Hannover Messe Welche Chancen die USA für deutsche Firmen bieten

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Der US-Hunger auf deutsche Hightech ist groß

Der Preis zählt, die Funktion ist nur zweitrangig – auch das spiegelt die Ambivalenz der deutsch-amerikanischen Beziehungen im Maschinenbau wieder. Der Hunger auf deutsche Spitzentechnologie ist groß in den USA, US-Präsident Obama hatte mit seiner Re-Industrialisierungs-Kampagne den Appetit noch zusätzlich erhöht. Der Markt ist riesig, genauso wie die Chancen. Doch um diese Chancen zu nutzen, muss ein Unternehmen auch bereit sein, wie Hundsdörfer auf die Eigenheiten einzugehen.

Ein weiteres Beispiel: die Lieferzeiten. Greg Scheu, Amerika-Chef des Schweizer Technologiekonzerns ABB, nennt als Beispiel eine Keksfabrik: „Wenn der Kunde von dem Business Case überzeugt ist, dass die Kekse vor der Verpackung von einem Roboter sortiert werden sollen, will er die Maschine innerhalb von wenigen Wochen“, sagt Scheu. „In einer europäischen Autofabrik hingegen wird der Einsatz von Robotern auf Jahre hinaus geplant – entsprechend unterscheiden sich auch die Lieferzeiten.“

von Sebastian Schaal, Niklas Dummer

Dass Scheu auf diese spezifischen Anforderungen eingeht, zahlt sich aus: Die USA sind für ABB der am schnellsten wachsende Einzelmarkt, fast ein Drittel seines Umsatzes erwirtschaftet der Siemens-Konkurrent zwischen San Francisco und New York. Was Scheu dabei entgegenkommt: „Amerika hat eine sehr optimistische Gesellschaft. Die Bereitschaft, neue Wege zu gehen und auch mal zu scheitern, ist viel stärker ausgeprägt als in Europa.“

Das gehe so weit, dass selbst ein europäisch geprägter Konzern wie ABB in den USA agiler ist. Auch die Bereitschaft, das eigene Geschäftsmodell infrage zu stellen, sei höher.

ABB etwa produziert in den USA rund 1.000 Elektromotoren pro Tag. Noch werden diese Motoren verkauft und auf Wunsch auch der Service dazu. Ob das so bleibt, wird aber regelmäßig auf den Prüfstand gestellt. „Noch sind wir nicht an dem Punkt, an dem wir anstelle des Motors eine bereitgestellte Laufzeit verkaufen“, sagt Scheu. Denkbar aber ist das Alternativ-Modell.

Ein Industrieunternehmen, das grundsätzlich bereit ist, nur noch Services anstatt Maschinen zu verkaufen – ein fundamentaler Wandel. Für Frank Riemensperger liegt in diesem Paradigmenwechsel ein großes Risiko für die deutsche Industrie. „In Deutschland haben wir Industrie 4.0 auf unsere Produktionskompetenzen aufgebaut“, sagt der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Accenture. „In den USA hat das Industrial Internet Consortium von Anfang an auf die Services gesetzt, die rund um Produktion und Produkt entstehen – die Fabrik und die Maschinen darin standen nie so im Fokus wie in Deutschland.“ Seine Analyse: Das IIC und die daran beteiligten Firmen wurden den deutschen Unternehmen keinen Wettbewerb bei der Produktion machen. Aber: „Die Services sind der wahre Angriff auf unsere Wertschöpfung.“

Wie solche Services aussehen können, zeigt Bosch Rexroth in den USA. Die Industrie-Tochter des Bosch-Konzerns führt in den USA ein Pilotprojekt mit Augmented-Reality-Brillen durch. Kann ein Monteur ein technisches Problem mit einem Motor oder Getriebe nicht lösen, hilft ihm ein über die Datenbrille zugeschalteter Ingenieur, der tausende Kilometer entfernt sein kann. Der Ingenieur sieht über das System das Sichtfeld des Monteurs – und kann dank der Datenbrille direkt Anweisungen geben.

Wo die Maschine den Mensch ersetzt

„In den USA gibt es eine hohe IT-Affinität“, sagt Steffen Haack, Bereichsvorstand für Industrie-Anwendungen bei Bosch Rexroth. „Das macht es leichter, Kunden zu überzeugen.“ Mit dem System sollen nicht nur Wartung und Montage vereinfacht werden, sondern auch günstiger – weil der Ingenieur nicht erst ins Flugzeug steigen muss, sondern über das Internet assistieren kann. Zudem kann er ohne Reisezeit sofort reagieren, Ausfallzeiten werden minimiert. „Je besser der Service, desto mehr Kunden entscheiden sich für uns“, so Haack.

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