Maschinenbauer Trumpf "Veränderung ist wichtiger als Wachstum"

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"Wir sind manchmal noch zu konservativ"

Aber ist es denn nicht schade um unsere schöne deutsche Maschinenbaufirma Gildemeister, die jetzt aus Japan geführt wird und Mori heißt?

Kammüller: Ein interessanter Weg, den diese Firma gegangen ist.

Leibinger-Kammüller: Wir würden das hier eher nicht so machen. Aber grundsätzlich kein Weltuntergang. Der neue Haupteigentümer Mori ist eine tolle Firma.

Kammüller: Meine Frau und ich waren in den Achtzigerjahren zusammen drei Jahre in Japan und haben gelernt, was für ein großartiges Land das ist. In Japan spielt gewachsenes Vertrauen im Wirtschaftsleben eine große Rolle, wie auch bei uns in Deutschland. An der Stelle passen die Japaner gut zu uns – vielleicht besser als die Chinesen, wo man schneller ins Geschäft kommt.

Die Folgen von Industrie 4.0 für die Branchen in Deutschland bis 2025

Bei Industrie 4.0, also der Vernetzung industrieller Abläufe, spielt Vertrauen auch eine große Rolle. Es geht immer um den Zugriff auf Daten – eine sensible Sache.

Kammüller: Absolut. Ich glaube, wir haben da eine gute Ausgangslage, weil alle Beteiligten – Kunden, Logistikdienstleister, Lieferanten, IT-Firmen – uns vertrauen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die digitalen Geschäftsplattformen, die die Grundlage von Industrie 4.0 sind, eher bei Unternehmen wie Trumpf eingerichtet werden als bei großen IT-Dienstleistern wie Google oder Telekom.

Leibinger-Kammüller: Für unsere Kunden ist es unglaublich wichtig, dass Konkurrenten so wenig wie möglich über ihr Geschäft erfahren. Sie möchten noch nicht mal, dass sich auf einer Messe herumspricht, welche Maschinen sie gekauft haben. Denn daraus könnten Wettbewerber ablesen, was sie vorhaben. Deshalb darf der eine Wettbewerber auch nicht erfahren, was der andere auf unserer Plattform macht und bestellt, und schon gar nicht Einblick in seine Produktionspläne oder dergleichen bekommen.

Den großen Effizienzschub durch Digitalisierung konnte man noch nicht feststellen. Kommt der noch?

Kammüller: Der kommt noch. Und er wird nach meiner Prognose unterm Strich nicht zum Jobkahlschlag führen. Es wird wieder so sein wie ab den Siebzigerjahren, als die Computer in den Fabriken Einzug hielten. So wie damals wird das zu so viel Neugeschäft bei uns führen, dass in etwa so viele oder sogar mehr Jobs entstehen wie durch die Modernisierung wegfallen.

Leibinger-Kammüller: Das heißt aber nicht, dass keine Jobs wegfallen und vielleicht sogar ganze Berufszweige. Es wird sich sehr viel verändern. Wir sehen bei uns auch gar nicht so sehr, dass Jobs in der Fabrik wegfallen. Es geht eher um Bürojobs, um Menschen etwa, die Produktionsaufträge annehmen und verarbeiten.

Auch bei schwankenden Gewinnen hält Trumpf bei den Forschungsausgaben Kurs. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Sehen wir heute schon etwas von Industrie 4.0 bei Ihnen im Unternehmen?

Kammüller: Unsere Kunden können zum Beispiel Werkzeuge, mit denen man bestimmte Formen aus Blechen stanzen kann, bei uns auf der Homepage konfigurieren. Da sind über eine Million Varianten möglich. Dann wird sofort der Preis berechnet, und wenn der Kunde danach auf „Bestellen“ drückt, geht der Auftrag direkt an unsere Maschine, die das Teil produziert. Vier Stunden später können wir ausliefern. Vor einigen Jahren hat der Vorgang noch vier Tage gedauert. Wenn unsere große digitale Geschäftsplattform Axoom fertig eingerichtet und vernetzt ist, sind solche Abläufe Standard.

Holen Sie Leute aus dem Silicon Valley?

Kammüller: Eher weniger. Wir bekommen hier aus der Region ganz hervorragende Leute. Das sind dann allerdings schon andere, als Sie sie sonst bei uns finden.

Wie denn?

Leibinger-Kammüller: Die tragen kurze Hosen und so. Solchen Mitarbeitern ist auch nicht so wichtig, von 7 bis 15 Uhr zu arbeiten. Manche arbeiten eben lieber nachts. Aber ich finde das gut. Diese Lockerung tut uns gut. Wir sind manchmal noch zu konservativ. Wir sitzen gerade an einer massiven Flexibilisierung der Arbeitszeiten für das ganze Unternehmen, die über das bisherige Arbeitszeitwahlmodell noch hinausgeht. Sie können Ihre Arbeitszeit bei Trumpf bereits heute alle zwei Jahre innerhalb eines Korridors flexibel bestimmen. Zukünftig wollen wir noch mehr tun, was das Aufbauen von „Zeitspeck“ für individuelle Lebensphasen von der Kindererziehung bis zur Pflege älterer Angehöriger angeht. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten. Nur so viel, dass wir die Lebensrealität unserer Mitarbeiter noch umfassender antizipieren wollen.

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