Auf der Suche nach einem Buchhalter setzte ein Unternehmen, das lieber anonym bleiben will, kürzlich auf einen billigen Trick. Wortwörtlich. Bei jeder Überweisung an Kunden oder Lieferanten schlug es drei Cent auf den zu zahlenden Betrag auf. Das Kalkül: Wer den vermeintlichen Fehler moniert, bekommt ein Jobangebot. Und tatsächlich: Eines Tages klingelte das Telefon, man verhandelte und wurde sich einig. Das Beispiel zeigt, wie kreativ einige Unternehmen sind, wenn es darum geht, Fachkräfte anzulocken.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY befragt für ihr Mittelstandsbarometer jährlich 3000 Mittelständler. Die sehen den Fachkräftemangel als größte Herausforderung. 78 Prozent halten es für „eher schwer“ oder „sehr schwer“, qualifiziertes Personal zu finden. Mehr als die Hälfte rechnet mit Umsatzeinbußen mangels Fachkräften. Neben den ostdeutschen Bundesländern sind vor allem strukturschwache Regionen betroffen. Aber wer will schon von Hamburg nach Halberstadt ziehen oder von Frankfurt nach Feuchtwangen? Umgekehrt gilt: „Die jungen Talente zieht es aus der Provinz in die Städte“, sagt Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Business School der Hochschule Furtwangen.
Vorbei die Zeiten, in denen die Gattin dem Ehemann hinterherzog. „Zwei Verdiener sind der Normalfall“, sagt René Bohn, Arbeitsmarktexperte beim Verband Die Familienunternehmer. Betriebe müssten auch für den Partner einen Job finden.
Doch es gibt noch mehr kreative Möglichkeiten, an qualifizierte Bewerber zu kommen. Zum Beispiel diese.
Mit Konkurrenten verbünden
War for Talents – das klingt nach unerbittlichen Kämpfen, verhärteten Fronten und gegenseitigem Ausstechen. Doch was wäre, wenn die Kontrahenten sich nicht mehr gegenseitig Bewerber abluchsen, sondern qualifizierte Kandidaten weiterempfehlen? „Ein Gewinn für alle Seiten“, sagt Martin Gaedt, der Unternehmen in Sachen Recruiting berät und für einen solchen Austausch die Plattform Cleverheads gründete.
So erhöhen Mittelständler ihre Attraktivität für Fachkräfte
Wer ohnehin schon Schwierigkeiten hat, seine Mitarbeiterzahl konstant zu halten oder neue Leute zu finden, kann es sich nicht mehr leisten, ganze Gruppen auszuschließen. Das Heer an männlichen Arbeitskräften, 25 Jahre alt, 30 Jahre Berufserfahrung, Mitgliedschaft im Schützenverein, ist nämlich ziemlich klein geworden. Entsprechend müssen sich Mittelständler auch für ältere Arbeitnehmer, ausländische Fachkräfte, junge Eltern oder Menschen mit Handicap öffnen. Wer das nicht tut, verschenkt nicht nur Potenzial - er wirkt auch aus der Zeit gefallen. Und bei so jemandem möchte auch der 25-jährige Schützenkönig nicht arbeiten. .
Quelle: Recruiting-Guide 2017 der Online-Jobbörse Yourfirm
Die Kompetenzen älterer Arbeitnehmer sind in der Vergangenheit bei vielen Unternehmen unterschätzt worden. Dabei kann die Berücksichtigung der Kompetenzen und Bedürfnisse der Generation 50 plus den Fachkräfteengpass entschärfen. Wer auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber sein möchte, darf sich also nicht nur auf die 22-Jährigen Hochschulabsolventen versteifen.
Um die Generation 50plus anzusprechen sind nicht nur gezielte Recruiting-Maßnahmen erforderlich, sondern auch eine Anpassung der Betriebsstrukturen. Ältere Bewerber interessieren sich oft weniger für das Unternehmensimage, Aufstiegs- oder Weiterbildungsmöglichkeiten und schätzen dafür umso mehr integres Management und kooperatives Betriebsklima.
