Die Digitalisierung wird bis zum Jahr 2035 zwar nur geringe Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitsplätze nehmen, aber die Arbeitenden müssen sich auf sehr große Umbrüche einstellen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). „Eine zunehmende Digitalisierung wird mit einer deutlichen Umgestaltung der Arbeitswelt einhergehen, und in diesem Prozess werden Bildung und Weiterbildung der Beschäftigten eine zentrale Rolle übernehmen“, betonen die Forscher.
Digitalexperte Karl-Heinz Land ist noch rigoroser in seiner Zukunftsvision: In 20 Jahren ist die Arbeit, so wie wir sie kennen, weg, sagt er. Im Interview mit der WirtschaftsWoche erklärt er, welche Berufe in seinen Augen eine Zukunft haben – und welche nicht.
Herr Land, in zwei Sätzen: Wie arbeiten wir in Zukunft?
In 15 bis 20 Jahren wird die Hälfte der Arbeit, so wie wir sie kennen, verschwunden sein. Und in drei bis vier Dekaden wird niemand mehr arbeiten – zumindest nicht für Geld.
Klingt nach viel Leerlauf im Leben.
Die Wenigsten werden dann einfach zuhause herumsitzen. Die Menschen werden vermutlich Ehrenämtern oder vergleichbares übernehmen. Es geht dann bei der Beschäftigung – wir können sie auch gerne weiter Arbeit nennen – nicht mehr darum, den Lebensunterhalt damit zu verdienen, sondern Sinn zu stiften.
Ist der Sprung nicht zu groß für so kurze Zeit?
Experten sagen, dass es die letzten dreihundert Jahre wahrscheinlich weniger Veränderungen gegeben hat, als die nächsten dreißig Jahre mit sich bringen werden. Das wird unser gesamtes Leben umkrempeln. Die Arbeitswelt wird sich komplett von rechts auf links drehen.
Zur Person
Karl-Heinz Land ist Digitalexperte und Gründer der Strategie- und Transformationsberatung neuland. 2006 erhielt er den Technology Pioneer Award“ auf dem World Economic Forum (WEF) in Davos. und Co-Autor des Buchs „Digitaler Darwinismus – Der stille Angriff auf Ihr Geschäftsmodell und Ihre Marke“.
In welchen Berufen bekommen wir diese Veränderungen schon bald zu spüren?
Zunächst werden wir das Ende der Assistenten sehen. In wenigen Jahren werden sich Manager Gedanken machen, ob sie wirklich noch notwendig sind. Chefs könnten sich schon bald auf Alexa, Siri oder Cortana verlassen.
Steuerberatern und Buchhaltern gebe ich nur noch fünf bis zehn Jahre. Dann wird es auch diese Berufsgruppen nicht mehr geben, weil sich solche Jobs bestens digitalisieren, vernetzen und automatisieren lassen.
Gleiches gilt für alles rund um das Thema automatisiertes Fahren. Taxi- und Busfahrer ebenso wie Lkw-Fahrer werden ihren Job aufgeben müssen, sobald Maschinen das Steuer übernehmen können. Daran schließt sich dann die Revolution in der Logistikbranche an. Automatisierte Lkw können sich selber steuern und mithilfe einer Künstlichen Intelligenz die schnellste, kürzeste, praktischste Route ausarbeiten – wozu braucht man da noch Logistiker? Sie sehen, das zieht einen Rattenschwanz hinter sich her.
Dass es in wenigen Jahren gar keine Assistenten oder Steuerberater in Deutschland mehr geben wird, ist schwer vorstellbar.
Diese Entwicklung läuft doch bereits! Ein Zeichen dafür ist etwa das Börsenparkett: Vor einigen Jahren gab es einmal hunderte, tausende Aktienhändler – das waren diejenigen, die mit Papier fuchtelten. Die gibt es nicht mehr. Warum? Sie wurden wegautomatisiert. Eine Aktie wird heute tausend Mal in der Sekunde gehandelt. Da kann kein Mensch mithalten.
Diese Jobs sind durch die Digitalisierung entstanden
Der Data Engineer sorgt dafür, dass Data Analysten und Data Scientisten erfolgreich arbeiten können. Denn die Data Engineers sammeln, generieren und säubern die Daten und bereiten sie auf, um sie dann den Analysten und Scientists zur Verfügung zu stellen. Sie stehen in der Wertschöpfungskette quasi ganz am Anfang aber gleichzeitig in enger Abstimmung mit den Fachbereichen und konkreten Inhalten. Eine Herausforderung, mit der sich Data Engineers immer stärker beschäftigen, ist das Thema Big Data und die damit verbundene Komplexität der Daten.
Quelle: Telefónica
Neben der Anwendung klassischer Analysemodelle zur Generierung von Business-Insights (Job des bisherigen „Data Analyst“), wendet der Data Scientist komplexere statische Methoden an, hat Kenntnisse im Bereich maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. Außerdem spielt beim Data Scientist am Ende eines Projekts die Visualisierung der Ergebnisse und das sogenannte Storytelling eine große Rolle. Das heißt, er muss nicht nur gut mit Zahlen jonglieren, sondern auch kommunikative Fähigkeiten besitzen.
