Maschinenbau Wenn der Patentdieb nicht aus China kommt

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Betriebsgeheimnisse auf fremden Servern

2015 folgte die Polizeidurchsuchung bei Hebenstreit. Die Ermittler sicherten technische Zeichnungen, Pläne und E-Mails. Durch technische Verfahren stellte die Polizei fest, dass mehr als 15.000 der Dateien „zu 100 % in identischer Form auch auf dem KBA-Server zu finden sind“. Zudem fanden die Ermittler eine „Vielzahl technischer Zeichnungen mit Logos von KBA“.

Einen brisanten Fund machten die Ermittler bei der Auswertung der E-Mails. Besonders Nachrichten eines Accounts mit dem Namen „Rathead“ (zu Deutsch: Rattenkopf) interessierte. Hinter dem Decknamen steckte ein Mitarbeiter von KBA, der Interna an Hebenstreit gesandt hatte. Auch einen zweiten KBA-Mitarbeiter, der Informationen an die Konkurrenz aus Pleidelsheim weitergegeben hat, spürten die Polizisten auf. Winkler bestreitet, Betriebsgeheimnisse erhalten zu haben. Laut Winkler habe es sich bloß um eine Betriebsanleitung von 1984 gehandelt.

Die beiden KBA-Mitarbeiter sind wegen Verrats von Betriebsgeheimnissen mittlerweile rechtskräftig verurteilt worden. Da sie beide unbescholten waren, fielen die Strafen mit 60 beziehungsweise 90 Tagessätzen relativ milde aus. Einer der Verurteilten arbeitet mittlerweile für Hebenstreit.

Dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart sich seit Jahren hinziehen, zermürbt beide Seiten. Während Winkler über die Aggression eines Monopolisten klagt, ärgert sich Gumbel: „Alle reden über Raubkopien aus China. Aber wie sollen wir gegen chinesische Plagiate vorgehen, wenn wir nicht einmal einen Plagiatsfall in Stuttgart lösen können?“ Gumbel ist überzeugt, dass ohne die Hinzuziehung des Privatermittlers Matschke die Gerichte nie aktiv geworden wären. „Bis die Sache bei der Staatsanwaltschaft aktiv verfolgt werden kann, müssen hinreichend belastende Fakten auf den Tisch gebracht werden. Für viele Unternehmen sind die damit verbundenen Kosten kaum zu bewältigen.“

Im Büro von Hubert Winkler am Sitz von Hebenstreit in Pleidelsheim deutet vieles auf Gemütlichkeit. Vor Winklers Schreibtisch parkt eine Sammlung Modellautos. Im Vorzimmer steht eine kleine Golfbahn. Winkler, blonde Haare und runde Brille, sitzt in einem schlichten Besprechungszimmer und malt ein Organigramm aus Firmennamen auf ein Papier. Es sind jene Unternehmen, die von Koenig & Bauer übernommen und zur KBA Metalprint zusammengeführt wurden. Bei einem dieser Vorgängerunternehmen namens Bauer + Kunzi arbeitete Winkler als Serviceleiter. 2007 übernahm er bei KBA Metalprint eine vergleichbare Funktion. Glücklich war er damit nicht.

„Die Arbeit bei KBA Metalprint war geprägt von Grabenkämpfen zwischen den Abteilungsleitern“, sagt Winkler. Nach knapp einem Jahr verließ er das Unternehmen und gründete 2008 Hebenstreit Metal Decorating. Die Anschuldigungen, Pläne von Koenig & Bauer kopiert zu haben, will Winkler nicht kommentieren. Er behauptet, die Pläne zu den KBA-Maschinen von einem früheren Partnerunternehmen bekommen zu haben. Als dieses 2009 Insolvenz anmeldete, habe er die gesamten Server gekauft, auf denen sich unter anderem die KBA-Zeichnungen befanden. Das Partnerunternehmen sei im Besitz der Pläne gewesen, weil es für Vorgänger der KBA diese Maschinen baute. Maschinen will Winkler mit diesen Plänen aber keine nachgebaut haben.

Bestätigt sieht sich Winkler durch ein Gutachten von 2016, dass eine Plagiatsverletzung nicht zweifelsfrei nachweisbar sei. KBA weist darauf hin, dass dieses „vorläufige Gutachten“ nicht zu einer Einstellung der Ermittlungen gegen Winkler geführt habe.

Gemeinsam dürfte Gumbel und Winkler wohl nur ein Wunsch sein: dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Ermittlungen möglichst rasch zu einem Ende bringt.

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