Aber auch an die junge Zielgruppe und deren Bedürfnisse muss gedacht werden: Für die steht heute oft nicht mehr die geradlinige Musterkarriere mit hohem Einkommen im Vordergrund, sondern die Verwirklichung persönlicher Lebensentwürfe. Dazu gehört auch die Möglichkeit, genug Zeit in private Belange investieren zu können. Aber auch die Chance, sich mit eigener Initiative und Kreativität in die Entwicklung des Betriebs einbringen zu können. Mitbestimmung, konstruktives Feedback und eine gute Work-Life-Balance sind also wichtig.
Obwohl Frauen heute vielfach besser qualifiziert sind als Männer, gelingt es vielen nicht, Familie und Berufsleben angemessen zu vereinen. 1,5 Millionen Mütter werden so laut IZA in Deutschland daran gehindert, Arbeit aufzunehmen oder Arbeitszeiten zu erhöhen. Diese 1,5 Millionen könnten so manchem Mittelständler aus der Patsche helfen.
Wenn er flexible Arbeitszeiten oder Arbeitsmodelle wie Jobsharing anbietet. Auf Frauen ausgerichtete Förderprogramme und eine Betriebskita verhindern außerdem, dass Arbeitszeiten überhaupt unnötig reduziert werden müssen. Auf solche Angebote achten übrigens auch junge Väter, beziehungsweise Männer, die eine Familie gründen wollen.
Wer innovative Mitarbeiter will, darf sich nicht mehr in ein Arbeitszeitkorsett pressen, das gut in das Jahr 1850 passen könnte. Hinzu kommt, dass flexible Arbeitszeiten nicht nur zeitgemäß sind, sondern auch Belastungen durch den Beruf reduzieren können. Besonders Mitarbeiter, die zu Hause Kinder erziehen, in der Pflege eingespannt sind oder pendeln, wissen solche Angebote zu schätzen. Auch Home-Office gehört zur Angebotspalette eines attraktiven Arbeitgebers.
Um als Arbeitgeber gerade für ältere Angestellte attraktiv zu bleiben, machen sich Investitionen in die betriebliche Gesundheitsvorsorge bezahlt. Auch das Angebot von frischem Obst oder Gratis-Getränken verbessert die Gesundheit der Mitarbeiter - und die Arbeitsatmosphäre.
Wer all das bereits anbietet und umsetzt und sich trotzdem schwer tut, bei der Mitarbeitersuche, der kommuniziert vielleicht einfach nicht genug: Schmücken Sie sich mit Ihren Federn - nicht nur mit Produkten und Dienstleistungen, auch mit Angeboten an die Belegschaft kann man angeben. Mitarbeiter können über Unternehmen aus eigener Erfahrung und nächster Nähe berichten. Daher stellen sie die glaubwürdigsten Experten für die Kommunikation der Arbeitgebermarke dar. Bilder, Videos oder schriftliche Stellungnahmen der Angestellten eignen sich also zur Illustration der Karrierewebsite, als Werbemittel auf Social-Media-Kanälen oder Videoportalen. Bei Karrieretagen oder Jobmessen können sie aus erster Hand berichten.
Die Teilnahme an Arbeitgeberrankings kann ebenfalls mediales Interesse wecken und das Arbeitgeberimage verbessern. Hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die Erfolge öffentlichkeitswirksam darzustellen.
Das Konzept: Unternehmen, die eine Stelle neu besetzt haben, empfehlen im Internet diejenigen Bewerber weiter, die sie zwar nicht eingestellt haben, aber dennoch für qualifiziert halten. So werden andere Unternehmen aus der Umgebung auf die potenziellen Mitarbeiter aufmerksam – und die Arbeitskraft bleibt in der Region.
