Energie Schwimmende Kraftwerke

Startups und Wissenschaftler erschließen neuartige Energiequellen auf dem Wasser: Fotovoltaik-Anlagen, die auf Stauseen treiben, schwimmenden Riesenwindräder und Bojen im offenen Meer, die aus der Kraft der Wellen Strom erzeugen. Die Technik könnte die grüne Wende beschleunigen.

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SWAY Windrad Quelle: Pressebild

Es ist ein ungewöhnlicher Ponton, der mitten auf dem kleinen See nahe des italienischen Dorfes Suvereto in der Toskana schwimmt: Dutzende Solarmodule sind auf ihm montiert, alle im schrägen Winkel dem Himmel zugeneigt. Langsam, ganz langsam dreht sich das schwimmende Kraftwerk der Sonne nach. Aber das bemerkt nur, wer hier lange zwischen den Weinbergen und Olivenbäumen sitzt und die Stille genießt.

Auf offenem Wasser Strom zu erzeugen, klingt zunächst nach einer riskanten Idee. Für Marco Rosa-Clot aber ist es ein Weg zur Lösung unserer Energieprobleme. Glaubt man dem Leiter des Forschungsinstituts Scienza Industria Tecnologia im italinischen Navacchio, dann wird Sonnenstrom einmal spottbillig – wenn man ihn nur in schwimmenden Kraftwerken erzeugt. „Unser System erhöht die Energieausbeute gegenüber Fotovoltaikanlagen auf dem Land um 75 Prozent“, verspricht er.

Lenkdrachen soll Energie gewinnen
Sie sehen aus wie übliche Lenkdrachen, doch sollen sie zukünftig der Gewinnung von Windenergie dienen. Die Technische Universität Delft in den Niederlanden, deren Drache hier zu sehen ist, forscht seit Jahren im Kite Power Projekt an dieser Technologie und hat schon mehrere Prototypen getestet. 2015 könnten laut der Brandenburger Firma Enerkite die fliegenden Kraftwerke auch in Deutschland für Energie sorgen. Die Drachen fliegen dafür in 300 bis 600 Metern Höhe und zapfen dort die konstanten Windströme für die Stromgewinnung ab. Über ein Seil ist der Drache mit einer mobilen Bodenstation gekoppelt. Die Flugsteuerung sowie der Generator laufen per Autopilot. Im Gegensatz zu großen Windanlagen sind die „Energiedrachen“ flexibel einsetzbar, leise und auch noch günstiger. Quelle: Twitter
Die USA setzt ebenfalls auf Fluggeräte zur Energiegewinnung, doch diese ähneln eher einem Flugzeug. Windturbinen aus Glasfasern und Karbon machen dabei die Stromgewinnung in der Luft möglich. Die Forschung des kalifornischen Unternehmens Makani Power an der Airborne Wind Turbine wird unter anderem von Google bezuschusst. Die Turbine, die bis zu 600 Meter hoch fliegt, wird von einem Hauptseil gehalten, während die Luftenergie über ein anderes Seil zum Boden gelangt. Dabei fliegt die Windturbine kreisförmig und quer zum Wind, wodurch sie sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht. Der Prototyp kann sogar teilweise selbstständig den Flugmodus wechseln. Das Unternehmen plant die Windturbinen auch auf der See einzusetzen. Quelle: Twitter
Zumindest auf den Plänen der Konstrukteure bringen diese Windgeneratoren mehr Leistung als konventionelle Windmühlen. Der vertikale "Aerogenerator" wird auf hoher See installiert. Die Stromausbeute liegt bei 10 Megawatt, rund drei Megawatt mehr als die bisher größte Windanlage produziert. Die Spannweite kann nach Angaben des britischen Herstellers Windpower bis zu 230 Meter betragen. Dagegen sehen die bisher üblichen Windmühlen eher schlapp aus - die neuesten Anlagen der konventionellen Bauart sollen nämlich einen Rotorendurchmesser von "nur" 180 Meter haben. Texte: Miguel Zamorano Recherche: Andreas Menn Quelle: PR
Schaut wie eine Steinschleuder aus, ist aber ein Lenkdrache. Die Idee: der Kite-Segel der italienischen Firma Kite Gen ist an einem bewegbaren Arm an zwei Seilen befestig und wird dann auf eine Höhe von 800 bis 1000 Metern gebracht. Dort dreht der Winddrachen konstante Achten und treibt so die Turbine an. Der Vorteil: in mehr als 1000 Meter Höhe bläst der Wind konstanter als in Bodennähe. Bei einer Windgeschwindigkeit von 25 km/h läge die Energieausbeute laut Hersteller bei drei Megawatt. 300 Drachen brächten so die Leistung eines Atomkraftwerks - und da der Wind in der Höhe nahezu durchgehend bläst, gäbe es keine großen Ausfallzeiten. Der Haken: Flugzeuge müssten das Gebiet umfliegen. Das scheint bei der hohen Verkehrsdichte am europäischen Himmel und der Größe der Lenkdrachen-Parks nicht praktikabel. Das Modell ist derzeit noch in der Erprobungsphase. Quelle: PR
Bläst der Wind, dreht sich der Ballon um die eigene Sache und treibt den Rotor an Quelle: PR
Die Windhelix eignet sich für große Eigenheime Quelle: PR
Diese Modell soll sich unauffällig in die Landschaft fügen- Quelle: PR

