Heidelberger Druckmaschinen "Unsere Kernkompetenz reicht nicht mehr!"

Seit Jahren macht Heidelberger Druckmaschinen nur Verluste, kämpft verbissen gegen den Niedergang. Im Interview erklärt Unternehmenschef Gerold Linzbach, warum der Weltmarktführer trotzdem eine Zukunft hat.

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Gerold Linzbach, Vorstandsvorsitzender des Druckmaschinenherstellers Heidelberger Druck. Quelle: dpa

Der Weltmarktmarktführer für Druckmaschinen kämpft sich mühsam aus dem Tal der Tränen. Erneut liegt Heidelberger Druck wegen der Kosten für den Konzernumbau in den roten Zahlen. Der Verlust nach Steuern lag im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 bei 72 Millionen Euro. Zudem ging der Umsatz um vier Prozent auf 2,33 Milliarden Euro zurück.

Doch Linzbach verspricht trotzdem schwarze Zahlen: Im seit April laufenden Geschäftsjahr 2015/16 sowie mittelfristig soll der Umsatz um zwei bis vier Prozent wachsen. Mindestens acht Prozent vom Umsatz sollen als operativer Gewinn (Ebitda) übrig bleiben.

Aber Chef Gerold Linzbach gilt als harter Hund. So will der einstige McKinsey-Mann den traditionellen Maschinenbaukonzern zu einem agilen Dienstleiter umbauen. Ein Auftrag, an dem andere deutsche Maschinenbauer zu scheitern drohen.

WirtschaftsWoche: Herr Linzbach, wo sind Ihre Kunden hin? Einst waren es 200.000, jetzt sind es noch 15.000 Kunden.

Linzbach: Der Markt hat sich in den vergangenen zehn Jahren drastisch konsolidiert. Viele Druckereien sind auf der Strecke geblieben. Übrig geblieben sind die, die mit neuen Ideen und Technologien weiterhin erfolgreich wirtschaften. Auf die konzentrieren wir uns. Das ist eine harte Entscheidung, aber wir können wir in Zukunft nicht mehr jeden Wunsch von jedem Kunden erfüllen, das deckt schlicht unsere Kosten nicht.

Behalten Sie nur noch die margenstärksten Kunden?

Wir sind gerade dabei, die Marge für jeden Kunden und Segment zu analysieren. Aber klar ist schon jetzt: Wir machen rund 80 Prozent unseres Umsatzes mit etwa 3000 mittleren und großen Unternehmenskunden.

Die zehn besten deutschen Mittelständler

Wollen Sie so den Weltmarktführer für Druckmaschinen vor dem Tod durchs Internet retten? Heideldruck hat seit der Finanzkrise Jahr um Jahr Verluste gemacht, die Aktie zehntelte sich von 24 Euro auf 2,40 Euro.

Die Druckindustrie ist nicht tot und wir sind es auch nicht. Zum Glück sind wir nicht im Verlagsdruckgeschäft tätig, bauen also keine Druckmaschinen für Zeitungen, sondern Anlagen vor allem zum Bedrucken von Verpackungen. Allerdings halten unsere Maschinen bis zu 30 Jahre. Deshalb liegen unsere Chancen vor allem in mehr Service, der ist heute mindestens so wichtig wie die Konstruktion und der Verkauf einer Maschine.

Aber Kundendienst ist in Ihrer Branche wirklich nichts Neues.

Als ich zu Heideldruck kam, erinnerte mich bei dem Unternehmen manches an deutsche Unternehmenskultur aus den 1990er Jahren: Hochqualifizierte Mitarbeiter entwarfen im Elfenbeinturm Blaupausen am Kunden vorbei. Ich glaube, in den Krisenjahren war es das Schwierigste für die Heideldruck-Mitarbeiter anzuerkennen, dass ihre einstmals Kernkompetenz doch heute nicht mehr reicht.

Die drei häufigsten Fehler bei Veränderungen

Wie verwandelt man selbstbewusste Ingenieure in eilfertige Dienstleister? Daran beißen sich viele deutsche Maschinenbauer die Zähne aus.

Unsere weltweiten Verkäufer wissen längst was die Stunde geschlagen hat. Die hören täglich, was Kunden heute wollen. Zudem sollte heute auch Lob vom Vorgesetzten bekommen, nicht nur wer einen Deal holt, sondern auch, wer einen verlustbringenden rechtzeitig ablehnt. Der notwendige Kulturwandel muss aber bei allen Mitarbeitern und beim Management gleichermaßen verankert werden. Hier ist meine stärkste Waffe die schlichte Frage: Was hat der Kunde von Ihrer Tätigkeit? Dann werden einige stumm.

