Helden Contra Corona – Erfahrungsbericht #14 „Alle Mitarbeiter müssen sich vor der Arbeit die Haare waschen“

Apotheker Christian Fehske Quelle: PR

Der Hagener Apotheker Christian Fehske, ein „Held des Mittelstands“, über seine Corona-Schutzmaßnahmen, die persönliche Paracetamol-Herstellung und Schutzanzüge von Imkern.

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Christian Fehske ist Inhaber und Geschäftsführer der Rathaus-Apotheke Hagen. Er erwirtschaftet 17,5 Millionen Euro.

Herr Fehske, Sie betreiben eine Apotheke mit 80 Mitarbeitern. In Deutschland mussten schon Apotheken schließen, weil ein Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Wie schützen Sie Ihre Leute, sodass das Gesundheitsamt Ihnen den Laden nicht dichtmacht?
Fehske: Wir haben jetzt einen Einweiser, der Kunden freie Beratungsplätze zuweist. Und natürlich gelten auch bei uns Abstandsregeln. Jetzt darf pro Beratungsplatz nur noch ein Mitarbeiter an jeder Kasse stehen – statt zuvor zwei. Jeden Tag wird bei den Mitarbeitern am Anfang der Schicht Fieber gemessen. Und alle müssen sich vor der Arbeit die Haare waschen.

Wieso das denn?
Weil es Informationen aus China gibt, dass sich das Virus auch an Wimpern und Haaren festsetzen kann. Allgemein kann ich sagen, dass ich sehr früh damit angefangen habe, mich mit dem Thema zu beschäftigen. So habe ich schon Anfang März Plexiglaswände, die Mitarbeiter und Kunden an unseren Kassen vor einer Tröpfcheninfektion schützen, bei einem Tischler in Auftrag gegeben. Kurz darauf war Plexiglas Mangelware.

Sicher haben Sie Ihre Mannschaft wie viele Unternehmen jetzt auch in zwei Teams aufgeteilt, die sich nie begegnen – oder?
Sie meinen, weil dann im Fall einer Infektion nur die Hälfte der Mitarbeiter in Quarantäne muss?!

Genau.
Nein, das haben wir in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt anders gelöst. Bei uns tragen seit einigen Tagen alle Mitarbeiter einen Mundschutz. Den trägt man übrigens nicht, um sich selber zu schützen – sondern damit andere sich nicht anstecken, falls man selber infiziert ist. Denn schon zwei Tage vor den ersten Symptomen kann man ansteckend sein.

Wo haben Sie die Masken jetzt noch aufgetrieben?
Die hat meine Schwester in unserem Sanitätshaus genäht. In der Krise muss man improvisieren – und vorausschauend denken. So habe ich mir zum Beispiel sofort, nachdem ich von dem Ausbruch des Virus in Wuhan gehört habe, eine Liste mit den Wirkstoffen besorgt, die dort produziert werden. Und dann habe ich jene Medikamente bevorratet, die diese Wirkstoffe enthalten. Nur so sind wir heute bei vielen Medikamenten überhaupt noch lieferfähig. Paracetamol etwa wird ja langsam knapp.

Und jetzt, was tun Sie, um es den Kunden weiter anbieten zu können?
Ich habe mir 50 Kilogramm des Wirkstoffes direkt in China bestellt, die sollen demnächst ankommen.

Und dann?
Dann lasse ich sie von einem deutschen Labor untersuchen. Hat der Wirkstoff die Qualität, die wir brauchen, stelle ich damit in unseren Labors Säfte und Zäpfchen her.

Da hamstern Sie ja ganz schön…
Nein, ich teile den Wirkstoff auch mit anderen Apotheken. Das ist übrigens etwas, was ich in der jetzigen Krise sehr schätze. Die Menschen helfen sich teilweise wieder gegenseitig. Neulich bekam ich zum Beispiel einen Anruf von einer Brennerei. Die wollten uns 60 Liter Ethanol schenken – während andere übrigens Wucherpreise für diesen Rohstoff verlangen, weil man daraus als Apotheker Desinfektionsmittel herstellen kann. Ich fand die Geste so schön, dass ich das daraus von meinen Mitarbeitern hergestellte Desinfektionsmittel später an ein Pflegeheim verschenkt habe. Als das plötzlich in der Zeitung stand, kamen ein Imker und ein Handwerker auf uns zu und haben uns nicht benötigte Schutzanzüge für den Fall der Fälle geschenkt.

Wofür brauchen Sie die denn?
Sie werden lachen – aber ich lege aktuell im Keller ein Lager mit Schutzkleidung wie Brillen, Anzüge und so weiter an. Falls sich einer unserer Mitarbeiter infizierte, dürften die restlichen Mitarbeiter in voller Montur weiter arbeiten. Das ist ganz wichtig, schließlich sind wir eine der wenigen Apotheken, die auch ein steriles Labor haben. Dort können wir Krebsmedikamente oder sterile Augentropfen herstellen. Außerdem stellen wir zum Beispiel niedrig dosierte Herzmedikamente für ganz kleine Kinder her, die die Pharmaindustrie so nicht liefert. Woher sollen die Leute sowas beziehen, wenn Apotheken schließen? Ich lasse meine Apotheke deswegen jetzt sogar an ein Notstromaggregat anschließen, damit wir auch bei einem Stromausfall weitermachen könnten.

Herr Fehske, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr zum Thema: In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Doch was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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