Helden contra Corona – Erfahrungsbericht # 36 Zwölf Unternehmer und ihr Corona-Schicksal

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Ein Glasfaserverleger, den gelockdownte Behörden ausbremsen

Zu den Optimisten gehört eigentlich auch Florian Arens. Eigentlich. Für den geschäftsführenden Gesellschafter der Stuttgarter Econtech GmbH, einer Firma, die das Land mittels Glasfaserleitungen mit schnellem Internet versorgt, war 2020 „trotz allem ein gutes Jahr“. Arens stellte im vergangenen Jahr zu seinen bis dahin 35 Angestellten fünf weitere Mitarbeiter neu ein. Econtech schaffte eine Verdoppelung des Umsatzes auf einen mittleren, einstelligen Millionenbetrag. Probleme gibt es trotzdem, sagt Arens: „Jetzt merken wir langsam was passiert, wenn der Staat der beste Unternehmer sein möchte.“

Mit dem Staat macht der 41-Jährige Geschäfte. Seine Auftraggeber sind neben Netzbetreibern vor allem Zweckverbände und Kommunen. Das Hauptproblem für Econtech: Die Genehmigungsbehörden seien „untergetaucht“, wie Arens das nennt. „Die sind es offenbar nicht gewohnt, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Es dauert einfach deutlich länger, die sind einfach nicht verfügbar.“ Das hatte er bereits im ersten Lockdown im April 2020 festgestellt; offenbar hat sich daran in den vergangenen zwölf Monaten wenig geändert.

Es komme in der Folge zu langsameren Genehmigungen und auch zu verzögerten Zahlungen. Zudem kommen nun auch weniger Projekte auf den Markt, berichtet Arens. Gleichzeitig aber mache ihm der Staat mehr und mehr Vorschriften (Homeoffice-Pflicht, Testpflicht, Quarantäne-Regeln), was ihm die Abwicklung von Projekten „leider teilweise extrem erschwert“. Er sagt: „Ich bin als Unternehmer versucht, viele Bälle in der Luft zu halten. Aber der Staat gibt einem immer noch mehr Bälle in die Hand – und stellt noch ein Bein. Irgendwann ist halt mal gut.“

Durch die staatlichen Vorschriften werde ihm die Arbeit „leider teilweise extrem erschwert“: Econtech-Chef Florian Arens.

In der Konsequenz hat Arens nun beschlossen, eine geplante Expansion zunächst einmal zurückzustellen. „Wir investieren weniger in den Aufbau von Maschinen und Personal. Und das bedeutet auch: Der Glasfaserausbau wird zurückgefahren. Dann dauert es noch länger bis der erwartete Glasfaseranschluss montiert wird, er kommt nicht in zwei Jahren, sondern erst in vier Jahren.“ Arens hat zwar kürzlich erst im südlichen Schwarzwald für seine Firma eine zusätzliche Immobilie gekauft, aber die Entscheidung darüber hatte er bereits im Juli 2020 getroffen. „Heute würde ich nicht mehr so entscheiden.“

Ein anderes Problem aus dem ersten Lockdown hat sich für Arens hingegen gelöst: Seine Monteure, die auf Baustellen in oftmals ländlichen Gegenden unterwegs sind, standen im Frühjahr 2020 vor der Herausforderung, Hotelzimmer beziehen zu dürfen. Das sei mittlerweile keine Schwierigkeit mehr, berichtet Arens. Sein Fazit: „Uns geht es schon noch relativ gut. Aber die Angestrengtheit als Unternehmer, mit zwei kleinen Kindern zu Hause, ohne Erholungsmöglichkeit, mit schwindendem sozialen Zusammenhalt – das ist echt schwierig.“ Der Staat, schließt er, solle „wieder ein paar Schritte zurücktreten und die Leute endlich mal wieder in Ruhe arbeiten lassen.“

