Kathrein Eine Mittelstandsikone in der Existenzkrise

Antennenbauer Kathrein: Mittelstandsikone in der Existenzkrise Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

Kathrein galt lange als Hidden Champion. Nun kämpft der Juniorchef gegen den Niedergang des Antennenbauers und die Konkurrenz aus China.

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Anton Kathrein steht aufrecht. Sein Händedruck ist fest. Als wolle er seine Entschlossenheit physisch demonstrieren. Die Entschlossenheit, das Ruder herumzureißen. Der Familienbetrieb, den sein Großvater einst gründete, soll nicht untergehen. Diese Entschlossenheit erstaunt, wirkt der 33-Jährige auf den ersten Blick doch recht jugendlich. Schelmisch ist das Lachen des Mannes geblieben, der gerade um die Existenz des Familienerbes und Tausender Mitarbeiter fürchten muss.

Es ist nun fünf Jahre her, dass Anton Kathrein, damals frisch von der Uni, den Chefposten beim gleichnamigen Elektronikunternehmen übernahm. 1919 hatte sein Großvater den Betrieb gegründet. Der Vater baute den Antennenbauer zum Hidden Champion aus. Nichts konnte den Erfolg dämpfen, so schien es. Kathrein stand für Hightech made in Germany, und der Senior, als Patriarch alter Schule, ließ viele an seinem Erfolg teilhaben. 1800 Arbeitsplätze bot er zeitweise allein in Rosenheim. Das Eisstadion trug seinen Namen. Die besten Abiturienten der Stadt belohnte er mit einem Geldgeschenk über 500 Euro. Und als seine Lieblingskneipe Zur historischen Weinlände in wirtschaftliche Not geriet, übernahm er den Laden. Manche nannten ihn deshalb den „König von Rosenheim“.

Als der Sohn erbte, sprach alles für eine geruhsame Verwaltung des Imperiums in dritter Generation. Das verdeutlichen schon die Spitznamen, welche die gleichnamigen Inhaber intern verpasst bekamen. Nach dem Gründer AK1 und Antons Vater AK2 kam nun eben der Junior AK3 ans Ruder. Mehr als eine Milliarde Euro Umsatz machte das Haus laut AK2. Die auskömmliche Rendite musste man sich dazudenken. In der Region galt Kathrein als sicherer Arbeitgeber.

Doch dieses Bild hatte wenig mit der Realität zu tun. Insider berichten, dass Anton Kathrein junior ein chaotisches Unternehmen geerbt hatte. Eine Liquiditätsplanung gab es nicht. Den Mitarbeitern in der Produktion fehlte der Überblick über die Bestellungen. Auf mehr als eine Milliarde Umsatz kam man nur, wenn man die Geschäfte der Kathrein-Firmen untereinander hinzuzählte. Die führten zudem jeweils ein Eigenleben und sollen zeitweise Kredite bei 40 Banken unterhalten haben. Ganz genau aber kann das keiner sagen. Nur beim Patriarchen fügten sich die verworrenen Enden zu einem verständlichen Ganzen. So verschwand mit AK2 auch viel Herrschaftswissen. Während der Amtszeit des Seniors hatte es schon viele Probleme gegeben. AK2 habe die aber oft nicht wahrhaben und erst recht nicht darauf reagieren wollen, sagen Insider. Verlustreiche Sparten wurden quersubventioniert. Stellen abzubauen, ganze Sparten zu verkaufen hätte nicht ins Bild des Patriarchen gepasst.

Das aber geht jetzt nicht mehr. Die Banken gewähren dem Junior derzeit nur noch eine Gnadenfrist, in der er versuchen kann, zumindest den Kern des Unternehmens, das Geschäft mit den Mobilfunkantennen, zu retten. Doch selbst das wird schwer: Kathrein steht hier im Wettbewerb mit dem chinesischen Milliardenimperium Huawei. Es ist eine ungleiche Schlacht, und AK3 ist dafür denkbar schlecht gerüstet.

Als der junge Mann mit dem festen Händedruck 2012 seinen ersten Arbeitstag bei Kathrein begann, brachte ihn sein Vater zum Arbeitsplatz in Werk 2. Er selbst saß, genauso wie alle anderen, die im Haus etwas zu sagen hatten, in Werk 1. Das Verhältnis zwischen den beiden wirkte unterkühlt, sagen Mitarbeiter. Der Vater habe im Befehlston mit dem Sohn geredet. Wie ein Alleinherrscher habe der Alte den Betrieb geführt. Widerspruch duldete er nicht. Diskutiert wurde eher selten. Für die Familie blieb kaum Zeit, sagen die, die ihn kannten.

Es lebe der Patriarch Anton Kathrein war als Chef und Gönner in Rosenheim bekannt Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

Der Sohn dagegen ist ruhig und ausgleichend, ein Familienmensch, der gern Rad fährt und im Chor singt. Für den Alten war trotz der Unterschiede immer klar, dass er ihm in der Geschäftsleitung folgen würde. Nur sollte das mindestens noch zehn Jahre dauern. Als AK2 kurz darauf an einem Herzinfarkt starb, war das Unternehmen darauf nicht vorbereitet – schon gar nicht der junge Kathrein. Dennoch wollte er den Chefposten. Schon als Schüler habe er Kathrein als sein Unternehmen betrachtet, sagt AK3.