Fehlt noch die Bewusstseinserweiterung bei den Ingenieuren…

Natürlich ist dies nicht einfach. Sie treffen auf erfahrene Mitarbeiter, die jahrzehntelang eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben. Sie müssen lernen, dass eine Technik und Innovation nur dann die beste ist, wenn sie adäquat bezahlt wird. Es geht nicht darum mit hohem Aufwand tolle Lösungen zu entwickeln. Jeder Einzelne bei Heidelberg muss wissen, für wen mache ich dies und wie bringe ich den Kunden dazu, unser Produkt zu kaufen.

Der Ansatz ist aber auch keine Neuerfindung.

Das war in der Vergangenheit viele Jahre lang sicherlich nicht immer so. Dabei geht es nicht um Spitzenmargen, aber mehr als die Kosten müssen beim Verkauf schon herauskommen.

"Verabschiedet euch vom deutschen Perfektionismus"

Wie wollen Sie sich dann noch von den Produkten Ihrer Konkurrenz unterscheiden?

Die Crux des heutigen Maschinenbaus ist, dass nach 4000 Jahren menschlichem Erfindungsgeistes fast alle Produkte ausgereift sind: Maschinen, Autos, Fotoapparate, selbst Arzneimittel. Technische Differenzierung faszinieren die Menschen kaum noch. Heute müssen auch technische Produkte über Emotionen verkauft werden. Schauen Sie sich Autoprospekte an. Da geht es seitenlang um die große Freiheit beim Fahren, technische Kleinigkeiten kommen weiter hinten.

Wie wollen Sie aus hallengroßen Druckmaschinen Statussymbole oder sexy Produkte machen?

Falsch gedacht! Es geht gar nicht um die gute Maschine, sondern um das, was der Kunde benötigt. Wir garantieren, dass wir den Kunden bei allen technischen Problemen den Rücken freihalten. Dafür ist er auch eher bereit mehr zu zahlen als für technische Feinheiten.

Wie erzielen Sie Umdenken nicht nur bei den Mitarbeitern, sondern auch bei den Chefs?

Chefs verbringen zu viel Zeit in Sitzungen, in denen sie keine Entscheidungen, sondern Kompromisse suchen, um nur ja keinem weh zu tun. Wie kommt man in deutschen Unternehmen voran? Drei Prozent über tolle Arbeit, 10 Prozent über gute Vernetzung und der Rest steigt mit der Zeit intern auf. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Sie gelten als harter Hund. Wer entscheidet, macht irgendwann Fehler. Kann man sich bei Ihnen Fehler leisten?

Ich sage selber: Leute, ich bin Vorstand und habe in meiner Karriere auch nur zwei brillante Entscheidungen getroffen, sechs, die okay waren, und zwei grottenschlechte. Das reicht offensichtlich. Verabschiedet euch vom deutschen Perfektionismus! Mit dreißig Jahren Erfahrung habe ich gelernt: Bei 90 Prozent aller falschen Entscheidungen kann man frühzeitig umsteuern. Aber die Mischung aus Verharren und Nichtentscheiden ist garantiert tödlich.

Wie lange braucht die Schubumkehr in einem Konzern?

Ich würde sagen: bis zu sieben Jahre. Im ersten Jahr versuche ich zu verstehen, worauf es ankommt. Im zweiten will ich einen Teil der Organisation hinter mich bekommen um das Unternehmen neu aufzustellen, da stelle ich Figuren aufs Schachbrett. Im dritten und vierten Jahr schaue ich mit Schweißperlen auf der Stirn, ob es nachhaltig klappt und falls ja, muss ich nicht länger bleiben, weil alles auf dem Weg ist.

Sie sind jetzt drei Jahre bei Heideldruck, der Schweiß scheint getrocknet. Gehen Sie bald?

Wenn keine weiteren Baustellen vorhanden sind und alles nachhaltig auf dem richtigen Weg ist, habe ich mein Ziel erreicht. Das heißt aber nicht, dass ich hier bald meine Koffer packe.

Ihr neuer Aufsichtsratschef wird nach dem Tods eines Vorgängers Siegfried Jaschinski, der nicht unumstrittene ehemalige Chef der Landesbank Baden-Württemberg, und seit 2007 in der Krise als Aufsichtsrat bei Heideldruck dabei. Ist das eine gute Lösung für ein Unternehmen, das sich neu ausrichten will?

Herr Jaschinski hat in den letzten acht Jahren hervorragende Arbeit in unserem Aufsichtsrat geleistet. Unter seiner Führung wird der Aufsichtsrat zusammen mit dem Vorstand den eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen. Dann werden wir auch das avisierte profitable Wachstum erreichen, davon bin ich überzeugt.

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