Indus-Chef Jürgen Abromeit Wie man aus Mittelstandsperlen einen Konzern schmiedet

Der Indus-Chef Jürgen Abromeit fügt kleine Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand zu einem Konzern zusammen – mit ungewöhnlichen Methoden.

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Indus-Chef Jürgen Abromeit fügt Perlen des Deutschen Mittelstands zu seinem Portfolio. Quelle: Dominik Pietsch für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Abromeit, die Indus Holding führt mit rund 20 Mitarbeitern 43 Unternehmen, die zusammen 1,3 Milliarden Euro umsetzen. Wissen Sie, was bei jeder Ihrer Firmen läuft?

Jürgen Abromeit: Ich weiß, was ich wissen muss. Die operative Verantwortung liegt bei unseren Tochterunternehmen. Jedem der drei Indus-Vorstände ist ein gutes Dutzend Töchter zugeordnet. Die Vorstände und unsere Beteiligungscontroller beraten die Unternehmen bei der Strategie, der Finanzierung oder auch bei der Expansion ins Ausland. Ein guter Controller kann bis zu fünf Unternehmen betreuen, mehr geht zeitlich nicht. Das Operative überlassen wir den Managern vor Ort. Die können das sowieso am besten.

Zur Person

Das hört man selten von Finanzinvestoren.

Wir sind keine der klassischen Private-Equity-Firmen ...

... die der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering als Heuschrecken bezeichnete, weil sie Firmen kaufen, Geld herausziehen und dann möglichst teuer wieder verkaufen.

Nein, wir kaufen Firmen, nicht um sie nach ein paar Jahren teurer zu verkaufen, sondern, um sie zu behalten. Deshalb übernehmen wir echte Perlen des deutschen Mittelstands. Wir sind froh, wenn die Firmen erfolgreich sind und wir erfolgreiche Geschäftsmodelle weiterentwickeln können.

Wie wollen Sie mit solch einem Kuschelkurs etwas bewegen?

Damit wir uns nicht falsch verstehen – wir kuscheln nicht. Wir reden schon Klartext mit den Geschäftsführern. Das sind allerdings erfahrene, selbstbewusste Manager, die mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten. Wir ringen intensiv um die richtige Strategie, allerdings immer auf Augenhöhe. Und wir wollen keinen Krawall. Die 8500 Mitarbeiter in unseren Firmen sollen gern Teil der Indus-Gruppe sein. Wir leben davon, dass Mittelständler ein gutes Bild von uns haben, dass sie an uns denken, wenn sie erwägen, ihre Firma zu verkaufen.

Damit berauben Sie sich doch aber der Chance, fette Sanierungsgewinne einzufahren. Sind die gut zehn Prozent Gewinn vom Umsatz vor Steuern und Zinsen wirklich das, womit Sie sich auf Dauer zufriedengeben?

Bei nachhaltigem Wirtschaften wie bei uns sind auch elf oder zwölf Prozent möglich und vertretbar. Dieses Niveau ist unser Ziel bis 2020. Aber von heute auf morgen können wir das nicht erreichen. Wir wollen keine radikalen Einschnitte bei den Kosten. Wir erreichen unser Ziel nur, indem wir gute Unternehmen besser machen und exzellente Unternehmen zukaufen.

Sie kaufen jedes Jahr rund fünf Firmen. Wie lang bleibt Ihre Holding noch so schlank?

Richtig ist, dass wir wachsen. Notwendigerweise erweitern wir unseren Hauptsitz gerade, um sicherzustellen, dass wir auch die nächsten zehn Jahre hier in Bergisch Gladbach östlich von Köln bleiben können. Ein Umzug nach Köln oder nach Düsseldorf ist für uns keine Option.

Sprechen Sie Firmen an, die Sie kaufen wollen, oder arbeiten Sie Bewerbungen ab?

Das Beste ist natürlich, wenn uns ein Eigentümer selbst anspricht. Das nimmt zu von Jahr zu Jahr, weil in fast 35 000 mittelständischen Unternehmen die Nachfolge nicht geregelt ist und weil wir immer bekannter werden. Aber wir suchen auch systematisch nach Firmen, die von der Leistung und dem Produktbereich her zu uns passen. Wir haben einen Wunschzettel voll mit exzellenten Mittelständlern.