Bei der Arbeit mit Daten kommen die Spezialisten mit Themen wie Datensicherheit und Datenschutz in Kontakt, wodurch wiederrum neue Berufsprofile entstehen. So sucht Telefónica aktuell nach einem Data Protection & Data Security Consultant, der sich als erster Ansprechpartner und Berater um alle internen Themen rund um den Datenschutz bei der neuen Tochtergesellschaft Telefónica NEXT kümmert.
Der Take-to-Market Analyst ist Bindeglied und Übersetzter zwischen Analysten und externen Partnern. Wenn die Mitarbeiter anonymisierte Bewegungsdaten der Kunden nutzen wollen, um ihren Service zu verbessern, übersetzt der TTM Analyst die Anforderung jeweils in die Sprache des anderen. Dafür muss er – wie alle anderen Rollen auch – beide Parteien verstehen können. Er benötigt dazu ein gewisses technisch-analytisches Know-how und zugleich ein unternehmerisches Verständnis. Der TTM Analyst ist ein Allrounder, denn er schreibt ebenso Verträge und begleitet die Produktmanager zum Kundentermin. Anschließend erklärt er den Analysten, was genau zu tun ist.
Er gibt die Leitlinien für den Umgang mit Daten vor. Welche Informationen können bedenkenlos in welchem Zusammenhang verwendet werden? Wo liegen rechtliche Grauzonen bei der Auswertung von Daten? Wo ethische Barrieren? Seine Position ist meist nah am Vorstand angesiedelt, da eine Fehlentscheidung schnell ernsthafte Probleme verursachen kann.
Sowohl Mathematiker und Informatiker als auch Physiker sind für die Tätigkeit des Data Strategist besonders geeignet. Denn hohes technisches Verständnis ist Grundvoraussetzung, um nachvollziehen zu können, wie die Daten überhaupt erhoben werden.
Der CDO ist der oberste Digitalisierungsbeauftragte eines Unternehmens – oftmals sogar auf Vorstandsebene. Er gibt die Leitlinien für die Digitalisierung vor: entwickelt neue Geschäftsmodelle, führt innovative Technologien ein und fördert vernetztes Arbeiten in seinem Konzern. In seiner Position muss er die zukünftige Richtung vorgeben, Mitarbeiter und Anteilseigner in die digitale Transformation mitnehmen. Dazu braucht er neben fachlichen Qualifikationen vor allem Überzeugungskraft, Risikobereitschaft und Neugier.
Dieser Entwickler kümmert sich um neue Programme für Smartphones und Tablets. Bei kleineren Unternehmen ist er nicht nur Ideengeber, sondern programmiert die Anwendungen auch selbst.
Die meisten Mobile Developer sind entweder auf das Apple-Betriebssystem iOs oder Googles Konkurrenzprodukt Android spezialisiert. Früher ein Feld für Autodidakten, ist dieser Job heutzutage am besten für Informatiker geeignet – egal, ob studiert oder mit Berufsausbildung zum Fachinformatiker.
Der SEO-Manager – die Abkürzung steht für Search Engine Optimization, zu Deutsch: Suchmaschinen-Optimierung – ist der wohl bekannteste Performance Marketing Manager. Er ist dafür verantwortlich, Inhalte von Web-Seiten so zu optimieren, dass sie von Suchmaschinen möglichst gut gefunden werden.
Ebenfalls dazu gehören der SEM- und der SEA-Manager. Sie sind für Search Engine Marketing beziehungsweise Search Engine Advertising zuständig. Das heißt, sie entscheiden unter anderem, bei welchen Suchbegriffen eine Anzeige ihres Arbeitgebers erscheint, und kontrollieren den Erfolg solcher Maßnahmen. Ebenfalls in den Aufgabenbereich von Performance Marketing Managern fallen Direktmarketingaktionen zum Beispiel via E-Mail oder die Schaltung von Werbebannern.
Es gibt aber durchaus Berufe, die sich nicht mal soeben digitalisieren lassen...
Natürlich. Ich glaube, dass Jobs, die mit extremer Kreativität zu tun haben, in zehn oder zwanzig Jahren auch noch da sein werden. Eine Zeit lang werden diese Berufe noch eine große Rolle spielen.
Handwerker werden überall dort länger bleiben, wo alte Systeme auf neue treffen. In nicht-genormten Situationen ist der Mensch einfach noch immer unschlagbar. Er ist beweglich, flexibel, kreativ und unabhängig. So weit kommt der Roboter noch nicht.
Aber die Handwerker werden langfristig mehr und mehr durch Systeme ersetzt werden. In hochintelligenten, vernetzten Städten mit smarten Häusern, Wohnungen und Straßen werden Systeme häufig in der Lage sein sich selbst zu reparieren.
Berufe werden unterschiedlich schnell sterben
Also sterben Berufe unterschiedlich schnell?