Kurse statt Kreuzfahrt 

Besser als vor einem Jahr läuft es auch bei Thomas Tibroni – allerdings nicht in seinem Hauptgeschäft, sondern weil er in der Not auf ein zweites Feld setzte und dabei einen boomenden Markt erwischt: Fernstudien. Hier betreibt der Kölner mit seinen Geschäftsführungskollegen Jörn Michelsen und Fabian Siegberg die Vergleichsportale Fernstudiumcheck.de und Studycheck.de. Das Trio kann sich über ein Wachstum von rund einem Drittel pro Jahr freuen. „In der aktuell unsicheren Lage ist für viele Menschen Weiterbildung wichtiger denn je“, sagt Tibroni. „Und im Homeoffice ist das deutlich leichter als zuvor.“
Das gilt umso mehr in der zweiten und dritten Corona-Welle: Die Zahl der Angebote hat kräftig zugenommen – und damit auch der Beratungsbedarf durch Fernstudiumcheck.de und Studycheck.de. „Erst jetzt ist wirklich allen Bildungseinrichtungen klar, dass sie in großem Umfang Alternativen zum Präsenzunterricht bieten müssen“, so Tibroni.
Geplant hatten die drei Kölner das mal ganz anders. Mit ihrem Vermittlungsportal Meravando setzten sie auf den Boom bei nachhaltigen Kreuzfahrten. Das lief auch gut an, bis der Markt im Februar 2020 innerhalb weniger Tage kollabierte. In der ersten Phase von Corona schlossen immer mehr Länder ihre Häfen. Alle Reedereien mussten ihre Touren absagen. Also schwenkte Meravando um. Die drei Geschäftsführer fuhren die Seite auf ein Minimum runter. Die Computer-Server und die Entwickler arbeiten seitdem für die Bildungsseite. Und weil das Kreuzfahrtportal als fast reiner Digitalbetrieb keine großen Räume, Maschinen oder viele Mitarbeiter braucht, sind die Kosten niedrig. So niedrig, dass Tibroni seit November nicht mal staatliche Hilfen beantragt hat.
In dem Minimalbetrieb arbeitet Meravando heute noch. Denn auch wenn die Reedereien immer wieder neue Touren angesetzt haben, in der Regel mussten die bislang alle abgesagt werden. Die wenigen Reisen, die stattfanden, wie etwa die vom TUI-Konzern angesetzten „Blue Cruises“, bei denen die Ozeanriesen eine Woche über die Meere fuhren ohne unterwegs in einen Hafen einzulaufen, brachten Meravando kein Neugeschäft. „Das passt nicht zu unserer Klientel, denen es nicht nur um die Schiffe, sondern mehr um die Stopps mit den Ausflügen geht“, so Tibroni.
Aufgeben wollen er und seine Kollegen das Kreuzfahrtgeschäft aber nicht. Die Buchungsmaschine ist weiterhin online und nimmt Reservierungen an – wenn auch recht wenige und vor allem für das kommende Jahr. „Doch sobald die Häfen wieder öffnen und das Geschäft Fahrt aufnimmt, sind wir innerhalb von einer Woche wieder in alter Stärke unterwegs“, so Tibroni.

Preis-Gezerre um einen kultigen Pfefferminzlikör

Auch Erlfried Baatz hat nur Probleme, um die ihn andere beneiden. Der geschäftsführende Gesellschafter des Berliner Spirituosenherstellers Schilkin schaut auf die Fotowand in seinem Büro und sagt wehmütig: „Normalerweise bekomme ich jeden Tag fünf bis sechs Fotos von Feiern, Volksfesten oder aus Diskotheken mit unseren Getränken oder Werbeartikeln zugeschickt. Das vermisse ich.“ Die Schilkin-Marke „Berliner Luft“, ein Pfefferminzlikör, ist in Deutschland über die Jahre zum Kult geworden.

Andere Auswirkungen auf Baatz´ Geschäft hat die Pandemie kaum. „Der Außer-Haus-Verkauf ist zwar durch die Schließung der Gastronomie sowie der Diskotheken infolge der Corona-Maßnahmen eingebrochen“, sagt Baatz. „Doch wir konnten den Absatzrückgang größtenteils durch den Lebensmitteleinzelhandel kompensieren.“

So hat Schilkin die Preise für seine Spirituosen zu Jahresbeginn erhöht. Doch nicht alle Händler wollen das mittragen, sagt der Unternehmer. Die Folge: Der Spirituosenhersteller beliefert einige Supermarktketten aktuell nicht. „Man hat mit uns immer gutes Geld verdient“, sagt Baatz. Doch die Preise müssten auch für sein Unternehmen vertretbar bleiben. Er rechnet damit, dass das Gezerre um den Preis noch eine Weile andauern werde. „Wir bleiben aber gesprächsbereit“, signalisiert er.

Vorgesorgt hat der Berliner für den Fall, dass Corona-infizierte Mitarbeiter Quarantäne auslösen und die Produktion lahmlegen könnte. Eine gesamte Monatsproduktion hat Baatz deshalb zusätzlich einlagern lassen, um im Notfall lieferfähig zu bleiben.

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer aber dürften nach der irgendwann überstandenen Corona-Krise bei künftigen Herausforderungen wie der sächsische Catering-Unternehmer Wilfried Hänchen sagen: „Ich habe wohl zu viel erlebt, um nun fassungslos zu sein.“

Mehr zum Thema: Mal entwickeln sich Umsätze anders als geplant, die IT-Probleme sind größer als erwartet oder Fachkräfte Mangelware. Die WirtschaftsWoche porträtiert jede Woche einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Hier geht es zu den Helden des Jahres 2021.

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