WirtschaftsWoche: Herr Abromeit, die Indus Holding führt mit rund 20 Mitarbeitern 43 Unternehmen, die zusammen 1,3 Milliarden Euro umsetzen. Wissen Sie, was bei jeder Ihrer Firmen läuft?
Jürgen Abromeit: Ich weiß, was ich wissen muss. Die operative Verantwortung liegt bei unseren Tochterunternehmen. Jedem der drei Indus-Vorstände ist ein gutes Dutzend Töchter zugeordnet. Die Vorstände und unsere Beteiligungscontroller beraten die Unternehmen bei der Strategie, der Finanzierung oder auch bei der Expansion ins Ausland. Ein guter Controller kann bis zu fünf Unternehmen betreuen, mehr geht zeitlich nicht. Das Operative überlassen wir den Managern vor Ort. Die können das sowieso am besten.
Zur Person
Abromeit, 55, ist seit 2012 Vorstandschef der Indus AG. Nach einer Bankkarriere arbeitete er elf Jahre beim Stahlunternehmen Georgsmarienhütte, unter anderem als Finanzchef und Bereichsvorstand. 2008 wechselte er zu Indus.
Das hört man selten von Finanzinvestoren.
Wir sind keine der klassischen Private-Equity-Firmen ...
... die der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering als Heuschrecken bezeichnete, weil sie Firmen kaufen, Geld herausziehen und dann möglichst teuer wieder verkaufen.
Nein, wir kaufen Firmen, nicht um sie nach ein paar Jahren teurer zu verkaufen, sondern, um sie zu behalten. Deshalb übernehmen wir echte Perlen des deutschen Mittelstands. Wir sind froh, wenn die Firmen erfolgreich sind und wir erfolgreiche Geschäftsmodelle weiterentwickeln können.
Wie wollen Sie mit solch einem Kuschelkurs etwas bewegen?
Damit wir uns nicht falsch verstehen – wir kuscheln nicht. Wir reden schon Klartext mit den Geschäftsführern. Das sind allerdings erfahrene, selbstbewusste Manager, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten. Wir ringen intensiv um die richtige Strategie, allerdings immer auf Augenhöhe. Und wir wollen keinen Krawall. Die 8500 Mitarbeiter in unseren Firmen sollen gern Teil der Indus-Gruppe sein. Wir leben davon, dass Mittelständler ein gutes Bild von uns haben, dass sie an uns denken, wenn sie erwägen, ihre Firma zu verkaufen.
Damit berauben Sie sich doch aber der Chance, fette Sanierungsgewinne einzufahren. Sind die gut zehn Prozent Gewinn vom Umsatz vor Steuern und Zinsen wirklich das, womit Sie sich auf Dauer zufriedengeben?
Bei nachhaltigem Wirtschaften wie bei uns sind auch elf oder zwölf Prozent möglich und vertretbar. Dieses Niveau ist unser Ziel bis 2020. Aber von heute auf morgen können wir das nicht erreichen. Wir wollen keine radikalen Einschnitte bei den Kosten. Wir erreichen unser Ziel nur, indem wir gute Unternehmen besser machen und exzellente Unternehmen zukaufen.
Sie kaufen jedes Jahr rund fünf Firmen. Wie lang bleibt Ihre Holding noch so schlank?
Richtig ist, dass wir wachsen. Notwendigerweise erweitern wir unseren Hauptsitz gerade, um sicherzustellen, dass wir auch die nächsten zehn Jahre hier in Bergisch Gladbach östlich von Köln bleiben können. Ein Umzug nach Köln oder nach Düsseldorf ist für uns keine Option.
Sprechen Sie Firmen an, die Sie kaufen wollen, oder arbeiten Sie Bewerbungen ab?
Das Beste ist natürlich, wenn uns ein Eigentümer selbst anspricht. Das nimmt zu von Jahr zu Jahr, weil in fast 35 000 mittelständischen Unternehmen die Nachfolge nicht geregelt ist und weil wir immer bekannter werden. Aber wir suchen auch systematisch nach Firmen, die von der Leistung und dem Produktbereich her zu uns passen. Wir haben einen Wunschzettel voll mit exzellenten Mittelständlern.
Wie viele Firmen stehen darauf?
Über 1000.
Wissen die, dass Sie sie im Visier haben?
Nein, erst wenn wir sie ansprechen. Davor haben sie in aller Regel keine Ahnung.
Und wie sprechen Sie die ahnungslosen Eigentümer an?
Die Kontaktaufnahme sagt viel darüber aus, wie wir ticken. Deshalb geben wir uns da sehr viel Mühe. Einfach einen Standardbrief hinschicken, das geht nicht. Wir überlegen, wo wir mit dem Eigentümer ins Gespräch kommen: bei einem Mittelstandskongress, auf einem Empfang, im Golf-, Lions- oder Rotary-Club, auf einer Messe.