Die größten Finanzinvestoren
FinanzinvestorenDer Topf- und Besteckhersteller WMF gehört seit Mitte 2012 dem Finanzinvestor KKR. Der amerikanische Eigner war einst Pionier der Idee des Private-Equity-Investors. Die Idee: Firmen mit Wachstum- oder schlummernden Einsparpotenzialen aufkaufen, auf Rendite trimmen und mit Gewinn weiterverkaufen. In der Finanzkrise gerieten die als „Heuschrecken“ verschrieenen Investoren unter die Räder, da sie viele Zukäufe mit Kredit finanziert haben. Unsere Übersicht zeigt, wer bei Investoren am meisten Geld eingesammelt hat, um als Firmenjäger durch die Welt zu ziehen. Quelle: dpa
Platz 10 mit 10,8 Milliarden Euro Volumen:CVC Capital Partners ist eines der führenden internationalen Private-Equity-Unternehmen. Es wurde 1981 gegründet und ist heute mit 19 Niederlassungen und über 130 Investment Professionals in Europa, Asien und den USA präsent. Im Juli 2008 wurde der CVC European Equity Partners V Fonds geschlossen, der auf Platz 9 im Ranking landet. Zu den größten Beteiligungen des Unternehmens gehörte 2005 der Kauf von 86 Prozent der Anteile am Unternehmen SLEC Holdings, der Unternehmensgruppe, die die Formel 1 betreibt. Ein Jahr später erwarb CVC die übrigen 14 Prozent. In Deutschland ist CVC an Unternehmen wie Elster Group, Ista, Flint, Evonik Industries AG (25,01 Prozent seit 2008) und der Metzeler Automotive Profile Systems beteiligt. Quelle: PR
Platz 9 mit 14,7 Milliarden US-Dollar:Nicht ganz so erfolgreich wie der Vorgänger-Fonds, aber immerhin Platz 9 im Ranking. Im Dezember 2008 wurde der Apollo Investment Fund VII mit einem Volumen von 14,6 Milliarden US-Dollar geschlossen. Obwohl die Kapital-Sammelaktion mehr als 16 Monate dauerte, wurde das 15-Milliarden-Dollar-Ziel knapp verfehlt. Quelle: dpa
Platz 8 mit 15,4 Milliarden US-DollarSeit der Gründung der Texas Pacific Group 1992 hat das Unternehmen mehr als 57,5 Milliarden Dollar mit 18 verschiedenen Fonds eingesammelt. Im Ranking sind gleich zwei TPG-Fonds vertreten: Platz 7 belegt der im Jahr 2006 mit einem Volumen von 15,4 Milliarden US-Dollar geschlossene Texas Pacific Group Partners V. Trotz der beeindruckenden Größe der Fonds haben sie nicht immer eine positive Performance hingelegt. So verstieg sich der Fonds in einem Engagement in den Finanzdienstleister Washington Mutual, der 2008 teilweise kollabierte. Gemeinsam mit dem Folgefonds TPG Partners VI verlor TPG Partners V insgesamt 1,35 Milliarden Dollar. Ein bekanntes Investment von TPG in Deutschland: der Armaturenhersteller Grohe. Quelle: REUTERS
Platz 7 mit 16, 2 Milliarden US-Dollar:Mit rund 16 Milliarden Dollar ist Blackstone's Capital Partners VI der siebtgrößte Fonds, der jemals von Finanzinvestoren initiiert wurde. Ursprünglich wollte Blackstone (im Bild Verwaltungsratschef Stephen Schwarzman) das Geld für den neuen Fonds bereits bis Mitte 2010 eingesammelt haben. Das Interesse der Investoren an Private-Equity-Fonds hat nach der US-Hypothekenkrise jedoch nachgelassen, sodass sich der Abschluss der Kapital-Sammelaktion auf Anfang 2012 verschob. Einen Teil des Geldes hat Blackstone in Emdeon, einen drei Milliarden US-Dollar teuren IT-Dienstleister der Gesundheitsbranche investiert. Zu den Großanlegern des BCP VI gehören unter anderem einige große Pensionsfonds. Beispielsweise sind Gelder für die Altersversorgung der kalifornischen Staatsdiener in den Fonds geflossen. Quelle: REUTERS
Platz 6 mit 17,6 Milliarden US-DollarMit diesem Fonds tätigten Henry Kravis (Mitte) und seine Partner einen der größten fremdkapitalgestützten Käufe der Geschichte. Der Kohlberg Kravis Roberts – KKR Fund 2006 war einer der ersten großen Buyout-Fonds der New Yorker Gesellschaft und gemeinsam mit der Texas Pacific Group (heute TPG) akquirierte KKR darüber TXU, Texas größtes Energieunternehmen. Der Deal erwies sich rückblickend als fatal, das Unternehmen stand 2012 vor dem Bankrott. Der KKR Fonds 2006 investiert typischerweise in Konsumprodukte, auch Supermarkt-Portfolios, außerdem im Versicherungswesen, im Kommunikations- und Unterhaltungsbereich wie auch elektronischen Medien und in der Gesundheitsversorgung. 2012 hinkte der einst so furios gestartete Fonds bezüglich der internen Ertragsrate dem Branchenschnitt hinterher, ein neu aufgelegter KKR Fonds in diesem Jahr bekam außerdem nur knapp die Hälfte des Investitionskapitals des 2006er Fonds zusammen. Beobachter schätzten, dass die Lust der Anleger auf Megadeals jenseits der zehn Milliarden Dollar-Grenze in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen hat. Insgesamt konnte KKR in den vergangenen zehn Jahren 51,9 Milliarden Dollar für das Private Equity Geschäft einsammeln. Quelle: REUTERS
Platz 5: 11,2 Milliarden Euro Auch hier lässt sich Geld verdienen: Gesundheitsversorgung gehört zu den fünf Kerninvestmentbereichen der Londoner Kapitalbeteiligungsgesellschaft Apax. Die Firma führt mit dem 2007 in die Investitionsphase gestarteten Apax Europe VII Fund den größten Investmentfonds Europas – und den viertgrößten der Welt. Das Private Equity Portfolio von Apax beinhaltet den Schuh- und Accessoire-Hersteller Cole Haan, die nordamerikanische Versicherungsgruppe HUB International und die General Healthcare Group Großbritanniens größten Krankenhausbetreiber. Bis 2005 gehörte der in den 80ern als kleines Venture Capital gestarteten Kapitalbeteiligungsgesellschaft übrigens auch die Fastfood-Kette Nordsee. Das Unternehmen hatte sie 1997 von Unilever erworben und verkaufte sie dann an den Besitzer der Bäckereikette Kamps. Während Apax mit dem stärksten Fonds-Schluss im Krisenjahr 2008 aufwarten konnte, hatte die Gesellschaft in den vergangenen Jahren auch viele Probleme. Apax Europe VII wies laut dem Washington State Investment Board Ende 2012 nur knapp 2,8 Prozent Ertragsrate auf, zudem herrschte eine hohe Personalfluktuation: Knapp die Hälfte der Händler in verantwortlichen Positionen hatten laut Reuters das Unternehmen zwischen 2007 und 2012 verlassen. 2013 hingegen lag die Ertragsrate bei 4,3 Prozent. Quelle: dpa

