Innovativer Mittelstand Nanogate ist oberflächlich aus Prinzip

Quelle: imago images

Nanogate verpasst Dingen High-Tech-Oberflächen und damit oft ganz neue Eigenschaften. Kunden sind zum Beispiel Auto- und Flugzeughersteller. Nanogate ist buchstäblich überall.

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Ralf Zastrau marschiert durch die rund 3000 Quadratmeter große Halle, als er neben einem Reinraum stehen bleibt, verschluckt das tiefe Brummen fast seine Worte. Er hält ein kleines, graues Spülbecken in der Hand. „Es mag zwar aussehen, als wäre das hier Metall“, erklärt der Geschäftsführer von Nanogate über den Lärm hinweg. „Aber eigentlich ist es beschichteter Kunststoff.“ Zum Beweis klopft er fest auf die Spüle, es klingt dumpf und hohl.

Kunststoff, der wie Metall aussieht. Das ist einer der Tricks, die das Unternehmen Nanogate aus Neunkirchen im Saarland so erfolgreich machen: Dank der speziellen Eigenschaften, die Nanogates Chemie mitbringt, sieht Plastik auf einmal nicht nur aus wie Edelstahl, es ist auch genauso resistent gegen Chemikalien und kann zusätzlich sogar lichtdurchlässig sein. Auf diese Art beschichtete Produkte sind leichter als massives Metall und mit weniger Energieaufwand herzustellen, die Methode ist dabei deutlich umweltschonender als sonst übliche Verfahren, bei denen Giftstoffe entstehen.

Nanogate verpasst Material nicht nur neue Oberflächen, die Saarländer geben Wertstoffen gleich ganz neue Eigenschaften. Auf diesem Feld gehören sie inzwischen zu den Weltmarktführern. Beschichtungen des Konzerns sorgen dafür, dass Autohersteller hochglänzende B-Säulen aus leichtem Kunststoff verbauen können, dass Schmutz an Waschbecken abperlt oder Piloten freie Sicht auf den Himmel haben, weil Cockpitscheiben nicht beschlagen. Oberflächen von Nanogate sind besonders kratzfest oder schirmen vor elektromagnetischer Strahlung ab. „Viele Menschen haben schon einmal eine unserer Technologien benutzt – ob zu Hause, im Auto oder Airbus“, sagt Vorstandsvorsitzender Zastrau.

Mit seinen Lösungen ist Nanogate inzwischen in fünf Ländern aktiv. 186 Millionen Euro Umsatz machte das Unternehmen 2017, dieses Jahr sollen es mehr als 220 Millionen werden. „Wir haben durchschnittlich eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent im Jahr erreicht“, erklärt Zastrau. An zwölf Standorten beschäftigt er mehr als 1500 Mitarbeiter.

Der technikbegeisterte Zastrau machte nach der Schule eine Lehre zum Industriekaufmann. Danach studierte er   Wirtschaftsinformatik und Business Administration. Und er kannte ein paar begabte Chemiker. Als der 53-Jährige das Unternehmen vor zwanzig Jahren mit seinen Freunden als Spin-Off der Saarländischen Universität gründete, war der Erfolg von Nanogate noch nicht abzusehen. Die Arbeitsteilung war klar: Zastrau brachte den Businessplan, die anderen das chemische Know-How.

Erstes großes Projekt: Die Kumpels entwickelten gemeinsam mit dem Sanitärriesen Duravit eine Hochglanz-Beschichtung für Keramik, an der Schmutz abperlt. Bis heute wendet Duravit diese Technik auf Spülbecken oder Toiletten an.

Von der Uni zum Konzernchef: Für Zastrau dürfte ein Traum wahr geworden sein. Darüber zu sprechen scheint ihm irgendwie unangenehm zu sein. Er fährt sich durch die Haare, fängt an, verlegen zu lachen. Der Mann spricht viel lieber über seinen Konzern.

Bis heute arbeiten die Nanogate-Entwickler im Grunde noch so wie das Gründerteam vor zwei Jahrzehnten beim Duravit-Projekt: Kunden können mit einer wagen Idee zu Nanogate kommen. Dann tun sich Designer, Chemiker und Ingenieure zusammen. Nanogates Standorte sind dabei alle auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert: So liefert der eine den Entwurf, der andere das Material, schließlich kümmert sich der letzte um das eigentliche Beschichten. „Integriertes Systemhaus“ nennt Chef Zastrau diese Unternehmensstruktur. „Sie ist unser großer Vorteil: Wir können Kunden von Anfang bis Ende begleiten, und sie haben dabei immer nur einen Ansprechpartner für alle Belange.“

Zastrau öffnet eine schalldichte Tür. Dahinter liegt auf einem Tisch ein schwarzes Stück Kunststoff, ein rechteckiger Klotz, etwa zwei Zentimeter dick. Seine Oberfläche hat kleine Hügel und Dellen. Zastrau legt seinen Finger auf eine der Dellen, blaue Dioden leuchten auf – das Ding ist druckempfindlich.

Der stolze Unternehmer hält nicht weniger als die Zukunft in der Hand: Smart Surfaces – intelligente Oberflächen, Technik und Design in einem. „Ein Milliardengeschäft“, meint Zastrau. In Autos könnten Sensoren damit direkt in die Karosserie, Touchscreens in Spiegel oder Windschutzscheiben eingebaut werden – ohne zusätzliche Elektronik. „Wer hier die zündende Idee hat, wird den Markt revolutionieren.“

Um vorne mitzuspielen steckt der Konzern jedes Jahr 20 Millionen Euro in die Forschung. Wie das erste erfolgreiche Produkt seines Unternehmens, will Zastrau auch hier beweisen, dass Oberflächen viel mehr können, als nur schön auszusehen.

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