Helden Contra Corona – Erfahrungsbericht #21 „In der Not wird nicht an Sicherheit gespart“

Oliver Winzenried Quelle: PR

Die Wibu-Systems AG bietet Verschlüsselung und Schutz für Software an. Im Interview erklärt Wibu-Gründer Winzenried, „Held des Mittelstandes“, warum er nun mehr Aufträge für die Absicherung von Beatmungsgeräten bekommt.

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Oliver Winzenried ist Gründer und Vorstand von Wibu-Systems in Karlsruhe, die Produktionsanlagen vor Hackerangriffen und Softwareklau schützt. Die Firma beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter und erwirtschaftet mehr als 20 Millionen Euro.

WirtschaftsWoche: Herr Winzenried, viele Maschinen, die Ihre Schutzsysteme absichern, stehen gerade still. Wie schwer ist es, in solch einer Ausnahmesituation Schutzschirme gegen Produktpiraten und Hacker zu verkaufen? Viele Ihrer Kunden haben gerade große existenzielle Sorgen.
Oliver Winzenried: Bei unseren Industriekunden beobachten wir solch eine Zurückhaltung bisher nicht. Viele Industriekunden haben Liefertermine von bereits erteilten Aufträgen sogar vorgezogen. Sie wollten auf Nummer sicher gehen und genug Komponenten auf Lager zu haben, falls wir unsere Lieferfähigkeit verlieren – was aber nicht der Fall ist. Wir verkaufen im Moment deshalb sogar mehr als zuvor. Besonders viele Aufträge bekommen wir gerade von den Medizintechnikherstellern. Unsere Komponenten schützen auch Beatmungsgeräte. Den steigenden Bedarf spüren wir.


Aber heißt es nicht immer: In der Not wird zuerst an der Sicherheit gespart?
Wir machen genau die gegenteilige Erfahrung. Medizingeräte, die weiterhin die strengen Zulassungsverfahren durchlaufen, können nicht auf einmal in abgesteckter Form an Krankenhäuser geliefert werden. Die Hersteller würden riskieren, dass sie ihre Zulassung verlieren. Insbesondere medizinische Geräte mit lebenserhaltenden Funktionen müssen weiterhin zuverlässig arbeiten. Es wäre haarsträubend, wenn die Hersteller jetzt anfangen würden zu sparen.

Wer Auftragseinbußen verzeichnet, fährt auch die Investitionen runter. Wieso Ihre Kunden nicht?
Unsere Kunden kommen aus vielen verschiedenen Branchen: beispielsweise Software, Banking, Industrieautomatisierung, Bildverarbeitung, Automotive oder Medizin. Und die wissen: In der Corona-Krise ist der Schutz vor Nachbauten und Produktpiraterie genauso wichtig wie der Schutz vor Software-Manipulation durch Cyberkriminelle. Die Geräte dürfen nur so arbeiten wie sie zugelassen wurden. Das gilt auch für alle Patientendaten, die direkt vom Gerät in die Patientenakte wandern. Hier darf es keine Abstriche bei der Vertraulichkeit geben. Es wäre schlimm, wenn die Hersteller jetzt nachlässig werden und damit das Risiko eingehen, dass unabsichtlich oder absichtlich Veränderungen an diesen sensiblen Daten vorgenommen werden.

Wie stellen Sie selber in dieser Ausnahmesituation den Betrieb Ihrer Firma sicher?
In China mussten wir unsere Büros sehr früh bereits im Januar schließen. In Deutschland haben wir dann schnell Schutzausrüstungen und Masken gekauft und nach China geschickt. Inzwischen läuft es umgekehrt. Die Chinesen liefern jetzt das Equipment nach Deutschland. Seit drei bis vier Wochen arbeiten 80 Prozent unserer deutschen Mitarbeiter ebenfalls im Homeoffice. Unsere Herausforderung war, die IT-Systeme so umzubauen, dass wir keine Kompromisse bei unseren hohen Sicherheitsanforderungen eingehen müssen. Die Verlagerung vieler Tätigkeiten ins Homeoffice nutzen auch die bösen Buben aus und suchen ständig nach Sicherheitslücken für ihre Cyberangriffe. Darauf haben wir uns gut vorbereitet.

Haben Ihre Kunden nicht das gleiche Problem?
Das stimmt. Viele Mitarbeiter der Kunden unserer Kunden arbeiten jetzt auch im Homeoffice. Der Zugriff auf die Lizenzen der Software im Unternehmensnetzwerk geht nicht mehr so einfach. Daher bieten wir jetzt eine Sicherheitslösung kostenlos aus der Cloud an. Die Zugriffsberechtigungen werden nicht mehr lokal im Computer beim Anwender vor Ort gespeichert, sondern durch Cloud Computing. Damit unsere Lösung schnell und unkompliziert im Homeoffice zum Einsatz kommen kann, geben wir diese Lizenzen ohne Gebühren an unsere Kunden ab. Dadurch vermeiden wir beratungsintensive Setups in ungewohnter Umgebung zu Hause. Das funktioniert genau so einfach wie die neuen Apps zum Einrichten von Web-Konferenzen. Die Kunden im Homeoffice und deren Arbeitgeber brauchen dafür nicht ihre Computer umrüsten.

Wollen Sie damit den Widerstand des Mittelstands brechen, den ja immer noch starke Sicherheitsbedenken von einem stärkeren Cloud-Computing-Einsatz abhalten?
Unsere Kunden können jederzeit zu traditionellen Lösungen zurückkehren. Das ist überhaupt kein Problem.

Wie verkraftet ein viel reisender Manager wie Sie den stark eingeschränkten Aktionsradius?
Im Januar war ich noch in China und Japan. Meine letzte Dienstreise ging Ende Februar zu einer Messe in Nürnberg. Seitdem war ich nicht mehr zu externen Veranstaltungen unterwegs. Wir nutzen sehr intensiv die Web-Meetings, um die Kommunikation intern und extern aufrecht zu halten. Da ich aber nicht weit von der Firma entfernt wohne, bin ich nicht nur im Homeoffice, sondern arbeite regelmäßig auch in meinem angestammten Büro. Es ist schon ungewohnt, wenn ich dort auf den Fluren kaum noch einen Mitarbeiter antreffe.
Wie schwer wiegt der Ausfall der Hannover Messe?
Ich hoffe sehr, dass die Hannover Messe im nächsten Jahr wie gewohnt stattfinden kann. Es hat mich sehr gefreut, dass die Messegesellschaft sehr frühzeitig die Entscheidung getroffen und dadurch eine Hängepartie vermieden hat. Das war vorbildlich. Wir sind jedes Jahr mit vollen Auftragsbüchern von Hannover nach Hause gefahren. Das müssen wir jetzt umstellen und durch verstärktes Online-Marketing mit kurzen Präsentationen auffangen.

Mehr zum Thema
In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Doch was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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