine-Beziehung hat auch noch einen anderen, wichtigen Effekt: Sie wird den Kreis derer, die sich an der digitalen Wertschöpfung beteiligen können, maßgeblich erweitern: Ältere Menschen, Menschen, die keinen Zugang zu Computer oder Smartphone haben, Menschen, für die eine Nutzung des Smartphones in der spezifischen Situation zu kompliziert ist, aber auch Menschen in Entwicklungsländern, die nicht lesen und schreiben können.
Ein Beispiel sind Reisbauern, die mit dem International Rice Research Institute zusammenarbeiten. Es hat seinen Sitz in der Nähe von Manila auf den Philippinen. Die Mission des Instituts ist es, Armut, Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen, indem es das Leben und die Arbeit von Reisbauern erleichtert. Reisbauern können von Wissen profitieren, auf das sie keinen Zugriff hätten, wenn sie auf sich allein gestellt wären. Das Institut hat 70.000 DNS-Sequenzen verschiedener Reissorten gespeichert. Daraus leitet es Erkenntnisse darüber ab, unter welchen Bedingungen Reis am besten wächst.
Das einzige, was es in wirklich jedem Dorf gibt, ist ein Telefon. Das Wissen wird für die Bauern zugänglich, indem sie das Dorftelefon nutzen, in einem Menü ihren eigenen Dialekt auswählen und beschreiben, welches Stück Land sie bestellen. Der Service basiert auf ML. Er generiert Empfehlungen dazu, wie viel Dünger dort benötigt wird und wann es am günstigsten ist, die Pflanzen zu setzen. Mit Hilfe digitaler Technologien können Bauern sehen, wie ihre Arbeit wertvoller wird: Mit dem gleichen Arbeitseinsatz ernten sie am Ende deutlich mehr Reis.
Geschichte der künstlichen Intelligenz
Der britische Informatiker Alan Turing entwickelt einen Test, der nachweisen soll, ob ein Computer denken kann wie ein Mensch oder ein höheres Tier, also Intelligenz besitzt.
Forscher prägen den Begriff künstliche Intelligenz. Bald darauf setzt – typisch für die Fünfzigerjahre – Zukunftseuphorie ein: In Büchern und Filmen tauchen intelligente humanoide Roboter auf.
Am Massachusetts Institute of Technology löst ein Computer erstmals Aufgaben eines IQ-Tests. Kurz darauf entsteht dort das erste Programm, das einen Dialog mit Menschen führt.
Als die erhofften wissenschaftlichen und kommerziellen Erfolge ausbleiben, ziehen sich viele Konzerne aus der KIForschung zurück. Auch staatliche Budgets werden zusammengestrichen.
Das KI-System ALVINN steuert ein Auto von der Ost- zur Westküste der USA. Es nutzt bereits ein neuronales Netz mit drei Ebenen. Der Chip im Auto hat etwa die Leistung der heutigen Apple-Uhr.
IBM baut den Supercomputer Deep Blue. Anfangs dilettantisch, besiegt er nach jahrelangem Training 1997 erstmals den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow.
Googles gleichnamige Internetsuchmaschine geht live. Schon bald überflügelt sie – dank KI – alle Konkurrenzprodukte. Inzwischen hält sie in den meisten Ländern ein Quasimonopol.
Der Zukunftsforscher Ray Kurzweil prophezeit in „The Singularity is Near“, dass die Rechenleistung aller Computer im Jahr 2045 die aller menschlichen Gehirne übertreffen wird.
Google präsentiert sein selbstfahrendes Auto vor Journalisten, die keinen Unterschied zu einem menschlichen Fahrer mehr feststellen. Diese Autos sind bis heute drei Millionen Meilen gefahren.
Googles Alpha Go besiegt den weltweit besten Go-Spieler Lee Sedol mit 4 zu 1. Wegen seiner Komplexität ist Go nicht mit Algorithmen zu bezwingen, die jeden möglichen Zug durchspielen.
Google-Chef Sundar Pichai kündigt ein KI-System an, das andere KI-Software schreiben können wird. Experten gehen davon aus, dass Google dabei kurz vor einem Durchbruch steht.
Der berühmte Physiker Stephen Hawking warnt, dass hyperintelligente KI-Systeme in nicht allzu langer Zeit die Menschheit dominieren könnten. Ganz auszuschließen ist das nicht.
Wir haben bisher nur einen winzigen Einblick in die Möglichkeiten, die sich unserer Arbeitswelt eröffnen. Aber sie machen deutlich, dass die Qualität der Arbeit für uns Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen wird und dass die Technologien viele Tätigkeiten eröffnen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Obwohl in Deutschland mehr als doppelt so viele Roboter pro Kopf in Betrieb sind, wie in den USA, hat die deutsche Industrie heute eher Probleme, Fachleute zu finden, als dass sie mit Arbeitslosigkeit kämpft. Letztlich ist es sehr wahrscheinlich, dass wir Menschen künftig Tätigkeiten in einer Art und Weise ausführen werden, die unserer Natur als Mensch viel mehr entgegenkommen als heute.
Ich glaube, wenn wir den technologischen Möglichkeiten gerecht werden wollen, sollten wir es mit Hölderlin halten, an das Rettende glauben, aber gleichzeitig versuchen die Risiken zu minimieren, indem wir Entwicklungen verstehen und sie gestalten.
Zum Autor
Dr. Werner Vogels ist CTO bei Amazon.com, wo er seit 2004 beschäftigt ist und kundenorientierte Technologievisionen vorantreibt.
Auch zuvor bekleidete er bereits zahlreiche Führungspositionen im Technologiebereich. Vogels, der an der Freien Universität in Amsterdam promovierte, hat außerdem zahlreiche Artikel über verteilte Systemtechnologien im Enterprise Computing verfasst.