Jack Wolfskin, North Face & Co. Mit Merinowolle zur Milliardenmarke

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Wolle statt Kunststoff

Bis 2011 war die Outdoormarke aus Deutschland eine Ikone, dann kaufte Blackstone das Unternehmen. Von da an ging’s bergab. Der Finanzinvestor bürdete Wolfskin die Schulden der 700 Millionen Euro schweren Übernahme auf, die Last erdrückte die Firma beinahe. Gleichzeitig schmolzen die überzogenen Wachstumspläne dahin wie Schnee in der Sonne. Viele Kunden waren das Tatzen-Logo leid; als Wolfskin flächendeckend in Fußballstadien warb, litten Image und Exklusivität. Erst im vergangenen Jahr sorgten die Hedgefonds HIG, Sankaty und CQS als Neueigner für einen Schuldenschnitt und schossen frisches Kapital nach. Sie lassen Chefin Harris-Jensbach mehr Luft. Die Neue bemüht sich um ein klareres Profil und geht auch im Marketing neue Wege. Kürzlich tauchte Wolfskin im Hollywood-Streifen „Zwischen zwei Leben“ auf. Statt im TV wirbt die Marke verstärkt online. Und kooperierte gar mit Mode-Ikone Versace.

Dennoch hat Wolfskin weiter einen schweren Stand, vor allem im Handel. Im internen Ranking der Lieferanten der beiden großen Sporthandelsverbände Intersport und Sport 2000 ist die Tatzenmarke kräftig abgerutscht. Auch bei Globetrotter ist sie längst nicht mehr in allen Kaufhäusern vertreten. Die Handelsketten trauen der Marke offenbar noch immer keine Einzigartigkeit zu. Das Thema Nachhaltigkeit etwa hat Wolfskin längst nicht exklusiv. So profiliert sich in Deutschland seit Jahren Antje von Dewitz mit ihrer Marke Vaude als Ökoqueen.

International gilt für viele die kalifornische Marke Patagonia als das Maß der Dinge. Der charismatische Gründer Yvon Chouinard, ein leidenschaftlicher Kletterer, Fliegenfischer und Surfer, scheut sich nicht vor politischen Statements. Gerade erst verklagte der Konzern US-Präsident Donald Trump, weil der Naturschutzgebiete drastisch verkleinert. Dazu spendete das Unternehmen Patagonia, das geschätzt 700 Millionen Dollar Umsatz erzielt, in den vergangenen 30 Jahren 90 Millionen an Umweltschutzorganisationen, ist kämpferisch und unbequem – das kommt an bei der jungen Klientel. Genau wie das Bier Long Root Ale, das Patagonia in Portland brauen lässt: „Sie haben den Spagat aus Glaubwürdigkeit und Kommerzialität sehr gut hinbekommen“, lobt ein Konkurrent.

In diese Phalanx einzubrechen ist schwer. Reicht Öko allein nicht aus, bräuchte es zumindest eine eigene Geschichte, eine so originelle wie glaubwürdige Herkunft, um sich im verschärften Wettbewerb zu behaupten. Doch anders als Konkurrenten wie Mammut mit seiner – inzwischen verkauften – Seilerei oder Salewa, in München gegründet als Sattler und Lederwaren-Hersteller, hat Wolfskin an Patina nicht viel zu bieten.

Einfacher hat es da, wer seinen Wurzeln treu bleibt und es schafft, neue Produktlinien daraus schlüssig zu erklären. Ortovox aus Taufkirchen etwa gelingt das. 1981 als Hersteller für Suchgeräte gegründet, mit denen man Lawinenopfer finden kann, weitete die Firma ihr Angebot später auf Bekleidung aus. Die, sagt Geschäftsführer Christian Schneidermeier, sei schließlich auch sicherheitsrelevant. Doch statt auf die damals angesagte Kunstfaser setzten die eigensinnigen Bayern auf Wolle, eine völlige Nische.

Fiel es anfangs schwer, den Handel davon zu überzeugen, profitiert Ortovox mit stetem Wachstum heute von seiner Standhaftigkeit: Wolle als Biomaterial für Sportkleidung ist gerade schwer angesagt – und noch leichter zu erklären als eine neue Super-Membran. Das macht die Taufkirchner zwar nicht immun gegen Branchendruck. VF-Zukauf Icebreaker etwa will mit Merinowolle zur Milliardenmarke werden. Doch Schneidermeier lässt sich nicht Bange machen: „Wir wollen nicht auf Teufel komm raus möglichst schnell wachsen, sondern auch in 30 Jahren noch Skitourengeher ausrüsten.“

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