Investoren Retter aus Fernost

Seite 3/4

Auf Forderungen verzichtet

Der Austausch zwischen China und dem in Bielefeld ansässigen Unternehmen findet primär bei Telefonkonferenzen und E-Mail-Kontakt statt. Quelle: REUTERS

Drei Jahre später, 2008, schlug die Weltwirtschaftskrise voll auf die Textilindustrie durch, die verarbeitenden Betriebe verschoben Investitionen in neue Geräte. Während andere Unternehmen in Deutschland noch über wirtschaftliche Probleme klagten, handelte Shang Gong bei Dürkopp schon. „Firmen in China sind direkt oder indirekt staatlich gesteuert, deswegen musste das durch die entsprechenden Gremien“, sagt Heer. „Dennoch haben sie mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Geradlinigkeit agiert.“

Schnell sorgten die neuen Eigentümer für frisches Kapital. Zu Details möchten sich die Chinesen nicht äußern. Zudem verzichtete Shang Gong auf Forderungen in Millionenhöhe gegen Dürkopp Adler. Der Geschäftsbereich Fördertechnik (Transport- und Sortieranlagen für hängende Bekleidung) wurde an das österreichische Unternehmen Knapp verkauft.

Gute Zusammenarbeit

Seit der Rettung agieren die Chinesen wenig auffällig. Min Zhang, der Vorstandsvorsitzende von Shang Gong, leitet den Aufsichtsrat von Dürkopp. Als „geduldigen, sachlichen Mann, westlich orientiert“, charakterisiert Betriebsratschef Klaus-Jürgen Stark seinen Aufsichtsratschef. Die Sitzungen des Gremiums finden mal in Deutschland, mal in China statt. Dürkopp-Finanzchefin Ying Zheng sitzt in Shanghai, der Kontakt mit Bielefeld läuft über Telefonkonferenzen und E-Mails. Im Vorstand wird Englisch gesprochen; Dürkopp bilanziert nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS.

Die chinesischen Manager sind in Bielefeld kaum greifbar. „Man kann auch nicht mehr wie früher bei Schaeffler einfach mal zum Telefonhörer greifen, um Probleme zu besprechen“, sagt ein Mitarbeiter.

Die Chinesen ließen ihm weitgehend freie Hand, sagt Vorstandschef Heer. Die strategische Ausrichtung besprechen beide Seiten gemeinsam. Einmal ist Heer aber mit seinen Eignern aneinandergeraten. „Die Chinesen wollten mit uns unbedingt ins Mengengeschäft einsteigen, wo sich schon 90 Prozent der Wettbewerber tummeln“, sagt Heer, der Dürkopp Adler wegen der Differenzen zwischen 2006 und 2009 den Rücken kehrte. Dann holten die Chinesen ihn zurück, weil sie merkten, dass ihre Idee nicht funktionierte. Inzwischen setzt Dürkopp vorwiegend auf hochautomatisierte Nähmaschinen, die nur wenige Wettbewerber anbieten und die bis zu 50.000 Euro kosten.

Extreme Bedingungen

Diese Maschinen sind der ganze Stolz von Finanzmanager Kottmann. In der Folterkammer, wie sie bei Dürkopp heißt, ist er in seinem Element. Hier testet Dürkopp bei Temperaturen von mehr als 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit die neu entwickelten Nähmaschinen unter extremen Bedingungen. Sie müssen drei Monate lang nonstop laufen bei Temperaturen, wie sie in Südostasien herrschen. „Nur wenn sie die Folterkammer überstehen, sind sie gut genug für die Produktion“, sagt Kottmann.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%