Helden Contra Corona – Erfahrungsbericht #17 „Irgendwie fährt das Leben immer mit uns Achterbahn“

Tammo Kayser Quelle: PR

Die Kaufentscheidung für ein Auto hängt zu 70 Prozent vom Probefahren ab, sagt der Oldenburger BWM-Autohändler Tammo Kayser, ein „Held des Mittelstands“. Wie bleibt er optimistisch, wenn seine Autohäuser nun zu bleiben?

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Tammo Kayser ist geschäftsführender Gesellschafter der BMW Freese-Gruppe mit Sitz in Oldenburg.

WirtschaftsWoche: Herr Kayser, Ihnen gehören fünf BMW-Autohäuser, die derzeit coronabedingt dicht sind. Wie geht es Ihnen?
Tammo Kayser: Mir geht es der Situation entsprechend gut, zu unserem stark reduziertem Handelsgeschäft haben wir ja immer noch ein Werkstattgeschäft. Andere Branchen hat es da härter erwischt. Und mit BMW haben wir einen starken Hersteller, der sich fürsorglich um uns kümmert.

Wie genau?
Der Regionalleiter von BMW hat mich zum Beispiel angerufen und gefragt, wie und wo er unterstützen kann. Der Hersteller möchte hören, was die Händler brauchen. Besonders wichtig in einer solchen Krise ist es, die Liquidität aufrecht zu halten. So werden aktuelle Boni rasch und unkompliziert ausgezahlt. Somit kommt unterstützende Liquidität in den Handel.

Können Sie aktuell überhaupt noch Autos verkaufen?
Ja, aber das Geschäft ist um 80 Prozent eingebrochen. Das ist ein Problem, denn erst das letzte Fünftel des Umsatzes bringt uns nach Abzug aller Kosten in normalen Zeiten in die Gewinnzone.

Warum die Internetkapazität trotz Homeoffice-Ausbreitung ausreicht, man aber bei der Telefonkonferenz mitunter mal ein Besetztzeichen hören wird, erklärt Internetanbieter David Zimmer, ein echter „Held des Mittelstands“.
von Stephan Knieps

Und woher holen Sie aktuell die 20 Prozent Ihres vorherigen Umsatzes, den Sie noch aufrechterhalten können?
Tja, unsere Verkäufer sitzen derzeit alle im Homeoffice und rufen unsere Kunden an. Wir wissen ja zum Beispiel, bei wem bald der Leasingvertrag ausläuft. Dem bieten wir natürlich ein neues Fahrzeug an. Informationen über Zubehör oder PS-Leistung können wir ja auch per Telefon oder Mails geben. Aber es ist natürlich deutlich schwieriger, als in einem Verkaufsraum, in dem aktuelle Fahrzeuge gezeigt werden.

Rechnen Sie mit Nachholeffekten?
Ich wünschte, das könnte ich mit einem klaren Ja beantworten, aber ich weiß es schlicht noch nicht.

Haben Sie im Verkauf etwas umgestellt?
Ja. Unsere Verkäufer bieten jetzt zum Beispiel Videokonferenzen mit den Kunden an. Aber es ist wie gesagt schwierig, dann ein Auto zu verkaufen. Denn die Kaufentscheidung der meisten Kunden hängt zu 70 Prozent davon ab, dass sie sich mal ins Auto reinsetzen, es Probe fahren können. Und auch die Farbgebung von Lack und Interieur und so weiter kann man im Showroom einfach viel besser beurteilen als digital.

Trotzdem bauen Sie die Kundenansprache aus. Wie?
Wir sprechen Kunden jetzt mehr über soziale Medien an. Schon in normalen Zeiten habe ich ein Team von vier Mitarbeitern, die bei Facebook, Xing, Linkedin und Co. aktiv sind. Allein bei Facebook haben wir 51.000 Follower. Die fragen wir jetzt zum Beispiel: Wie findest Du diese Farbe? Was hältst Du von diesem Auto? Wir suchen halt jede Form der Kommunikation.

Sind Ihre Mitarbeiter auch in Kurzarbeit?
Ja, die haben wir angemeldet. Da wir keinen Betriebsrat haben, mussten übrigens alle 240 Mitarbeiter der Kurzarbeit einzeln zustimmen. Und ich bin dankbar, dass nicht ein einziger widersprochen hat. Alle haben unterschrieben. Vielleicht zieht hier ein Teil unserer 5-Sterne Philosophie... wir duzen uns alle und halten täglich alle untereinander kurze Gruppenmeetings ab. In diesen Zeiten ist das Reden mit- und untereinander eben besonders wichtig. Jeder muss wissen, dass er sich auf den anderen verlassen kann.

Und der Chef?
Wir alle schnüren den Gürtel enger, ohne Ausnahmen. Jeder ist ein Teil vom Ganzen.

Was haben Sie in Ihren Werkstätten umgestellt?
Zunächst haben wir alle Filialen voneinander getrennt. Autos werden nicht mehr hin- und hergefahren. Unsere Mitarbeiter bleiben ausnahmslos in der Filiale, in der sie tätig sind. Außerdem haben wir Schichtarbeit eingeführt. Infiziert sich ein Mitarbeiter aus einer Schicht, müsste nur sein Team in Quarantäne.

Was haben Sie gelernt?
Das Wichtigste ist es, ruhig zu bleiben. Alle 48 Stunden rechnen wir den geleisteten Umsatz zum Sollumsatz hoch. Somit haben wir in allen Kostenstellen eine recht genaue Navigation, die uns simuliert, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen. Wir schauen dort schon stolz auf eine tolle Führungsmannschaft, die sich unheimlich ins Zeug legt. Nervosität, das wäre jetzt kontraproduktiv. Was man jetzt braucht, ist gesunde Distanz zur Gesamtsituation. Unser Ziel ist es, alles souverän zu überstehen. Und, wir planen und handeln immer vom erreichten Ziel rückwärts. Das beruhigt und nimmt die Hektik. Irgendwie und irgendwo fährt das Leben immer mit uns Achterbahn. Die Freude am Leben darf man dabei nie verlieren. Machen Sie es gut und bleiben Sie gesund.

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In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Doch was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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