Joe Kaeser "Es bringt nichts, das Silicon Valley zu kopieren"

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„Die „Winner takes it all“-Logik des Internets wird auch in der Industrie greifen“

Wie sehr hindert Sie dabei, dass Sie eine Zwei-Klassen-Belegschaft haben? Für Ihre deutschen Mitarbeiter gilt die Mitbestimmung, für die ausländischen nicht.
Für mich gibt es bei Siemens keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Jeder Siemens-Mitarbeiter ist für mich gleich wichtig, egal, wo er arbeitet. Und so kann ich immer nur an alle Mitarbeiter appellieren, das gesamte Unternehmen und seine Interessen im Blick zu haben. Ich finde Mitbestimmung gut. Sie muss aber die Mitarbeiterinteressen global vertreten und darf nicht mit Co-Management verwechselt werden. Dann kann sie echt dazu beitragen, die Grundidee der sozialen Marktwirtschaft zu bewahren und sie für das digitale Zeitalter neu zu interpretieren. Das wird eine wichtige Aufgabe werden, die Unternehmen und Arbeitnehmervertreter zu lösen haben. Denn das Internet der Dinge, das die vierte industrielle Revolution prägen wird, ist exterritorial. Die globale Vernetzung von Maschinen und Systemen auf virtuellen Plattformen wird den Erfolg bestimmen. Auch die Menschen in den Unternehmen werden global vernetzt sein. Da kommt man mit national-betrieblicher Interessensoptimierung im internationalen Wettbewerb nicht mehr weit. Die vierte industrielle Revolution passiert weltweit. Wenn wir die sozial gerecht gestalten wollen, bräuchten wir eigentlich eine integrierte Mitbestimmung auf globaler Ebene. Wir müssten die deutsche Mitbestimmung internationalisieren. Das wäre made in Germany mal anders gedacht. Das deutsche Modell der „dualen Ausbildung“ ist ja auch ein Exportschlager, um den uns die ganze Welt beneidet.

Austausch in Harvard: Joe Kaeser mit WiWo-Herausgeberin Miriam Meckel.

Deutschland hat ja die erste Entwicklungsphase des Internets gegen US-Firmen wie Google oder Amazon verloren. Sieht es aus deutscher Sicht gerade besser aus?

Es stimmt schon, dass wir zum Beispiel als Zentrum der weltweit innovativsten Autoindustrie, eines starken Mittelstands in unserer Führungsrolle als Industrienation massiv herausgefordert werden. Wie stehen wir derzeit da? Nicht schlecht, wie ich finde. Wir sind gut aufgestellt, gerade auch im Bereich Industrie 4.0. Wir haben das Know-how, die weltweite Kundenbasis, das Verständnis für die Bedürfnisse und die Prozesse unserer Kunden. Dennoch sollten wir wachsam bleiben. Die „Winner takes it all“-Logik des Internets wird auch in der Industrie greifen. Wir müssen also sehr genau darauf schauen, welche Geschäftsmodelle künftig noch funktionieren, wo das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette sitzt und wie wir es schaffen, in der Wertschöpfungskette die Plätze einzunehmen, an denen Wert generiert wird. Das Internet ist da sehr simpel: Es löscht den wertlosen Mittelsmann aus. Deswegen müssen wir uns bewusst machen: Schau immer auf deine Lieferanten. Schau immer auf deine Kunden. Schau immer auf die Kunden deiner Kunden. Denn wenn du das nicht tust, wirst du eines Morgens aufwachen, und deine Kunden sind weg. Und dann?

Genau, und dann?
Das ist wie in der Geschichte mit den zwei Wanderern. Eines Tages treffen sie im Yosemite-Park auf einen hungrigen Bären. Sagt der eine: „Das sieht nicht gut aus.“ Sagt der andere: „Ach, geht schon. Ich zieh mir schnell meine Laufschuhe an und renne davon.“ Erwidert der Erste: „Wie, du willst schneller rennen als der Bär?“ Antwortet der andere: „Wieso schneller als der Bär? Ich muss nur schneller rennen als du.“

Was die Besucher auf der Industrie-Messe erwartet
Hannover Messe 2017 Quelle: PR
Hannover Messe 2017 Quelle: PR
Hannover Messe 2017 Quelle: PR
Hannover Messe 2017 Quelle: PR
Hannover Messe 2017 Quelle: PR
Hannover Messe 2017 Quelle: PR
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Ist der Mann ohne Laufschuhe nicht Chef eines 170 Jahre alten Konzerns, und der Sneaker-Mann Herausforderer aus der Techwelt. Wer überlebt: Joe Kaeser oder Elon Musk?
Fragen Sie den Bären.

Machen Ihnen diese Menschen mit den schicken Turnschuhen, also die Elon Musks dieser Welt, manchmal Angst?
Ja, die sich nur um schicke Turnschuhe kümmern, schon – Elon Musk weniger ... Elon Musk ist ein Musterbeispiel für einen Unternehmer, der bereit ist, vollkommen neue Wege zu gehen und viel zu riskieren – vielleicht auch zu viel. Das kann man heute noch nicht sagen. In meinen Augen ist die Aufteilung in „alte Welt“ und „neue Welt“ aber so nicht richtig. Siemens hat bei Tesla Automatisierung für verschiedene Anlagen geliefert und spielt in der neuen Gigafactory eine signifikante Rolle. Unsere Software kommt auch beim Weltraumprojekt SpaceX zum Einsatz. Wir sind längst Teil dieser sogenannten neuen Welt. Das heißt, auch hyperaktive Firmengründer wollen das Beste oder nichts!

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