Die Italiener sind nicht die einzigen, die das Wasser als Kraftwerksstandort entdeckt haben. Auch Windturbinenhersteller arbeiten an riesigen Windmühlen, die nicht mehr mit Fundamenten befestigt sind, sondern frei im Meer schwimmen. Sie könnten weit von der Küste entfernt Strom erzeugen. Sogar schwimmende Wellenkraftwerke sind in Arbeit.

Bessere Kühlung

Damit sollen nicht nur völlig neue Flächen jenseits des Festlands für die Stromerzeugung erschlossen werden – regenerativ erzeugter Strom soll auch noch deutlich preiswerter werden als heute.

Fotovoltaik-Kraftwerke aufs Wasser zu bauen macht sie aus mehreren Gründen effizienter. Erstens lassen sich die Solar-Pontons spielend leicht mit Hilfe von Elektromotoren der Sonne nachführen. Auf dem Land geht das zwar auch, doch sind dafür viel aufwändigere Fundamente und Trägerkonstruktionen nötig. Der Einstrahlwinkel ist ein wichtiger Faktor für hohe Stromausbeute – Solarmodule sind umso produktiver, je genauer sie auf die Sonne ausgerichtet sind.

Ein zweites Argument, Solarmodulen das Schwimmen beizubringen, liegt in ihrer Hitzeempfindlichkeit. In voller Sonne werden sie oft mehr als 70 Grad heiß – und liefern dann nur noch 60 Prozent ihrer Leistung. Rosa-Clot hat sein Schwimmkraftwerk mit Sprenklern ausgerüstet, die die Module stetig kühlen. Wasser ist ja genug vorhanden.

Drittens testen die Italiener Solarpanels, die zusätzlich mit Reflektoren aus Aluminium ausgestattet sind. Die schräg gestellten Spiegelplatten sollen noch mehr Licht auf die Solarzellen werfen und die Stromausbeute erneut erhöhen. Auch sie lassen sich auf den Pontons vergleichsweise einfach anbringen.

Insgesamt soll das Kraftwerk in Italien pro installierter Kilowattstunde Leistung jährlich 2060 Kilowattstunden produzieren. Auf dem Land würden die Module nur 1170 Kilowattstunden liefern, rechnet Rosa-Clot vor. Das weckt Interesse aus aller Welt: „Wir arbeiten an Projekten in Südkorea und in den USA“, sagt der Wissenschaftler.

