Interview Bernd Reifenhäuser „Der Maskenbedarf wird sich über Vorkrisenniveau einpendeln“

Bernd Reifenhäuser Quelle: Presse

Der Troisdorfer Maschinenbauer Reifenhäuser fertigt Anlagen, die virensicheren Vlies für Masken produzieren. 2020 explodierte die Nachfrage – und jetzt? Fragen an den geschäftsführenden Gesellschafter Bernd Reifenhäuser.

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Herr Reifenhäuser, in einem Satz: Wie ist das Coronajahr für Sie gelaufen?
Das Coronajahr war für uns in vielerlei Hinsicht ein sehr herausforderndes Jahr – wirtschaftlich aber glücklicherweise trotzdem erfolgreich.

Vergangenes Jahr erlebten Sie eine ungeahnte Nachfrage nach Maschinen, die sogenannte Meltblown-Vliese herstellen: filternde Mikrofasern, die Viren aus der Atemluft abfangen und für medizinische Schutzmasken benötigt werden.

Ja, das war eine Ausnahmesituation, die so nicht vorhersehbar war. Wir waren aber natürlich froh und hochmotiviert, einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisten zu können. Deshalb haben wir einerseits die Lieferzeiten für unsere Meltblown-Anlagen signifikant verkürzt und gleichzeitig unsere eigenen Versuchsanlagen in einen 24-Stunden-Dauerbetrieb versetzt, um selbst Meltblown-Vlies produzieren zu können.

Woher kamen die Abnehmer für Meltblown-Maschinen? Im Frühjahr 2020 gab es praktisch noch keine großen FFP2-Maskenhersteller aus Deutschland. Hat sich das mittlerweile geändert?
Wir haben Anfragen aus der ganzen Welt erhalten – insbesondere aus Ländern, die keine lokalen Fertigungskapazitäten hatten und nach dem Abriss der Lieferkette aus Asien von der Versorgung mit Schutzmasken abgeschnitten wurden. Diese Situation hatten wir in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland. Mittlerweile wurden hierzulande mit Hilfe von staatlichen Subventionen wieder lokale Fertigungen aufgebaut, sodass im erneuten Krisenfall eine autarke Versorgung möglich ist.

Reine Meltblown-Anlagen waren für Reifenhäuser bislang ein Nischenprodukt, zwei bis drei der Anlagen verkauften Sie pro Jahr. Den Großteil des Umsatzes spielten Maschinen ein, mit denen sich Vliese für Windeln oder Damenbinden herstellen ließen. Wie ist es heute – hat sich das Gewicht verschoben?
Der enorme Auftrags-Peak für Meltblown-Anlagen wird sich sicherlich nicht auf diesem Niveau fortsetzen. Aber wir spüren einen Trend zum Aufbau strategischer Fertigungskapazitäten für sicherheitskritische Produkte, wie Masken und andere Schutzbekleidung. Es ist ein Bewusstsein dafür entstanden, dass globale Lieferketten in Krisenzeiten auch ein Risiko darstellen. Vor diesem Hintergrund findet tatsächlich eine leichte Verlagerung statt. Die Maske ist nur ein Beispiel von Produkten, die trotz höherer lokaler Fertigungskosten aus strategischen Gründen wieder in Europa hergestellt werden. Dabei sind garantierte Abnahmemengen für lokale Produzenten essentiell, um auch langfristig wirtschaftlich produzieren zu können. Das ist der Preis für eine sichere Versorgung.

Die Corona-Lage ist nun wieder eine andere: Rund die Hälfte der Deutschen ist mindestens einmal geimpft, vielerorts fallen Inzidenzen und Beschränkungen. Bricht das Maskengeschäft wieder ein?
Der Maskenbedarf wird mit dem sukzessiven Wegfall der Tragepflicht zurückgehen. Wir gehen aber davon aus, dass er sich langfristig über Vorkrisenniveau einpendeln wird, da viele Menschen die Maske als Selbstschutz weiterhin tragen werden, zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Großveranstaltungen. Dies kennen wir bereits aus vielen asiatischen Ländern, wo das Tragen einer Schutzmaske in Ballungsräumen völlig normal ist und als Schutz vor Infektionskrankheiten, wie der jährlichen Grippe, dient. Mit der zunehmenden Urbanisierung nimmt der Hygienebedarf weltweit stetig zu – nicht nur für den persönlichen Schutz oder in der Medizin, sondern insbesondere auch im Bereich Lebensmittelsicherheit. Dort schützen Kunststofffolien Nahrungsmittel, ermöglichen eine längere Haltbarkeit und sparen so Ressourcen und CO2 ein.



Im Herbst sind Bundestagswahlen. Was wünschen Sie sich von der Politik?
Die Coronakrise hat uns gezeigt, dass – neben den vielen Vorteilen einer globalisierten Welt – zum Teil auch fragile Lieferketten entstanden sind, die einem Stresstest nicht standhalten. Große Fertigungsanlagen können nicht binnen weniger Wochen geplant und in Betrieb genommen werden, wenn plötzlich Masken, Desinfektionsmittel oder Intensivbetten benötigt werden. Dieser Erkenntnis sollten auch nach der Krise Taten folgen, um unkalkulierbare Abhängigkeiten zu vermeiden. Eine strategische Förderung systemrelevanter Produktionskapazitäten – sowohl national wie auf EU-Ebene – wäre hier ein Weg zu mehr Versorgungssicherheit, der gleichzeitig die Wirtschaft stärkt und Arbeitsplätze schafft.

Mehr zum Thema: Die Gesundheitsminister wollen den Impfzentren ein neues Konzept verpassen. Aber werden sie zur Bekämpfung der Pandemie noch benötigt? Oder sind sie bald überflüssig? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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