Wie viele Firmen stehen darauf?

Über 1000.

Wissen die, dass Sie sie im Visier haben?

Nein, erst wenn wir sie ansprechen. Davor haben sie in aller Regel keine Ahnung.

Und wie sprechen Sie die ahnungslosen Eigentümer an?

Die Kontaktaufnahme sagt viel darüber aus, wie wir ticken. Deshalb geben wir uns da sehr viel Mühe. Einfach einen Standardbrief hinschicken, das geht nicht. Wir überlegen, wo wir mit dem Eigentümer ins Gespräch kommen: bei einem Mittelstandskongress, auf einem Empfang, im Golf-, Lions- oder Rotary-Club, auf einer Messe.

"Ein Unternehmen hat immer auch eine gesellschaftliche Dimension"

Wie schaffen Sie es, dass die Eigentümer ihr Unternehmen an Indus und nicht an einem klassischen Finanzinvestor verkaufen?

Da hilft uns unser guter Ruf. Daran arbeiten wir. Wir sind noch nicht am Ziel.

Was soll das heißen?

Ein gutes Unternehmen zu sein bedeutet viel mehr, als nur gute Gewinne zu erwirtschaften. Ein Unternehmen hat immer auch eine gesellschaftliche Dimension. Wir werden deshalb vom kommenden Jahr an über ökologische und soziale Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit berichten und unsere Unternehmen in den nächsten Monaten von einem neutralen Gutachter bewerten lassen. Dieses Ökoaudit der Gruppe soll 2016 fertig sein. Indus-Aktionäre, die sensibel für solche Themen sind, müssen wissen, dass Indus weder die Erde noch Menschen oder Ressourcen zerstört.