Zum Beispiel im münsterländischen Telgte. Dort haben sich mehr als 100 Betriebe zusammengeschlossen, vom Dachdecker über den Architekten bis zum Drogeriemarkt. Sie kooperieren mit Schulen, haben eine gemeinsame Internetseite mit Stellenanzeigen und empfehlen sich geeignete Kandidaten. Mit dabei ist auch Magdalena Münstermann vom gleichnamigen Anlagenbauer: „Es freut mich sehr, wenn junge Leute bei Kollegen unterkommen“, sagt sie. „So bleiben sie in der Region. Und das tut uns allen gut.“
Zweigstelle eröffnen
Nicht jeder ist für ein Leben in Mulfingen oder Duderstadt geboren. Was also tun, um Stadtkinder in die Provinz zu locken? Christian Berner, Chef des gleichnamigen Mittelständlers aus dem baden-württembergischen Künzelsau, hat darauf eine besonders radikale Antwort gefunden. Er zog mit einem Teil der Gruppe nach Köln, in ein hippes Loft im ehemaligen Hafen. „Wir leben in Zeiten der Urbanisierung, Sie bekommen die jungen Leute nicht aufs Land“, sagt Berner, „egal, was Sie ihnen anbieten.“
So viel gelebter Pragmatismus findet sich selten im deutschen Mittelstand. Unternehmen und Region sind meist tief miteinander verbunden, Chef und Mitarbeiter kennen sich seit Jahrzehnten. Die Arbeitnehmer halten die Treue, der Arbeitgeber bietet dafür Verlässlichkeit und Sicherheit. Zu diesem Vertrag passt ein Umzug nicht. Doch: „Dieser Schritt ist alternativlos“, sagt Peter May, Honorarprofessor an der WHU – Otto Beisheim School of Management. „Immer mehr Familienunternehmen werden ihn gehen.“ Otto Bock, Weltmarktführer für Prothesen aus dem niedersächsischen Duderstadt, ist ihn schon gegangen – und gründete im Mai 2015 eine Berliner Dependance.
Vorteile im Kampf um Köpfe
Freizeit gönnen
Wer um Viertel nach eins bei Stephan Aarstols Unternehmen anruft, erreicht niemanden mehr. Um Punkt 13 Uhr verabschieden sich alle Mitarbeiter in den Feierabend. Niemand ist bereits um fünf Uhr morgens ins Büro gestürmt oder hat eine Nachtschicht eingelegt. Bei Tower Paddle Boards, einem US-Hersteller von Surfbrettern, dauert der Arbeitstag fünf Stunden. Sogar bei leicht besserer Bezahlung: Der Unternehmer zahlt seinen Mitarbeitern seit der Stundenreduzierung mehr Lohn.
Dafür verlangt der Unternehmer als Gegenleistung doppelte Produktivität. Facebook ist an den Rechnern gesperrt, die Mittagspause hat er gestrichen. Im Gegenzug haben seine Mitarbeiter mehr Freizeit, die sie zum Beispiel zum Surfen nutzen können. Damit reagiert Aarstol auf ein verbreitetes Bedürfnis: Laut einer Xing-Umfrage arbeitet die Hälfte aller Arbeitnehmer mindestens 40 Stunden die Woche. Zufrieden sind damit aber nur 29 Prozent. Im Schnitt würden die Befragten gern fünf Stunden weniger arbeiten.
So gestalten HR-Manager den Wandel im Unternehmen mit
Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen zum Umdenken. Statt perfekte Kandidaten für Führungspositionen auf dem Arbeitsmarkt zu suchen, richtet sich der Blick immer häufiger ins eigene Unternehmen.
Wer Schlüsselpositionen mit Talenten aus den eigenen Reihen besetzt, spart nicht nur die Kosten, die für eine Stellenausschreibung am Markt und die Eingliederung in den Betrieb anfallen, sondern sendet ein wichtiges Signal der Wertschätzung an alle Mitarbeiter.
Quelle: Steffen Neefe, Top Employers Institute
Angesichts des demografischen Wandels ist eine langfristige Personalplanung überlebenswichtig. Mehr als drei Jahre im Voraus sollte der Bedarf geplant werden, damit Personallücken unter Berücksichtigung von Einarbeitungs- und Qualifikationszeiten rechtzeitig gefüllt werden können. Dies schaffen jedoch die wenigsten Unternehmen. Zu kurze Personaldecken und Fehlbesetzungen sind die Folge.