"Ein Unternehmen hat immer auch eine gesellschaftliche Dimension"
Wie schaffen Sie es, dass die Eigentümer ihr Unternehmen an Indus und nicht an einem klassischen Finanzinvestor verkaufen?
Da hilft uns unser guter Ruf. Daran arbeiten wir. Wir sind noch nicht am Ziel.
Was soll das heißen?
Ein gutes Unternehmen zu sein bedeutet viel mehr, als nur gute Gewinne zu erwirtschaften. Ein Unternehmen hat immer auch eine gesellschaftliche Dimension. Wir werden deshalb vom kommenden Jahr an über ökologische und soziale Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit berichten und unsere Unternehmen in den nächsten Monaten von einem neutralen Gutachter bewerten lassen. Dieses Ökoaudit der Gruppe soll 2016 fertig sein. Indus-Aktionäre, die sensibel für solche Themen sind, müssen wissen, dass Indus weder die Erde noch Menschen oder Ressourcen zerstört.
Drängt Sie dazu der Kapitalmarkt?
Natürlich kommen solche Fragen auch vom Kapitalmarkt. Dort sind das inzwischen wichtige Kriterien. Aber der Kapitalmarkt ist nicht der Ursprung. Viele Unternehmen, gerade auch deutsche Mittelständler, haben sich viel früher mit solchen Fragen befasst. Der Kapitalmarkt hat erst später realisiert, was für ein Irrsinn die reine Fixierung auf Shareholdervalue ist, also auf die bloße Steigerung des Aktienkurses. Auch wir sind für Value, aber eben nicht nur für die Aktionäre.
Das klingt arg nach sozialpartnerschaftlichem Süßholzraspeln ...
... ist es aber nicht. Ein Beispiel: Unsere Unternehmen zahlen ausnahmslos ihre Steuern brav vor Ort, in den Kommunen, in denen sie ansässig sind. Wir haben ganz bewusst keine Ergebnisabführungsverträge mit unseren Beteiligungsunternehmen geschlossen und keine Konstruktionen, über die wir Steuererleichterungen realisieren könnten.
Firmen, die nicht in Ihr Werteschema passen, kaufen Sie nicht?
Wir haben sehr genau überprüft, ob wir solche Firmen im Portfolio haben. Wir sind hier sauber und werden sicher keine Firmen kaufen, die das gefährden. Kinderarbeit, Waffenhersteller, Klimakiller – all so etwas wollen und werden wir nicht haben. Sicherlich verbrauchen unsere Firmen Energie. Aber wir messen und veröffentlichen den Klimagasausstoß und arbeiten ständig an Verbesserungen.
Ist die Energiewende Chance oder Belastung für den Mittelstand?
Sicher gab es vorübergehend Belastungen durch den Strompreis. Aber der ist wieder gesunken, und ich sehe die Energiewende eindeutig als Chance.
Sie haben elf Jahre lang für den Stahlunternehmer und Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann gearbeitet, einem Feind der Energiewende. Würden Sie ihm das auch so sagen?
Über Jürgen Großmann, bei dem ich großartige, lehrreiche Jahre hatte, will ich hier nicht sprechen. Allgemein kann ich zu energieintensiven Branchen wie der Stahlindustrie oder den Energiekonzernen sagen: Die haben den Wandel verschlafen und müssen nun mit Notoperationen reagieren. Das wäre nicht nötig gewesen, wenn sie die Weichen rechtzeitig gestellt hätten.
Sie möchten, dass Ihre Unternehmen künftig bis zu zwei Drittel des Umsatzes im Ausland erzielen. Passt das noch zu Indus?
Die Indus Holding bleibt der Inbegriff für soliden deutschen Mittelstand. Wir werden keine ausländischen Unternehmen kaufen. Stellen Sie sich nur einmal vor, wir würden in den USA oder China Unternehmen erwerben. Das würde das ganze Miteinander in der Gruppe, bei den Werten, der Kommunikation und der Bezahlung durcheinanderbringen. Es würde eine andere Indus entstehen, und das wollen wir nicht. Gleichwohl müssen unsere deutschen Firmen teilweise internationaler werden, um sich weltweit zu behaupten.
Sie werben auch um ausländische Investoren. Was hält der Wall-Street-Banker von Ihrem Paket deutscher Mittelständler?
Der deutsche Mittelstand ist inzwischen ein etablierter Begriff an den großen Börsen und gilt mit seiner Innovationskraft und Solidität zunehmend als sexy. Wir bekommen tolle Termine mit Analysten und Investoren. „German Mittelstand“ heißt es anerkennend in London, „Le Mittelstand“ in Paris.