Personalrekrutierung Auswahl per Roboter statt Bewerbungsmappe

Headhunter werden in Zukunft eine Vorauswahl geeigneter Kandidaten von Algorithmen bekommen. Was die Bewerber können sollen, müssen Personaler vorerst aber immer noch selbst definieren. Quelle: iStock

Vorstellungsgespräche und Assessmentcenter wird es ebenso wie die Bewerbermappe bald nicht mehr geben. Künstliche Intelligenz macht neue Verfahren möglich. Entziehen können sich dem weder Unternehmen noch Bewerber.

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Macht Künstliche Intelligenz (KI) bald die Personalauswahl zu einer Sache von wenigen Klicks? Werden große Teile der Personalabteilungen überflüssig werden? Die Ängste beim Einsatz von KI in der Fachkräftesuche und -auswahl scheinen groß zu sein. Jedenfalls in Europa, wo jedes dritte Unternehmen bislang weder KI noch Big Data bei der Kandidatensuche einsetzt. Das ergab eine Befragung von knapp 800 Personalverantwortlichen weltweit im Auftrag der Organisationsberatung Korn Ferry.

Dabei zeigte sich auch: In Nordamerika und Asien ist die Scheu vor KI in der Rekrutierung sehr viel schwächer ausgeprägt. Stattdessen vertraut man in Europa noch vielfach auf die händische Selektion von Lebensläufen, Anschreiben und Referenzen – eine mitunter zeitintensive Arbeit, die aus diesem Grund an externe Dienstleister weitergegeben wird, die eine Vorauswahl treffen.

Die bisherige, teils umständliche Praxis ruft bei Personalexperten, die KI gegenüber aufgeschlossen sind, Unverständnis hervor. Sie werfen die Frage auf: Ist ein gut programmierter Algorithmus nicht in Wirklichkeit viel neutraler in der Bewertung und konstanter in der Leistung als ein Mensch, der unbewusste Vorurteile hat und auch mal müde wird? „Neben der Einschätzung eines Lebenslaufs können zum Beispiel psychologische Online-Assessments schon frühzeitig feststellen, ob ein Kandidat grundsätzlich zu der von ihm gewählten möglichen Rolle sowie zur Unternehmenskultur passt“, meint Jan Müller, Spezialist für Lösungen rund um die Talentrekrutierung bei Korn Ferry.

Dass KI von vielen Unternehmen noch skeptisch bis zurückhaltend als Rekrutierungsmethode gesehen wird, hält Müller für normal. „Es gibt immer bei allen neuen Technologien Bedenken, ob das auch wirklich funktioniert. HR ist verantwortlich für einen wichtigen Teil des Unternehmens. Die Abteilung ist verantwortlich für die Talente, daher sind sie vorsichtig. Aber wir sehen, dass die Bereitschaft, mit solchen Technologien zu arbeiten, sehr stark steigt. Als Folge von Notwendigkeit“, sagt der Personalexperte.

Wissenschaftler erproben derweil Künstliche Intelligenz für den Rekrutierungsprozess bereits auf verschiedenen Ebenen. Von der Kandidatensuche mithilfe von smarten Suchmaschinen über die Bewältigung großer Bewerberzahlen bis hin zur Eignungsdiagnostik sind Verfahren bereits im Einsatz. Für Katharina Lochner, Dozentin für Psychologie an der University of Applied Sciences Europe am Campus Iserlohn, ist die Rolle von KI als Expertensystem am interessantesten. „KI kann anhand von Messungen der Persönlichkeit und der kognitiven Fähigkeit eine Vorhersage auf den Berufserfolg machen“, sagt Lochner.

Sie sieht darin große Vorteile für alle Beteiligten. „Früher, zu Zeiten von Papier-und-Bleistift-Tests, hat sich jemand hingesetzt und die Tests per Hand ausgewertet. Das kann man auch Maschinen beibringen. Hier stehen wir im Online Assessment aktuell: Jemand bewirbt sich, bearbeitet die Batterie von Instrumenten, dann werden die Ergebnisse in bestimmter Weise kombiniert. Wie, das entscheidet aktuell meist noch der Mensch. Ziel ist es, die Instrumente so zu kombinieren, dass man die beste Vorhersage auf den Berufserfolg machen kann“, erklärt Lochner.

Eine Vorhersage des Berufserfolgs bedeutet übersetzt: Lohnt es sich für ein Unternehmen, diesen Kandidaten einzustellen, wird er seine Aufgabe gut machen und vor allem nicht nach kurzer Zeit wieder woanders anheuern? Für diese Prognose ist laut Lochner Intelligenz der wichtigste Faktor – und damit ein hoch umstrittenes Konstrukt. „Die genaue Definition der Intelligenz ist umstritten. Letzten Endes, sozusagen als kleinster gemeinsamer Nenner aus verschiedenen Definitionen, geht es darum, ob jemand Regeln erkennt und Gesetzmäßigkeiten ableiten kann. Zur Messung von Intelligenz gibt es jede Menge gut erforschter Intelligenztests.“, sagt Lochner.

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