Wer ins Berufsleben startet oder den Arbeitgeber wechselt, ist auf Unterstützung bei der Eingliederung und der Einarbeitung angewiesen. Führende Unternehmen setzen dabei neben dem persönlichen Coaching verstärkt auf digitale und interaktive Plattformen. Besonders gut gemachte Arbeitgeberportale orientieren sich an den Vorbildern aus der Welt der Social Media.
Berufliche Weiterbildung verbessert Karrierechancen und erhöht das Einkommen. Entscheidend ist allerdings, dass die angebotenen Maßnahmen mit den Zielen des Arbeitgebers übereinstimmen. Das wichtigste Thema bleibt vorerst die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt. Der technologische Wandel hat hier zu erhöhtem Weiterbildungsbedarf auf allen Qualifikationsebenen geführt. Gerade jüngere Mitarbeiter erwarten dabei professionelle und individuelle Lösungen, die maßgeschneidert auf ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten sind.
Wer Mitarbeiter zu Bestleistungen führen will, der muss die richtigen Anreize setzen. Klassischerweise werden dazu Zielvorgaben mit einer erfolgsorientierten Vergütung und regelmäßigen Leistungsbeurteilungen kombiniert. In Zukunft wird dieser Ansatz nicht mehr ausreichen. Gefordert sind stattdessen individuellere Zielvereinbarungen, bei denen der Mitarbeiter so weit wie möglich eigene Vorstellungen einbringen kann. Je stärker die Identifikation mit den Zielen und Werten des Arbeitgebers, desto größer werden Motivation und Leistungsbereitschaft.
Von Führungskräften werden heute andere Qualitäten verlangt als früher. Die wichtigste Veränderung: Führung wird nicht mehr vorwiegend als individuelle, sondern zunehmend als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden. Als Schlüssel zum Erfolg erweist sich dabei die enge Verzahnung von Führungskultur und Leistungsmanagement im Unternehmen. Führende Arbeitgeber sind flexibler, wenn es etwa darum geht, Leistungsziele mit ihren Führungskräften zu vereinbaren. Dem leitenden Mitarbeiter wird zudem ein größerer Spielraum für die Karriereplanung eingeräumt. Berufliche und private Anforderungen können so besser in Einklang gebracht werden.
Klassische Karrieren, bei denen Arbeitnehmer entlang fest vorgegebener Aufstiegspfade befördert werden, sind ein Relikt aus der Vergangenheit. Moderne Berufsbiographien verlaufen oftmals mit Brüchen und über Umwege. Nicht selten weichen gerade hoch qualifizierte Bewerber Führungspositionen aufgrund der hohen beruflichen Belastung aus. Sie wollen eher ihre individuellen Fähigkeiten im Job entfalten, dabei sollen ihnen möglichst viele Optionen offen stehen. Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen und flexiblere und stärker individualisierte Karrieremodelle anbieten.
Im Bereich der Vergütung zeichnen sich zwei Haupttrends ab. Erstens wird heute mehr nach Leistung und nach Beschäftigtengruppen entlohnt. Während High-Performer überdurchschnittliche Lohnzuwächse erzielen können, fallen diese bei den durchschnittlichen Mitarbeitern relativ gering aus. Zweitens setzen Unternehmen im Rahmen der Gesamtvergütung verstärkt auf Zusatzleistungen wiedie betriebliche Altersversorgung, Gesundheitsangebote oder flexible Arbeitszeitmodelle. Gerade für Führungskräfte stellen die nicht monetären Leistungen häufig einen wichtigen Teil der Gesamtvergütung dar. Für Arbeitgeber sind Benefits ein ideales Mittel, um die eigene Attraktivität im Wettbewerb um die besten Köpfe zu erhöhen.
Den Kern einer Unternehmenskultur machen gemeinsame Werte und Verhaltensweisen aus. HR spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem es entsprechende Leitbilder entwickelt und gemeinsam mit den Führungskräften im Unternehmen umsetzt. HR ist damit der Katalysator für Veränderungsprozesse und maßgeblich verantwortlich dafür, dass die Unternehmenskultur in der Praxis gelebt wird. Gerade diese Funktion – obwohl in Zahlen kaum messbar – ist eine ganz entscheidende Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg.
