Kampf gegen Korruption Diese Fehler machen Mittelständler

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Die fünf typischen Denkfehler

1. "Ich kenne mein Unternehmen doch"

Vor allem in Unternehmen, in denen der Chef zugleich der Eigentümer ist, gibt es viele Vorbehalte gegenüber Compliance-Systemen. „Viele Chefs sehen darin einen Misstrauensbeweis gegenüber ihren Mitarbeitern“, sagt Stefan Behringer, Professor am Institut für Compliance im Mittelstand (ICM) an der privaten Nordakademie in Elmshorn bei Hamburg. „Dabei verlangen viele Mitarbeiter nach Orientierung.“

Andere Geschäftsführer halten es schlicht für unnötig, ein Regel- und Kontrollsystem zu errichten. Schließlich, so meinen sie, kennen sie ihr Unternehmen in- und auswendig. Doch mit jedem Expansionsschritt verliert dieser Satz an Wahrheit. Wer Unternehmen zukauft oder sich für ein Geschäft im Ausland neue Partner sucht, verliert damit automatisch ein Stück Kontrolle. „In der Unternehmenszentrale ist dann alles wie immer. Aber das gilt eben nicht für das ganze Unternehmen“, warnt Berater Degitz.

Was das heißt, bekam das Thüringer Unternehmen Funkwerk zu spüren. In Algerien witterte der Funk- und Sicherheitstechnikanbieter das große Geschäft – und verstrickte sich in einen großen Wirtschaftsskandal.

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2. "Da läuft's so gut, da ändern wir nichts"

Oft lassen sich die Chefs vom Erfolg der Mitarbeiter blenden. Dabei wäre ein kritischer zweiter Blick gerade bei herausragenden Ergebnissen oft angebracht. Doch in der Realität „ zeichnet der erfolgreiche Geschäftsführer seine Spesenrechnungen immer selbst ab, und niemand kontrolliert das“, sagt Berater Degitz. Fehlende Kontrollen seien eine Einladung zum Missbrauch. „Das ist wie mit den Schwarzfahrern in der Straßenbahn“, sagt Degitz.

So musste ein Unternehmer feststellen, dass sich sein Geschäftsführer in Belgien über Jahre aus der Firmenkasse bedient hatte. Der Manager hatte sich nicht nur einen zweiten Luxusdienstwagen und ein höheres Gehalt genehmigt, sondern auch Möbel für die eigene Wohnung auf Rechnung des Unternehmens gekauft. Die ließ er auch noch von der Reinigungskraft des Unternehmens putzen. Verdacht schöpfte niemand. Seine Zahlen stimmten schließlich.

Entdeckt wurde der Fall erst, als das Unternehmen ein Compliance-System einrichtete und zum ersten Mal alle Auslandsaktivitäten systematisch prüfte. Der Manager in Belgien hatte 1,2 Millionen Euro Schaden verursacht. Mit Rechnungen der Anwälte und Reisekosten, die für die Aufarbeitung des Falls nötig waren, stieg die Summe auf 1,8 Millionen Euro.

„Das ist der typische Fehler“, sagt Elmar Schwager, Geschäftsführer der Beratung The AuditFactory in Bietigheim-Bissingen, der den Fall betreute. „Man verlässt sich auf den Erfolg des Managers und kontrolliert diesen nicht richtig.“

3. "Wir sind so klein, das fällt keinem auf"

60 Prozent der deutschen Manager sind der Meinung, dass die deutschen Behörden Fälle von Bestechung oder Korruption entschlossen verfolgen. Doch die Verantwortlichen kleinerer Unternehmen können sich oft nicht vorstellen, dass auch sie zur Zielscheibe von Ermittlungen werden können. Dabei kommen Wirtschaftsverbrechen bei Mittelständlern und Selbstständigen genauso häufig vor wie bei börsennotierten Konzernen.

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BMW Quelle: dpa
DM-Tüte Quelle: dpa
Pizza Quelle: dpa
Aldi-Markt-Schild Quelle: dpa
Otto-Schild Quelle: dpa
VW-Logo Quelle: AP
Automobil-Herstellung Quelle: dpa

Besonders weit reicht der Aufklärungsdrang der Staatsanwaltschaft Kiel. Sie ermittelt derzeit wegen Korruption gegen einen Schulfotografen, der Mitarbeitern von Kindergärten und Schulen Spenden oder Geschenke angeboten hatte, um im Gegenzug einen Auftrag zu bekommen. Geschenke vor Abschluss eines Vertrags gelten jedoch schnell als Bestechung. Nach Angaben des Bundeskriminalamts gibt es bundesweit mehr als 1000 Verdachtsfälle gegen Schulfotografen, auch in Nordrhein-Westfalen und Bayern.

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