Joe Kaeser "Es bringt nichts, das Silicon Valley zu kopieren"

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„Das deutsche Modell der dualen Ausbildung könnte ein echter Exportschlager werden“

Als Donald Trump neulich ein Gesetz unterschrieb, um Barack Obamas Politik für mehr saubere Energie rückgängig zu machen, sagte er zu einer Gruppe anwesender Bergarbeiter: Bald habt ihr wieder Jobs. Wenn ich Sie so höre, dann verbreitet Trump da Fake News.
Ich würde es eher alternative Fakten nennen (lacht). Er sagte ja nicht: Ihr bekommt eure alten Jobs zurück. Er sagte: Ihr bekommt wieder Arbeit. Und es ist natürlich wichtig für eine so bedeutende Volkswirtschaft wie die der USA, eine starke industrielle Basis zu haben. Es hat immer Zyklen in der Technologie und damit auch in den von Technologiewandel betroffenen Branchen gegeben. Aber wir müssen den Prozess wirklich gut managen. Als ich zusammen mit der Bundeskanzlerin vor einigen Wochen zu Besuch bei Präsident Trump war, haben wir sehr viel über Qualifizierung von Arbeitern gesprochen. Mein Eindruck: Das deutsche Modell der dualen Ausbildung, also der Ausbildung in Betrieb und Berufsschule, könnte ein echter Exportschlager werden.

Ein Siemens-Mitarbeiter soll Informationen aus der Energiesparte des Unternehmens an Chinesen verkauft haben. Den Hinweis dazu erhielt das Unternehmen über das interne Whistleblower-System.
von Angela Hennersdorf, Silke Wettach

Microsoft-Gründer Bill Gates forderte kürzlich eine Robotersteuer, um die Kosten für diese Qualifizierung und Veränderung zu bewältigen.
Nicht nur Bill hat das gefordert. Was man ihm lassen muss: Er hat genau verstanden, wo die Herausforderung liegt. Wenn wir durch smarte Fertigung Arbeit künftig in 100 Stunden erledigen, die vorher 1000 Stunden dauerte, dann ist nicht nur die Wertschöpfungskette dramatisch verkürzt worden. Dann muss man auch sehen: Aus diesen 1000 Arbeitsstunden wurden ja bisher auch die Sozialsysteme finanziert, daraus wurden Gehälter berechnet. Wie also wollen Sie das alles mit 100 Produktionsstunden finanzieren? Also sagt Bill: Wenn diese Roboter die Arbeitseinkommen mindern, müssen wir die Wertschöpfung durch die Roboter eben besteuern. Interessant ist allerdings, dass Bill vor 25 Jahren, als Software sehr viel menschliche Arbeit zu ersetzen begann, diesen Vorschlag nicht für eine Softwaresteuer gemacht hat. Da dachte er als Gründer eines großen Softwarehauses wohl noch anders … Heute müsste er sagen: Die Produktivitätsfortschritte durch Software sind deutlich größer als die durch Roboter.

Also fordert der Chef von Siemens nun eine Softwaresteuer?
Diese Schlagzeile werde ich Ihnen nicht liefern. Ich beschäftige mich wirklich viel mit dieser Frage, aber habe ich eine fertige Antwort darauf? Nein. Nehmen Sie Amazon als Beispiel, ein wirklich smartes Unternehmen, von dem Millionen Kunden weltweit profitieren. Aber eben auch ein Unternehmen, das viele Menschen arbeitslos gemacht hat, Buchhändler zum Beispiel oder andere Einzelhändler in den Innenstädten. Was haben diese Leute gemacht? Sie haben Widerstandskampagnen gegen Amazon organisiert. Wenn du die Leute nicht mitnimmst auf dem Weg durch den Wandel, dann wehren sie sich. Denn es geht um ihre Existenz. Wir müssen einerseits sicherstellen, dass möglichst niemand zurückbleibt. Andererseits können wir nicht warten, bis der Letzte sich bewegt. Dieser Aufgabe müssen wir uns als Gesellschaft stellen.

Siemens muss einen enormen Wandel bewältigen. Andererseits müssen Sie Ihre Belegschaft mitnehmen. Wie gehen Sie persönlich damit um?
Wir sind dabei, das herauszufinden. Was wir auf jeden Fall machen: Wir investieren in unsere Mitarbeiter. Für Aus- und Fortbildung geben wir im Konzern jedes Jahr über 500 Millionen Euro aus. Und wir investieren in Innovation: Jahr für Jahr mehr als fünf Milliarden Euro in unsere Forschung und Entwicklung. Wir sprechen überall im Unternehmen intensiv darüber, was Digitalisierung bedeutet und wie wir die Chancen nutzen können, die sich daraus ergeben. Bei Siemens arbeiten heute mehr als 21.000 Softwareingenieure. Wir organisieren Hackathons, bei denen alle mitmachen können – also nicht nur IT-Experten. Wir haben zusammen mit dem Betriebsrat auch einen Innovationsfonds aufgelegt, der die Umsetzung kreativer Ideen innerhalb der Firma finanziell unterstützt. Es bewegt sich also eine ganze Menge. Ich selbst bin jede Woche unterwegs und spreche mit unseren Leuten, mit Regierungen, mit Behörden, mit Kunden, wie wir den Wandel insgesamt gut hinbekommen. Dennoch würde ich mir wünschen, dass es mehr Menschen gibt, die eine positive Sicht auf den Wandel haben.

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