Unternehmen, die darauf eingehen, haben einen Vorteil im Kampf um Köpfe. „Auch ältere Arbeitnehmer haben das Bedürfnis nach mehr Freiräumen“, sagt Bohn vom Verband Die Familienunternehmer. Bei Stephan Aarstol ist das Konzept aufgegangen. Seit der Umstellung stieg sein Umsatz ihm zufolge um 40 Prozent.
Mitarbeiter beteiligen
Das Bielefelder Bauunternehmen Goldbeck gehört 1500 Menschen. Bereits 1984 beteiligte das Familienunternehmen die Mitarbeiter. Damals ging es vor allem darum, Geld einzusammeln. Heute wirbt Goldbeck damit gezielt um Arbeitskräfte.
Jeder Mitarbeiter kann pro Jahr bis zu fünf Anteile kaufen. Die jährliche Verzinsung bemisst sich am Unternehmensgewinn und lag 2015 bei 14 Prozent. Besonders im Nullzinszeitalter ein gutes Argument für Architekten, Ingenieure und App-Entwickler, die das Unternehmen so dringend braucht. Eine Studie der Frankfurter Unternehmensberatung hkp zeigt: Wer an seinem Arbeitgeber finanziell beteiligt ist, identifiziert und engagiert sich stärker.
Dass zufriedene Mitarbeiter die beste Werbung fürs Unternehmen sind, weiß man auch bei Hirschvogel. Der Automobilzulieferer aus dem bayrischen Denklingen hat vor einigen Jahren ebenfalls ein Beteiligungsprogramm eingeführt. „Unsere Mitarbeiter erzählen das weiter“, heißt es bei Hirschvogel. „Das wird auch von neuen potenziellen Arbeitnehmern positiv wahrgenommen.“
Vertrauen schenken
Olga Wejt ist Mathematikerin mit Schwerpunkt Softwareentwicklung, Mutter, und die Ehefrau eines Bundespolizisten, der im Schichtdienst arbeitet. Ohne besonderes Arbeitszeitmodell wären diese drei Leben kaum miteinander vereinbar. Doch ihr Arbeitgeber hat sich darauf eingestellt. Seit etwa drei Jahren gilt bei ebm-pabst, Weltmarktführer für Ventilatorentechnik aus dem baden-württembergischen Mulfingen, die Vertrauensarbeitszeit. Mitarbeiter können frei wählen, wann sie arbeiten. Manchmal sitzt Mathematikerin Wejt schon um fünf Uhr morgens im Büro, damit sie mittags Feierabend hat.
Arbeitgeber, die stur an Präsenzzeiten und festgelegten Arbeitszeiten festhalten, haben es schwer. Vor allem bei jungen Beschäftigten. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Generation Y sich von ihrem Arbeitgeber eine ausgewogene Work-Life-Balance wünscht. Und damit meinen sie nicht: am Freitag etwas früher gehen.
Bislang stellten sich vor allem Dax-Konzerne darauf ein. Doch auch immer mehr Mittelständler erkennen diese Möglichkeit zur Mitarbeitergewinnung. Der Maschinenbauer Trumpf aus Ditzingen bei Stuttgart wählte einen noch radikaleren Schritt. Seit Nicola Leibinger-Kammüller das Unternehmen führt, können Mitarbeiter ihr Arbeitszeitkonto mit bis zu 300 Stunden beleihen. Muss etwa ein Angehöriger gepflegt oder ein Kind betreut werden, tritt der Mitarbeiter eine Zeit lang kürzer. Sobald sich die Situation entspannt hat, füllt er sein Konto wieder auf.
So verkürzen Unternehmen die Dauer der Mitarbeitersuche
Ist die Position eine Vollzeitstelle oder benötigen Sie vorübergehende Unterstützung, zum Beispiel durch Zeitarbeitskräfte? Was hindert Sie daran, den passenden Kandidaten jetzt zu rekrutieren?