Drängt Sie dazu der Kapitalmarkt?

Natürlich kommen solche Fragen auch vom Kapitalmarkt. Dort sind das inzwischen wichtige Kriterien. Aber der Kapitalmarkt ist nicht der Ursprung. Viele Unternehmen, gerade auch deutsche Mittelständler, haben sich viel früher mit solchen Fragen befasst. Der Kapitalmarkt hat erst später realisiert, was für ein Irrsinn die reine Fixierung auf Shareholdervalue ist, also auf die bloße Steigerung des Aktienkurses. Auch wir sind für Value, aber eben nicht nur für die Aktionäre.

Die 30 Besten des deutschen Mittelstands
Produktion bei Ensinger Quelle: Presse
Sennheiser Produktion Quelle: Presse
Screenshot der Adva-Internetseite Quelle: Screenshot
Schiffsschraube Quelle: PR
Das Pfeiffer Vacuum Firmengebäude Quelle: Pfeiffer Vacuum Pressebild
Frank Blase, der Geschäftsführer von igus. Quelle: Presse
Armaturen in der Fertigung von Hansgrohe Quelle: REUTERS

Das klingt arg nach sozialpartnerschaftlichem Süßholzraspeln ...

... ist es aber nicht. Ein Beispiel: Unsere Unternehmen zahlen ausnahmslos ihre Steuern brav vor Ort, in den Kommunen, in denen sie ansässig sind. Wir haben ganz bewusst keine Ergebnisabführungsverträge mit unseren Beteiligungsunternehmen geschlossen und keine Konstruktionen, über die wir Steuererleichterungen realisieren könnten.

Firmen, die nicht in Ihr Werteschema passen, kaufen Sie nicht?

Wir haben sehr genau überprüft, ob wir solche Firmen im Portfolio haben. Wir sind hier sauber und werden sicher keine Firmen kaufen, die das gefährden. Kinderarbeit, Waffenhersteller, Klimakiller – all so etwas wollen und werden wir nicht haben. Sicherlich verbrauchen unsere Firmen Energie. Aber wir messen und veröffentlichen den Klimagasausstoß und arbeiten ständig an Verbesserungen.

Ist die Energiewende Chance oder Belastung für den Mittelstand?

Sicher gab es vorübergehend Belastungen durch den Strompreis. Aber der ist wieder gesunken, und ich sehe die Energiewende eindeutig als Chance.

Sie haben elf Jahre lang für den Stahlunternehmer und Ex-RWE-Chef Jürgen Großmann gearbeitet, einem Feind der Energiewende. Würden Sie ihm das auch so sagen?

Über Jürgen Großmann, bei dem ich großartige, lehrreiche Jahre hatte, will ich hier nicht sprechen. Allgemein kann ich zu energieintensiven Branchen wie der Stahlindustrie oder den Energiekonzernen sagen: Die haben den Wandel verschlafen und müssen nun mit Notoperationen reagieren. Das wäre nicht nötig gewesen, wenn sie die Weichen rechtzeitig gestellt hätten.

Sie möchten, dass Ihre Unternehmen künftig bis zu zwei Drittel des Umsatzes im Ausland erzielen. Passt das noch zu Indus?

Die Indus Holding bleibt der Inbegriff für soliden deutschen Mittelstand. Wir werden keine ausländischen Unternehmen kaufen. Stellen Sie sich nur einmal vor, wir würden in den USA oder China Unternehmen erwerben. Das würde das ganze Miteinander in der Gruppe, bei den Werten, der Kommunikation und der Bezahlung durcheinanderbringen. Es würde eine andere Indus entstehen, und das wollen wir nicht. Gleichwohl müssen unsere deutschen Firmen teilweise internationaler werden, um sich weltweit zu behaupten.

Sie werben auch um ausländische Investoren. Was hält der Wall-Street-Banker von Ihrem Paket deutscher Mittelständler?

Der deutsche Mittelstand ist inzwischen ein etablierter Begriff an den großen Börsen und gilt mit seiner Innovationskraft und Solidität zunehmend als sexy. Wir bekommen tolle Termine mit Analysten und Investoren. „German Mittelstand“ heißt es anerkennend in London, „Le Mittelstand“ in Paris.

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