Hochseetaugliche Windräder

Ocean Power Technologies Boje Quelle: Pressebild

Der andere große Vorteil neben der hohen Energieausbeute: Auf dem Wasser tritt die Fotovoltaik nicht in Konkurrenz zu Landwirtschaft oder Naturschutzgebieten – im Gegenteil, sie schafft neue Synergien. So könnten Staudammbetreiber ihre Seen teilweise mit Fotovoltaikanlagen bedecken – und damit den Stromertrag verdoppeln. Scheint die Sonne, fließt Sonnenstrom ins Netz, abends springen dann die Wasserturbinen an.
Neue Flächen will auch die Windindustrie erschließen. Auf dem Land treffen Windmühlen ohnehin auf Widerstand der Bevölkerung, nahe vor der Küste wiederum müssen Offshore-Windparks sich von Schiffsrouten und Naturschutzgebieten fernhalten. Auf dem offenen Meer mit bis zu 200 Metern Wassertiefe dagegen wäre allein in Europa genug Platz, um 8000 Terawattstunden Strom zu produzieren, hat Jochen Bard berechnet, Meeresenergieexperte vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel. Das wäre mehr als zwei Mal so viel Strom, wie in der gesamten EU verbraucht wird.

Gleich mehrere Unternehmen wollen Windräder nun hochseetauglich machen, allen voran das norwegische Windenergie-Startup Sway. Das Konzept: Eine schwimmende Plattform, die Windturbinen mit bis zu fünf Megawatt Leistung tragen kann. Die riesige Stahlkonstruktion ist zum oberen Teil hohl und mit Luft gefüllt, unter Wasser trägt sie Ballast aus Stahlbeton, um sich im freien Wasser zu stabilisieren. Mehrere Anker am Meeresgrund verhindern, dass sie Riesenboje davontreibt.

Bojen als Energielieferant

Bisher haben die Norweger nur eine kleine Testanlage im Format 1:6 gewassert – und haben auch schon ihren ersten großen Misserfolg erlebt: Das 13 Meter hohe Konstrukt hielt im vergangenen November einem Sturm nicht stand und versank vor der Westküste Norwegens in der Nähe von Bergen. Die Anlage sei einfach zu klein gewesen, heißt es bei Sway, mit einer größeren Wind-Boje wäre das Unglück nicht passiert.

Die nächste Testanlage steht nun kurz vor der Wasserung. Und auch der portugiesische Energiekonzern Energias de Portugal und der norwegische Energiekonzern StatoilHydro arbeiten an der Vision schwimmender Windparks. Gelingt der Kampf gegen Wind und Wetter, dann stünde eine völlig neue Ära der Windkraft bevor. Es gäbe nicht nur viel mehr Platz für die Windenergie – die neuen Anlagen würden auch windstärkere Gebieten erschließen. Weltweit würde das offene Meer zum Kraftwerkspark.

Sogar die Wellen der Weltmeere treiben bald vielleicht Stromturbinen an. Das US-Startups Ocean Power Technologies hat eine Boje entwickelt, die das Auf und Ab der Meeresoberfläche mit Hilfe eines beweglichen Kolbens in Elektrizität umwandelt. Vor der Küste Schottlands schwimmt ein Exemplar, das immerhin schon 150 Kilowatt Leistung bringt. Meeresparks aus Dutzenden, ja hunderten Anlagen könnten künftig hundert Megawatt Strom und mehr erzeugen, hoffen die Unternehmer – genug für ganze Städte.

Vorteil der am Seeboden verankerten Bojen: Sie können weit vor der Küste in bis zu 50 Metern Wassertiefe installiert werden. Und ihr größter Teil schwimmt unter Wasser. Beides trägt dazu bei, dass sie am Horizont Touristen nicht die Aussicht vermaledeien. Sogar Hurrikane und Tsunamis soll das Gerät überstehen.

In Massenproduktion soll die Boje Strom für 15 US-Cent pro Kilowattstunde produzieren –und könnten damit sogar Offshore-Windräder unterbieten.

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