Quelle: Robert Half
Legen Sie einen Zeitplan für den Einstellungsprozess fest. Holen Sie sich die Zustimmung aller Entscheider ein, dass die Stellenbesetzung höchste Priorität hat. Blocken Sie Termine für Vorstellungsgespräche. Prüfen Sie die Stellenbeschreibung und das Gehaltsangebot. Definieren Sie, an welchen Punkten Sie kompromissbereit sind. Setzen Sie einen Notfallplan auf, um mögliche Terminverschiebungen abzufangen und bestimmen Sie, wer die finale Entscheidung fällen soll.
Führen Sie ein erstes Kennenlernen mit den Bewerbern online, etwa über Skype oder FaceTime. Organisieren Sie das Vorstellungsgespräch vor Ort mit allen Entscheidern idealerweise an einem Tag. Holen Sie sich unmittelbar danach die Rückmeldung vom Bewerber und den involvierten Entscheidungsträgern ein, um das gegenseitige Interesse früh zu bestimmen.
Informieren Sie die Kandidaten, wann Sie voraussichtlich die finale Entscheidung treffen werden. Sollte sich der Termin verzögern, rufen Sie die Bewerber an und teilen Sie das neue Entscheidungsdatum mit. Achten Sie in dem Fall genau auf die Reaktion seitens des Bewerbers: Ist diese verhalten, kann das ein Indiz für einen abgesprungenen Kandidaten sein.
Prüfen Sie vor der Endauswahl Referenzen ehemaliger Arbeitgeber. Sobald Sie sich dann für einen Bewerber entschieden haben, teilen Sie ihm das telefonisch mit. Unterbreiten Sie Ihr Angebot inklusive Gehaltspaket, aber bereiten Sie sich darauf vor, das Gehalt und mögliche Zusatzleistungen mit dem Bewerber nachzuverhandeln. Vereinbaren Sie gemeinsam das Eintrittsdatum.
Wettbewerber kaufen
Für diesen drastischen Weg entschied sich die Hennefer IT-Beratung Conet. Schon vor einigen Jahren musste das Unternehmen regelmäßig Aufträge absagen. Der Grund: Es hatte schlicht nicht genug Angestellte. Auf der Suche nach einer Lösung fand Conet den Frankfurter Softwaredienstleister Quest. Conet griff zu. Heute profitiert die Beratung von der Übernahme doppelt: Sie kann auf die von Quest vermittelten Freiberufler zugreifen und ihren Kunden selbst Personal vermitteln. „In Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel kann der Zukauf eine gute Lösung gegen den Fachkräftemangel sein“, sagt Asmus Komm, Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey. „Sollte sich die Wirtschaft weiter so entwickeln wie derzeit, werden immer mehr Unternehmen diesen Weg in Betracht ziehen müssen.“
Besondere Anreize
Ältere einbeziehen
Zu wenige Junge, zu viele Alte. Auf diese einfache Formel lässt sich der demografische Wandel reduzieren, der viele Unternehmen in ländlichen Regionen vor große Herausforderungen stellt. Doch warum nicht aus der Not eine Tugend machen?
Wie das geht, zeigt die ING-Diba. Die Bank setzt gezielt auf Menschen in der zweiten Lebenshälfte. „Ausbildung 50+“ heißt das Programm, das ursprünglich nur die Altersstruktur in den Teams durchmischen sollte. Doch 10 Jahre und 60 Senior-Azubis später freut sich das Unternehmen über so viel Weitsicht und hohe Bewerberzahlen.
Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages befand im vergangenen Sommer, dass 31 Prozent der Betriebe nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen konnten. In den neuen Bundesländern waren es sogar 45 Prozent. „Es ist sinnvoll, ältere Arbeitnehmer im Unternehmen zu integrieren“, sagt René Bohn vom Verband Die Familienunternehmer. Schließlich hätten die 50-Jährigen ja noch gut 15 Jahre im Beruf vor sich. „Sie nicht zu beachten, wäre ein großer Fehler.“
Freiheit bieten
Bei Konzernen wie Google und 3M ist es längst Realität. Dort dürfen Mitarbeiter 20 (Google) beziehungsweise 15 Prozent (3M) der Arbeitszeit in eigene Projekte stecken, sofern sie ihre Vorgesetzten von der Idee überzeugen. So sind schon viele Innovationen entstanden, etwa Google Maps oder die selbstklebenden Post-its von 3M.
