Helden Contra Corona – Erfahrungsbericht #9 „Ich appelliere an die Onlinehändler: keine Rabattschlachten!“

Mode-Unternehmerin Renata DePauli: „Die schwierige Zeit beginnt erst danach.“ Quelle: PR

Renata DePauli betreibt den Onlinehandel Herrenausstatter.de. Im Interview spricht die „Heldin des Mittelstands“ über unverkaufte Übergangsjacken, das Rabatt-Dilemma und welche Artikel in Corona-Zeiten gefragt sind.

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Renata DePauli (52) ist Gründerin und Chefin des Mode-Onlineshops Herrenausstatter.de mit Sitz in Garching (ca. 200 Mitarbeiter, 1997 gegründet).

Frau DePauli, die Sonne scheint, der Frühling kommt. Was würden Sie normalerweise jetzt verkaufen?
Renata DePauli: Die Sonne scheint, aber die Luft ist noch kühl, daher kaufen viele Kunden zu dieser Jahreszeit eine Übergangsjacke. In zwei Monaten werden sie darauf allerdings verzichten, da die Temperaturen dann schon weiter gestiegen sein werden. Selbst wenn es also nach Aufhebung der aktuellen Einschränkungen einen Konsumrausch geben sollte: Das ist ein Umsatz, den wir nicht mehr nachholen können.

Sie verkaufen Herren-Mode über das Internet, das fällt eher nicht unter systemrelevant.
Wir verkaufen größtenteils Güter, die man zwar nicht unbedingt braucht, die man aber gerne haben möchte. Mode ist, was man gerne hat und was man gerne zeigt. Aber in Zeiten, in denen man nicht nach draußen kann, gibt es leider viel weniger Gelegenheiten dafür.

Wie spiegelt sich das im Bestellverhalten wider?
Wir erwirtschaften seit etwa zwei Wochen 40 bis 50 Prozent weniger Umsatz.

Wie reagieren Sie?
Als Kundenservice haben wir die Rückgabefrist ausgesetzt; gewöhnlich beträgt diese 30 Tage. Und beim Finanzamt haben wir bereits die Stundung und Vorauszahlungsreduzierung von Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer beantragt.

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von Harald Schumacher

Und innerhalb Ihres Teams?
Wir haben sehr früh reagiert: Zunächst haben wir alle Mitarbeiter, für deren Arbeit keine Präsenz erforderlich ist, ins Homeoffice geschickt. Das sind etwa 30 Prozent. Für die restlichen rund 120 Mitarbeiter, die mit der Ware oder dem Kundenservice zu tun haben, haben wir einen Schichtbetrieb mit zwei Gruppen eingeführt. Falls wir also einen Corona-Fall bekommen sollten, müssten nicht gleich alle in Quarantäne, denn die Mitarbeiter treffen sich nicht. Zwischen dem Schichtwechsel wird das ganze Haus desinfiziert: Umkleiden, Aufzüge, Toiletten, Teeküchen, die Kantine und auch die Tür- und Fenstergriffe.

Wie lange halten Sie so durch?
Das ist für mich die falsche Frage. Ich bin immer positiv, ich möchte das schaffen. Das ist meine Haltung. Es ist ein tägliches Nachjustieren. Ich habe gelernt, dass ich ganz offen mit allen Partnern sprechen muss: mit den Lieferanten, Dienstleistern und natürlich auch mit meinen Mitarbeitern.

Wie reagieren Ihre Lieferanten?
Mit sehr großem Entgegenkommen. Wenn ihnen die Hälfte der Händler wegfallen würden, bleiben sie auf ihrer Ware sitzen. Wir haben nun gemeinsam ein Problem zu lösen: Was macht man mit der Produktion, die schon in die Wege geleitet wurde und die ich vor Monaten bestellt habe? Jetzt ist für die Fashionbranche allgemein die Hauptverkaufszeit. Sobald die Sonne rauskommt, haben die Menschen Bedürfnisse für neue Schuhe und eine neue Jacke. Jetzt haben wir als Händler normalerweise die Chance, unsere Waren auch regulär zu verkaufen.

Also müssen Sie nun die Schuhe und Jacken reduzieren?
Das versuchen wir sehr gering zu halten. Vielen Endverbrauchern ist nicht klar: Reduzierung bedeutet für einen Händler, dass er so gut wie nichts an der Ware verdient. Die Monate März, April und Mai ermöglichen vielen Händlern das Überleben. Wenn wir diese Zeit nun verpassen, häufen sich große Mengen an unverkaufter Ware an. Und was macht der Händler dann, wenn er wieder öffnen darf? Er macht Rabattaktionen.

Es gibt doch laufend Rabattaktionen. Was wäre so schlimm daran?
Die schwierige Zeit beginnt erst danach. Durch die aktuelle Situation bleiben Modeartikel, die wir unter normalen Umständen jetzt verkauft hätten, bei uns im Lager liegen. Gleichzeitig kann der Umsatz, der jetzt verloren geht, nie mehr eingeholt werden. Im Juli beginnen dann bereits die ersten Lieferanten, Herbst-Winter-Ware auszuliefern. Dadurch werden wir zum Herbstbeginn auf überschüssiger Frühlings- und Sommerware „sitzen bleiben“. Das ist ein immenses Dilemma für die Modebranche. Es wird reihenweise Händler treffen und sehr viele Geschäfte werden schließen müssen.

Wie könnte man dieses Dilemma lösen?
Ich möchte an dieser Stelle an die Onlinehändler appellieren, jetzt keine Rabattschlachten mit aktueller Ware zu beginnen. Wenn nur einer der Großen mit Rabatten anfängt, ist es das Aus für viele Kleine.

Zählen Sie sich zu den Kleinen?
Nein, wir sind Mittelständler. Ich liebe die Einzelhandelslandschaft und mache mir etwas Sorgen um unsere Ladenstruktur.

Haben Sie schon staatliche Hilfe beantragt?
Als Mittelständler fühle ich mich in dieser Situation nicht sehr gut betreut. Ich habe Verständnis dafür, dass man derzeit auf keinem Amt irgendjemanden erreicht. Der Ansturm ist riesig und hierbei handelt es sich auch nur um Menschen. Ich finde die Kommunikation allerdings unklar und unstrukturiert.

Konkret?
Die Ansage war, es gebe schnelle und unbürokratische Soforthilfe. Aber wenn was-weiß-ich-wie-viele-Hundertausende auf einmal Soforthilfe beantragen, muss einem doch vorher klar sein, dass man die nicht alle sofort bedienen kann. Und dann darf man das so auch nicht kommunizieren. Bisher ich habe ich auch noch keinen einzigen Händler in meinem Netzwerk gesprochen, der Soforthilfe bekommen hätte. Ausdrücklich ausnehmen von der Kritik muss ich aber den Handelsverband Bayern: Die machen wirklich tolle Arbeit. Sie schicken sehr schnell kurze und strukturierte Mails mit Links zu allen relevanten Anträgen – da bin ich sehr begeistert.

Was ist mit dem KfW-Kredit?
Wir spüren eine große Verunsicherung bei den Hausbanken, da sich täglich die Informationen über die Kreditbedingungen ändern. Diese können von Händlern, die im Saisongeschäft arbeiten und die ihre derzeitigen Ausfälle höchstwahrscheinlich nicht wieder reinholen können, aktuell nicht garantiert werden. Wie sollen die so einen Kredit je zurückzahlen können?

Gibt es denn auch etwas, was Sie in diesen Zeiten außergewöhnlich gut verkaufen?
Ja: Nachtwäsche.

Mehr zum Thema: In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Doch was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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