Es ist eine Frage der Entwicklungsgeschwindigkeit. Es gibt Berufe, da werden zu Beginn nur 40 Prozent des Jobs automatisiert werden können, aber 20 Jahre weiter werden es wahrscheinlich 60 bis 80 Prozent sein. Berufe lassen sich in Aufgaben aufteilen. Nach und nach wird entschieden, mehr und mehr Aufgaben in die Hand der Künstlichen Intelligenz zu geben.
Aktuell wird viel über den Wandel der Pflegeberufe gesprochen. Pflegeroboter sind mancherorts schon im Einsatz. Sehen Sie dort ebenfalls eine schnelle Ablöse bevorstehen?
Pfleger im Krankenhaus und der Altenpflege, Berufe in der Kindererziehung – sogenannte menschelnde Berufe werden vorerst weiterhin existieren. Das sind Jobs, in denen der Kontakt zu Menschen unabdingbar ist.
In der Kranken- oder Altenpflege wird mit Sicherheit der Roboter viele Aufgaben leisten können – pflegen und waschen etwa – währenddessen werden die Pfleger mehr Zeit für das persönliche Gespräch haben. Bestimmte Dinge wollen wir nämlich auch gar nicht automatisieren.
Ähnlich steht es um die Lehrer. Einen großen Teil der Wissensvermittlung können Roboter übernehmen. Geht es aber um Soziales lernen wir zwischen Menschen und nicht von Robotern.
Heißt, Lehrer verschwinden zwar nicht, müssen aber einen Wandel vollziehen, weil auch einen Teil ihres Jobs zukünftig Künstliche Intelligenzen übernehmen?
Definitiv. Das Bildungssystem wird sich grundsätzlich verändern. Bildung 4.0 wird eine gute Mischung sein zwischen online und offline – Lernen von Robotern und Menschen.
So gibt es häufig jemanden, der Algebra besser beibringen kann als der Lehrer, der gerade vor einem steht. Warum sollten nicht alle bei dem lernen, der es am besten beibringen kann? Online ist das möglich – oder künftig eben auch durch Robotik.
Bildung 4.0 muss heißen: Weg von Wissensanreicherung hin zu Methoden- und Sozialkompetenz. Denn Antworten findet der Computer. Wir müssen in der Lage sein, die richtigen Fragen zu stellen. So ähnlich wird es auch Ärzten und Forschern gehen.
Inwiefern?
Watson, die Künstliche Intelligenz von IBM kann schon heute bessere Vorhersagen über Energieverbräuche, klimatische Auswirkungen und Verläufe von Epidemien und Seuchen machen als Wissenschaftler es können.
Wo mancher Doktor drei Jahrzehnte und viel Erfahrung braucht, um ein Ergebnis zu berechnen, benötigt Watson nur ein paar Sekunden. Die Diagnose und Vorschläge für die bestmögliche Behandlung wird in Zukunft die Künstliche Intelligenz machen. Der Mensch muss die richtigen Fragen stellen. Die Rolle zwischen Doktor und Patient wird sich damit dramatisch verändern.
Letztendlich bleibt aber trotz allem der Mensch am Steuer. Er hat die Kontrolle über die Arbeit der Roboter und trifft Entscheidungen, oder?
Künstliche Intelligenzen werden überall vorhanden sein – und natürlich werden sie auch im Management Einzug halten. Das klingt weiter weg von unserer heutigen Realität als es tatsächlich ist. In China wurde eine Millionenstadt für ein Jahr lang in die Hand einer Künstlichen Intelligenz gegeben – ohne, dass es aufgefallen wäre. Statt von einem Bürgermeister verwaltete quasi ein Stück Software die Stadt.
Eine Künstliche Intelligenz kann alleine Optionen ausloten und Entscheidungen vorbereiten oder sogar treffen. Dadurch werden Hierarchien verschwinden. Kontroll-Management wird sich der hin zum Ermächtigungs-Management entwickeln. Die Künstliche
Intelligenz braucht weiterhin den selbstverantwortlichen, eigenständigen, mitdenkenden Menschen, der eigenmächtig Entscheidungen trifft.
Management der Zukunft
Mit der Initiative „Management der Zukunft“ zeichnen die WirtschaftsWoche und KPMG CEOs aus, die mit ihren Managemententscheidungen für Mut und Führungsstärke stehen. Kernidee der Initiative ist die Wahl des „EntscheidungsMachers“.
Weitere Informationen finden Sie unter entscheidungsmacher.wiwo.de
Wie stellen sich Berufstätige auf diesen harschen Wandel ein? Nicht jeder kann das Tempo der Digitalisierung mitgehen.
Um nicht von der Digitalisierung überrollt zu werden, wird das Wichtigste für Berufstätige sein, sich aktiv mit neuen Technologien auseinander zu setzen und offen zu sein für Weiterbildung.
Es geht hier nicht darum jede Neuerung in seiner ganzen Bandbreite zu verstehen, aber darum ein konstantes Interesse daran zu haben, wie bestimmte digitale Technologien die eigene Branche beeinflussen und welchen spezifischen Nutzen sie für den eigenen Job haben können.