Hannover Messe Was Mittelständler in Mexiko beachten müssen

Hannover Messe Mexiko Harting Jon DeSouza Quelle: Ralf Baumgarten, Hannover Messe

Mit den Industriekonzernen und Autobauern kamen auch viele Mittelständler nach Mexiko. Zwischen Automatisierung und Handarbeit bieten sich große Chancen – wenn man Markt und Leute versteht.

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Eigentlich wollte Jon DeSouza gar nicht hier sein. Dennoch empfängt er freundlich zum Gespräch im 2016 eröffneten Werk in der Kleinstadt Silao, 400 Kilometer nordwestlich von Mexiko-Stadt. Als sein Arbeitgeber, der Steckverbindungs-Spezialist Harting aus dem westfälischen Espelkamp, entschieden hatte, auch in Mexiko zu produzieren, hatte er einen anderen Standort im Kopf. „Ich hatte schon ein Grundstück in Santiago de Querétaro ausgesucht“, erzählt der Nordamerika-Chef. Weshalb Harting am Ende doch in einem 150 Kilometer entfernten Gewerbepark gelandet ist, ist ein Paradebeispiel für die Standortsuche eines mittelständischen Unternehmens in Mexiko.

Dreh- und Angelpunkt des Landes ist die Hauptstadt Mexiko-Stadt – rund 21 Millionen Menschen, also ein Sechstel der Gesamtbevölkerung, leben und arbeiten dort. Die Stadt ist in den vergangenen Jahren so stark gewachsen, dass sie ihre Grenzen längst gesprengt hat und sich inzwischen über vier Bundesstaaten erstreckt. Auf die Wirtschaft hat die Metropole eine hohe Anziehungskraft. Die Wege sind kurz, und viele junge Fachkräfte zieht es eher in die Großstadt als aufs Land – ähnlich wie in Deutschland.

Dennoch hat sich DeSouza schnell gegen Mexiko-Stadt entschieden: Mieten für Wohnungen und Gewerbeflächen sind dort in die Höhe geschnellt. „Die Gegend hier ist sicher“, sagt der Harting-Manager, um mit einem der größten Vorurteile gegen Mexiko aufzuräumen, „aber nicht so teuer wie die Hauptstadt. Hier stehlen sie nur ab und zu etwas Benzin.“ Die organisierte Schwerkriminalität konzentriert sich auf die Drogen-Hochburgen im Norden oder Touristen-Hotspots.

Wie deutsche Unternehmen in Mexiko produzieren
Hannover Messe Partnerland Mexiko Quelle: Ralf Baumgarten, Hannover Messe
Audi-Werk in San José Chiapa Quelle: Audi
Audi-Werk in San José Chiapa Quelle: Audi
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Hannover Messe Partnerland Mexiko Quelle: Ralf Baumgarten, Hannover Messe
Hannover Messe Partnerland Mexiko Quelle: Ralf Baumgarten, Hannover Messe
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Gänzlich unvoreingenommen war Harting bei der Suche nicht. Im ländlichen Süden des Landes fehlt es oft an Infrastruktur und Logistik, wegen des niedrigeren Bildungsniveaus ist es schwierig, passende Fachkräfte zu finden. Die angespannte Sicherheitslage im Norden in Kauf zu nehmen, ergibt nur bei direktem Geschäftsbezug zu den USA Sinn. Wer kann, der fertigt im zentralmexikanischen Hochland. Dort liegt die sogenannte Bajío-Zone, die sich über die Bundesstaaten Aguascalientes, Jalisco, Guanajuato und Querétaro zieht. „In diesen Staaten haben wir in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viele Ansiedlungen gesehen“, sagt auch Gabriele Welcke-Clemens, Außenhandelsexpertin für die Nafta-Region beim Maschinenbauverband VDMA.

Dass DeSouza von seinem Plan, nach Querétaro zu gehen, abgelassen hat, lag an der Unterstützung der Bezirksregierung – jeder Bundesstaat bemüht sich im Wettbewerb um Unternehmen und ist deshalb mitunter zu weitreichenden Zugeständnissen bereit. In einem neuen Gewerbepark nahe Silao, nur zwei Kilometer vom internationalen Flughafen von Léon entfernt, waren noch Flächen frei. „Die Regierung von Irapuato war dann sehr hilfsbereit und hat Infrastruktur, weitere Hilfen und finanzielle Anreize geboten“, sagt DeSouza. Die Lage und die Unterstützung seien für ihn ausschlaggebend gewesen. „Mit einer kleinen Belegschaft von 50 bis 100 Mitarbeitern empfiehlt sich ein Industriepark“, sagt Florian Steinmeyer, Mexiko-Experte bei der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI). „Die Betreiber bieten Dienstleistungen an, um die Unternehmen bei Behördenpflichten zu entlasten, und bei der Personalsuche oder Rechtsfragen zu helfen.“

Aber auch größere Unternehmen ziehen mitunter den Gewerbepark einem eigenen, unabhängigen Werk vor. In direkter Nachbarschaft zu Harting sitzen eine Motorenfabrik von Volkswagen, die Toyota-Nutzfahrzeugtochter Hino, der Reifenhersteller Pirelli, aber auch der deutsche Konsumgüterriese Nivea. Und selbst der schweizerisch-schwedische Siemens-Konkurrent ABB hat sich andernorts in einem Gewerbepark niedergelassen.

DeSouza ist mit seiner Wahl zufrieden, nennt Silao eine „sehr Business-freundliche Gemeinde“. Auch für die Unterstützung der Parkverwaltung findet er lobende Worte. „Den in Mexiko üblichen Papierkram ersetzt es nicht, aber es hilft“, sagt der Harting-Manager. Gänzlich unproblematisch ist die Lage aber nicht – wegen des Personals. „Der Lifestyle außerhalb von Mexiko-Stadt wird für viele Familien attraktiver“, versucht sich DeSouza in der Werbung für den Standort. Was er aber nicht verschweigen kann: Längst nicht für alle Fachkräfte und ihre Familien ist Silao interessant genug.

Mexiko-Werke der deutschen Autobauer

Dazu kommt, dass man in Teilen von Mexiko häufiger neues Personal suchen muss als anderswo. Obwohl Harting erst seit 18 Monaten in Silao produziert, kommt das Werk auf eine Personalfluktuation von sieben Prozent pro Monat. „Man braucht hier eine gute Personalabteilung“, sagt DeSouza. „Es ist nicht schwer, gute Leute zu finden. Es ist schwer, sie zu halten.“

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