Klar, nicht jeder Chef kann auf wertvolle Arbeitszeit seiner Mitarbeiter verzichten. Aber auf der Suche nach spezialisierten Kräften müssen Unternehmen eben besondere Anreize setzen. „Strenge Vorgaben von oben nehmen Kreative als Einschränkung wahr. Sie brauchen Freiheiten“, sagt der Psychologe und Coach Roland Geschwill. Was ist besser: einem findigen Programmierer gelegentlich einen Tag für eigene Projekte freizugeben – oder ihn gar nicht erst ins Unternehmen zu bekommen?
Jobs für die Familie finden
In mehr als der Hälfte aller Familien mit minderjährigen Kindern arbeiten beide Elternteile. Die Zahl der Doppelverdiener steigt – und damit auch die Sorgen der Unternehmer. Denn es reicht nicht mehr, einem potenziellen Mitarbeiter ein gutes Angebot zu machen. Auch der Partner braucht oft eine Arbeitsstelle vor Ort, da Wochenendbeziehungen für viele nicht infrage kommen.
Darauf legen junge Arbeitnehmer bei der Wahl ihres Arbeitnehmers Wert
Das wünschen sich 11 % der jungen Arbeitnehmer.
17 % der Befragten legen Wert auf eine internationale Karriere.
Wichtiger als eine internationale Karriere ist laut der Umfrage von Universum eine Fachkarriere, die sich 19 % der jungen Arbeitnehmern wünschen.
Eigenständiges Arbeiten ist für 22 % der Befragten äußerst wichtig.
29 % der jungen Arbeitnehmer messen kreativer, unternehmerischer Arbeit einen hohen Stellenwert bei.
Verantwortung im Bereich der Human Resources ist 32 % der Befragten wichtig.
Nach einer intellektuellen Herausforderung streben 49 % der jungen Arbeitnehmer.
Für mehr als die Hälfte der Befragten ist Sicherheit im Job eine der obersten Prioritäten. 52 % der jungen Arbeitnehmer legen Wert darauf.
Die Ausgewogenheit von Freizeit und Arbeit steht mit 67 % an erster Stelle.
Eine Erfahrung, die auch der Autozulieferer Alfmeier aus dem bayrischen Treuchtlingen macht. „Je nach individueller Lebenssituation ist das für Bewerber entscheidend“, heißt es aus dem Unternehmen. Fragen die Kandidaten nach, hilft der Mittelständler gern. Diese Hilfe reicht von Hinweisen zu passenden Arbeitgebern in der Region über das Herstellen eines Kontakts bis hin zu einem Job bei Alfmeier selbst – wobei Letzteres bislang eher die Ausnahme ist.
Aktiv wirbt Alfmeier mit seiner Unterstützung nicht, anders ist es im 230 Kilometer entfernten Burladingen. Trigema-Inhaber Wolfgang Grupp integriert die Familie seiner Mitarbeiter dort auf ganz eigene Weise. „Wenn ich mit den Eltern zufrieden bin“, sagt der Patriarch, „dann bin ich es auch mit den Kindern.“ Deshalb gibt es bei Trigema eine Arbeitsplatzgarantie für jene Mitarbeiterkinder, die direkt von der Schulbank an die Nähmaschine wechseln. Bis zu drei Generationen arbeiten in Burladingen unter einem Dach. „Die meisten leitenden Positionen sind bei Trigema von Mitarbeiterkindern besetzt“, sagt Grupp. Auch für seine Sekretärin gehört Trigema schon fast zur Familie. Ihr Vater war als Grupps persönlicher Fahrer angestellt – und ihre Großmutter als Näherin.