




Fast zwei Drittel der mittelständischer Fertiger in Deutschland, Österreich und der Schweiz kennen den Begriff "Industrie 4.0" nicht. Das ergab eine Umfrage unter rund 1000 Unternehmen, die das Analysehaus techconsult im Rahmen seiner Studie "Business Performance Index Mittelstand 2014" erstellt hat. Die Studie liegt WirtschaftsWoche Online exklusiv vor.
Peter Burghardt, Geschäftsführer und Mitgründer des Marktforschungs- und Beratungsunternehmen: „Das ist immer noch ein extrem hoher Anteil." Immerhin hat sich der Prozentsatz im Vergleich zum Juni 2013 um vier Punkte erhöht. Vor einem knappen Jahr wussten noch 68,5 Prozent der mittelständischen Fertiger nicht, was „Industrie 4.0“ ist, obwohl es das Leitthema der weltgrößten Industriemesse in Hannover war.
Stufen der industriellen Entwicklung
Die erste industrielle Revolution datiert man auf das Ende des 18. Jahrhunderts. Gekennzeichnet war sie durch die Einführung mechanischer Produktionsanlagen, die durch Wasser- und Dampfkraft angetrieben wurden. In dieser Zeit wurde auch der erste mechanische Webstuhl entwickelt.
Quelle: Deutsche Bank Research Industrie 4.0 - Upgrade des Industriestandorts Deutschland steht bevor, Stand: Februar 2014
Die Erfindung erster Fließbänder in Schlachthöfen in den USA ist Symptom der zweiten industriellen Revolution. Die Verfügbarkeit elektrischer Energie für Produktionszwecke bedingte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion.
In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts automatisierte sich die Produktion weiter. Von diesem Zeitraum an wurde nicht mehr nur Arbeitsteilung betrieben, sondern ganze Arbeitsschritte wurden von Maschinen übernommen. Die Grundlage für diese Entwicklung war der Einsatz von Elektronik und IT.
Die Industrie 4.0 soll die vierte industrielle Revolution werden. In der "intelligenten Fabrik" sollen Menschen, Maschinen und Ressourcen miteinander kommunizieren. Das jeweilige Produkt soll, gefüttert mit Informationen über sich selbst, seinen eigenen Fertigungsprozess optimieren können.
Auch innerhalb der Befragten gebe es große Wissensunterschiede, betont Burghardt. Besonders groß sind die Wissenslücken bei Firmen mit 100 bis 999 Mitarbeitern. „Vor allem bei Zulieferern von Zulieferern, die weit von den eigentlichen 4.0-Prozessen weg sind, herrscht noch viel Unwissen", beobachtet Burghardt.
Was bedeutet Smart Factory?
In der intelligenten Fabrik tauschen Menschen, Maschinen und Ressourcen miteinander Informationen aus. Sie kommunizieren mittels Funksender, Datenwolken im Internet oder im Intranet der Fabrik. Die Produktionsanlagen haben Diagnose- und Reparaturfähigkeiten. Die intelligente Fabrik organisiert sich damit selbst.
Die Produktion soll flexibler werden. Der ständige Datenaustausch soll dazu führen, dass die Maschinen stets optimal ausgelastet sind. Kurzfristige Änderungen in der Nachfrage oder Ausfälle in der Wertschöpfungskette werden rasch kompensiert. In der Industrie 4.0 organisieren sich einzelne Fertigungslinien selbständig bedarfsgerecht. Fällt eine Maschine in dieser Linie aus, organisiert sich die Fertigung über einen alternativen Weg selbständig neu. Ändern sich etwa die Bestellungen oder die Mengen verfügbarer Rohstoffe, passen die Anlagen die Fertigung automatisch an die neuen Gegebenheiten an.
Weil Auftraggeber und Auftragnehmer ständig online Daten austauschen, können Kunden auch kurzfristig Änderungswünsche eingeben. Außerdem können individuelle Kriterien und Kleinserien bis hin zu Einzelstück schnell und kostengünstig realisiert werden.
Dabei bieten miteinander vernetzte Maschinen und Fabriken große Chancen für neue Dienstleistungen rund um Wartung und technischen Support, die Mittelständler ihren Kunden anbieten könnten. Bei den größeren Fertigern mit über 1000 Beschäftigen kennt den Begriff schon fast jeder zweite. Interessanterweise scheinen sich auch die ganz kleinen Betriebe mit bis zu 99 Mitarbeitern mehr mit der Industrie der Zukunft zu befassen. Dort wissen immerhin 40 Prozent über "Industrie 4.0" Bescheid.
Unter den verschiedenen Branchen ist der Kenntnisstand bei den Anlagen- und Maschinenbauern mit 44 Prozent besonders hoch. Am wenigsten wissen Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren mit dem Begriff anzufangen. Dort sind es nur 32 Prozent.
Einige Firmen haben schon konkrete Erfahrung mit Vernetzung von Anlage und Systemen. Umfassende Vernetzung ist am häufigsten bei Firmen aus den Branchen Elektrotechnik und High-Tech (41 ), Kosmetik (40 %) und Pharma (38 %) zu finden. Teilweise vernetzte Anlagen und Systeme sind relativ häufig bei Holzverarbeitung und Möbelindustrie (54 %), Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren (46 %) und Nahrungsmittel (47 %) zu finden.