Helden contra Corona – Erfahrungsbericht #20 „Ich wurde als Krisenprofiteur und Abzocker beschimpft“

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Wenig Schlaf und Beleidigungen in sozialen Medien

Donnerstag, 26. März
Das Feedback in der Öffentlichkeit ist durchweg positiv. Wir starten nun auch aktiv mit Werbung und können uns vor Nachfrage kaum retten. Parallel gelingt es uns noch mehr Manufakturen aus Deutschland für die Initiative zu begeistern, obwohl mittlerweile viele Schneidereien auch andere Anfragen haben. Wir bekommen unsere erste große Bestellung einer Klinik. Die Kapazität soll in der kommenden Woche auf rund 2500 Masken pro Tag steigen. Wir müssen im Kunden-Service komplett umdenken und neue Prozesse aufsetzen, da wir solch einen Ansturm nicht gewohnt sind. Was uns besonders freut: Die Idee von der solidarischen Maske geht auf. Viele Menschen spenden und daher bekommen viele Menschen eine kostenlose Maske.

Samstag & Sonntag, 28. & 29. März
Das Wochenende nutze ich um liegengebliebene Aufgaben zu erledigen und mal ohne Telefonate in Ruhe zu arbeiten. Es war eine harte Woche mit wenig Schlaf und im Schnitt rund 13 Stunden Arbeitszeit.

Montag, 30. März
Die Masken-Nachfrage in unserem tschechischen Online-Shop geht zurück. Müssen wir damit auch in Deutschland rechnen? Sollten wir ab jetzt aufpassen, wie viele Masken wir bei unseren Manufakturen in Deutschland in Auftrag geben? Mittlerweile müssen wir auch mit Beleidigungen und Beschimpfungen in sozialen Medien klarkommen. Viele Menschen bezeichnen uns als Krisenprofiteure, via Xing werde ich als Abzocker bezeichnet.

Dienstag bis Freitag, 31. März bis 3. April
In diesen Tagen stellt sich eine Art Normalität im neuen Arbeitsleben ein: neue Manufakturen ansprechen, neue Masken-Designs in unserem Online-Shop launchen, Interviews geben, im Kunden-Service aushelfen, Firmenanfragen beantworten und bedienen. Dazwischen immer wieder die schockierenden, aber auch gleichzeitig überaus dankbaren Nachrichten von Menschen, die sich unsere kostenlose Soli-Maske bestellt haben. Mittlerweile stellen wir 25.000 Masken in der Woche her.

Montag, 6. April
Wir holen uns Hilfe für den Kunden-Service und erweitern das Team durch eine neue Aushilfe. Sie kümmert sich nur um E-Mails und Anrufe. Eine Anekdote aus dem Kunden-Service, welche ich nicht fassen konnte: Ein Kunde beschwert sich darüber, warum seine 50 bestellten (kostenlosen!) Soli-Masken noch nicht da sind. Er droht sogar mit einer Klage, wenn wir nicht sofort die Versandkosten in Höhe von 4,90 Euro zurückerstatten. Unsere Logistik läuft auf Hochtouren: An einem Tag verschicken wir so viele Pakete wie sonst in zwei Monaten. Wir ziehen auch erstmals Bilanz: Bis heute wurden über 3000 Masken gespendet. Wir suchen uns zwei neue Spendenprojekte (ein Altersheim in meiner Heimatstadt Bad Vilbel und ein Pflegeheim über stayhomeandsew.de). Leider steigt die Nachfrage nach den kostenlosen Soli-Masken und wir müssen ein Limit von zwei Soli-Masken pro Bestellungen festlegen.

Dienstag, 7. April
Wir bekommen eine Anfrage von einer großen Fernseh-Show und der Mode-Online-Händler „About You“ zeigt Interesse an unseren Masken. Die Haltung zu „Masken tragen“ in Deutschland scheint sich zu verändern.

Donnerstag, 9. April
Mit der kompletten Umstellung auf die Maskenproduktion konnten wir in den vergangenen Tagen die Umsätze aus dem Stammgeschäft wieder auffangen. Wir mussten daher bis heute auch keinen unserer Mitarbeiter wegen der Coronakrise entlassen. Ganz im Gegenteil: Wir benötigten immer noch Verstärkung für Service, Logistik und Kommunikation. Wir haben auch bis heute keine staatliche Hilfe beantragt. Ich glaube, dass es sehr viel andere Firmen gibt, denen es derzeit schlechter geht als uns. Dennoch schauen wir sehr vorsichtig in die Zukunft und haben sämtliche Investitionen vorerst gestoppt.

Mehr zum Thema
In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Doch was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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