Das Kanalsystem ist durchsucht, rund 2000 Kanaldeckel entlang der Fahrstrecke sind bereits versiegelt: In Hannover herrscht Sicherheitsstufe 1. „Wenn Obama kommt, sind die Sicherheitsvorkehrungen überall auf der Welt gleich hoch“, sagt Jochen Köckler, Vorstand der Deutschen Messe und für die Hannover Messe, die größte Industriemesse der Welt, organisatorisch verantwortlich.
Ihm ist in den vergangenen Jahren viel Politik-Prominenz begegnet: Der russische Präsident Wladimir Putin, Indiens Premier Narendra Modi oder der niederländische Regierungschef Mark Rutte haben schon zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Messe eröffnet. Aber US-Präsident Barack Obama stellt alles in den Schatten.
Die Polizei in Hannover hält sich mit konkreten Auskünften über die Zahl der eingesetzten Hundertschaften an Polizisten und Sicherheitsleuten zurück. Es dürfte aber der größte Einsatz der vergangenen Jahre sein: „Obama ist immerhin der am meisten gefährdete Mann der Welt“, sagte ein Sprecher.
Die Abstimmung erfolgt zwischen dem amerikanischen Secret Service, dem Bundeskriminalamt und weiteren Stellen. Aus Sicherheitskreisen sickerte durch, dass mehrere Großraumtransporter Limousinen und zwei Kampfhelikopter in die niedersächsische Landeshauptstadt einfliegen. Wegen der unmittelbaren Nähe dürfte dabei der Fliegerhorst Wunstorf logistisch einbezogen werden.
Obamas Air Force One wird zwar erst am Sonntag erwartet. Bereits ab Samstag gilt aber in einem Umkreis von 100 Kilometern eine Flugverbotszone, von der nur der kommerzielle Flugverkehr auf den Flughäfen Hannover und Braunschweig ausgenommen ist. Als streng gesicherte Zonen gelten der Flughafenbereich, die Herrenhäuser Gärten, das Zooviertel mit dem Congress Centrum (HCC) und das Messegelände.
Die Entwicklung der Industrie
Industrieära: 1784
Technologische Revolution: Mechanische Produktion mit Wasser-/Dampfkraft
Transformatorischer Wandel: Substitution von Arbeit durch Kapital,; Prozessstabilität und Geschwindigkeit
Quelle: "Digital Industry – Connecting the Dots" von Oliver Wyman
Industrieära: 1870
Technologische Revolution: Elektrisch betriebene Massenproduktion
Transformatorischer Wandel: Arbeitsteilung ("Taylorismus"); Durchgängigkeit von Prozessen
Industrieära: 1969
Technologische Revolution: Produktionsautomatisierung durch Elektronik und IT
Transformatorischer Wandel: Business Process Reengineering; Prozessqualität und Lean
Industrieära: heute
Technologische Revolution: Digitalisierung durch cyber-physische Seyteme, Vernetzung und Big Data
Transformatorischer Wandel: "Digitale Industrie"; Die technologische Revolution schafft die Voraussetzung für die Hebung des wahren Werts durch Prozessverbesserung
Die 1800 Anwohner rund um das HCC, in dem die Eröffnungsveranstaltung am Sonntagabend stattfinden wird, wurden schon vor einer Woche von der Polizei informiert, dass sie sich ab Samstagmorgen auf Fahrzeug-und Personenkontrollen einrichten müssen. In die eigene Wohnung zu gelangen, schafft nur, wer seinen Personalausweis samt Adresse mitführt. Papierkörbe werden noch abmontiert und geparkte Autos und Fahrräder entlang von Obamas Aufenthaltsorten abtransportiert.
Auch allzu neugierig auf den US-Präsidenten dürfen die Bewohner in der Sicherheitszone nicht sein. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sicherheitskräfte während des Besuchs des US-Präsidenten besonders aufmerksam agieren“, heißt es in dem Schreiben der Polizei. „Wir bitten Sie daher, sich in den Zeiträumen, in denen sich die Kolonnen der Staatsgäste im Bereich des HCC einfinden und wieder abfahren, von ihren Fenstern fernzuhalten, um möglichen Irritationen vorzubeugen."
Welchen Stand besuchen Obama und Merkel?
Die Nervosität der Behörden ist verständlich: Schließlich gilt es nicht nur Obama zu schützen sondern auch eine ganze Reihe anderer Spitzenpolitiker. Die Halle selbst wird mit 3000 Menschen bis auf den letzten Platz gefüllt sein. „Es hatten sich noch viel mehr angemeldet“, sagt Köckler. „Ein US-Präsident hat eben eine ganz andere Wahrnehmung – jeder kennt ihn.“ So dürfen Aussteller, die das Gros der Gäste am Eröffnungsabend stellen, diesmal nur drei statt ansonsten fünf Personen mitbringen. Alle müssen sich jedoch besonderen Sicherheitsmaßnahmen unterziehen. „Das ist vergleichbar wie im Flughafen“, beruhigt Köckler. Es wird also Identitäts- und Gepäckkontrollen geben sowie eine Sicherheitsschleuse.
Auch Aussteller und Besucher der Messe werden die Besonderheit des Obama-Besuchs zu spüren bekommen. Schon ab Sonntagfrüh werden die Hallen 3, 9 und 11, die Obama zusammen mit Kanzlerin Merkel am Montagmorgen besuchen wird, für alle aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt. Erstmals gibt es auch vor diesen Hallen eine Sicherheitsschleuse, die alle passieren müssen, die während des Rundgangs in die Hallen wollen.
Welchen Messestand Obama und Merkel besuchen werden, wird derzeit noch verhandelt. Wegen der großen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hatten sich hier viel mehr Unternehmen beim Bundeskanzleramt beworben als in den Vorjahren. Als sicher gilt, dass beide den Gemeinschaftsstand der USA in der Halle 3 besuchen werden.
Nach dem Obama-Besuch am Montagvormittag kehrt dann aber auch schnell wieder die übliche Messeroutine ein: Die Torbögen zum Aufspüren von gefährlichen Gegenständen vor den drei Hallen werden wieder abgebaut, anschließend kann auch jeder ohne Lichtbildausweis von Messestand zu Messestand wandern und sich den Neuerungen rund um die Digitalisierung der Industrie zuwenden. „Ab zehn Uhr ist dann wieder ganz normaler Messebetrieb“, sagt Köckler – mit einer leichten Spur der Erleichterung. Dann ist auch für ihn die stressigste Phase der Hannover Messe erst einmal vorbei.