Die Probleme in ihrer ganzen Dimension sah er erst, als er selbst in der Schaltzentrale der Macht ankam: Werk 1, erste Etage. Er bekam nun den vollen Einblick in Sparten, wie die der Satelliten, die schon lange Verlust machten. Er realisierte, dass es im Haus zu viel Personal gab. Hinzu kamen aktuelle Probleme: Manches Geschäft, in Asien etwa, mit dem man fest gerechnet hatte, erfüllte sich nicht. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Kathrein im vergangenen Jahr 50 Millionen Euro Verlust gemacht. In den Jahren davor sollen ebenfalls hohe Verluste angefallen sein. Die Suche nach einem Investor wurde abgebrochen.

Intern gestaltete sich der Alltag schwierig. Einige Führungskräfte nahmen AK3 anfangs nicht für voll. „Wenn er aus dem Raum war, wurde hemmungslos gelästert“, sagt ein Mitarbeiter, über „den Bubi“, den man in eine unbedeutende Tochtergesellschaft stecken soll, damit er nichts kaputt machen kann.

Restrukturierungsprofi als letzte Hoffnung

Als der Junior dann ernst machte mit seinem Plan, sich selbst um die Geschäfte zu kümmern, wechselte das Personal schneller als bei der Deutschen Bank. Von den im Jahr 2016 gewählten Aufsichtsräten war im Jahr drauf nur noch einer übrig. Auch die vier 2017 neu ins Amt gekommenen Aufsichtsräte sind schon wieder ausgetauscht. Viele Geschäftsführer gingen. Der letzte war nur etwas länger als ein Jahr an Bord.

Derweil wächst der Druck der Geldgeber. Bei seinen zwölf kreditgewährenden Banken wird Kathrein nicht mehr vom Kundenbetreuer empfangen, sondern von den Mitarbeitern der Risikoabteilung.

Eine letzte Hoffnung hat AK3: Hans-Joachim Ziems. Den Restrukturierungsprofi holte er sich vor sechs Monaten an die Seite. Er wird gerufen, wenn eine Firma kurz vor dem Exodus steht. Beim Holzverarbeiter Pfleiderer und bei der Werkstattkette A.T.U hat Ziems gezeigt, dass er Firmen retten kann. Jetzt also Kathrein. Ziems und Kathrein wirken fast wie Vater und Sohn. Als Ziems mit dem Auto, durch ein Funkloch fährt, scherzt er: „Da haben wohl unsere Antennen versagt.“ „Das waren die der Konkurrenz“, gibt Kathrein zurück. Ziems sagt: „Kathrein war und ist im Kern ein gutes Unternehmen. Allerdings hatten die Banken zeitweise das Vertrauen in die weitere Planung des Managements verloren.“

Ziems hat einen detaillierten Plan für Kathrein ausgearbeitet. Die Banken vertrauen ihm und waren deshalb bereit, Kathrein einen Aufschub und noch mal frisches Geld zu geben. Im Unternehmen eckt er mit seiner strikten und kompromisslosen Art teilweise an. Der Restrukturierer würde die Gremien nicht richtig einbinden, sagen zwei Insider. Ziems war es auch, der die Suche nach einem Investor einstellte. Dabei glauben manche im Haus: Nur so könne verhindert werden, dass die Banken Kathrein beim nächsten kleinen Problem zerschlagen.

Denn ihre Bereitschaft, Kathrein erneut zu unterstützen, soll teuer erkauft worden sein: Mehreren Insidern zufolge verlangten die Banken nicht nur die üblichen Sicherheiten. Vielmehr sollen die Kreditinstitute direkten Zugriff auf Unternehmensanteile erhalten haben. Hierdurch könnten sie bei Bedarf sehr schnell durchgreifen, heißt es. Kathrein wollte sich hierzu nicht äußern.

Um den Bedarfsfall abzuwenden, wird ein harter Sparkurs gefahren. Zwei Werke wurden schon geschlossen und Personal abgebaut. Insider gehen davon aus, dass weitere Jobs verschwinden. Das Geld ist knapp. Selbst das Restaurant machte der Junior dicht. Auch das Stadion trägt jetzt einen anderen Namen. Im Jahr 2021 muss die Gruppe wieder schwarze Zahlen schreiben.

Die Rettung bringen soll der neue Mobilfunkstandard 5G. Für die Aufrüstung will Kathrein Antennen liefern. Die Banken erwarten, dass der Umsatz ihres Kunden sehr deutlich steigt, wenn die Technologie ausgerollt wird. Nur konkurriert Kathrein eben mit Huawei – einem echten Milliardenkonzern – um die lukrativen Aufträge. Die Chinesen haben für ihren Standort in München sogar Mitarbeiter von Kathrein angeheuert.

Zwar kann der deutsche Mittelständler die Konkurrenz immer wieder mit Innovationen beeindrucken, doch wird der Zeitraum immer kürzer, in dem er den Vorsprung halten kann. Viele in der Szene meinen, der Kampf gegen die Chinesen sei aussichtslos.

Bei Kathrein sehen sie das naturgemäß anders. Tatsächlich sind die Ingenieure besser und schneller als die Konkurrenz. Zudem setzen sie darauf, dass die Netzbetreiber wie Vodafone ein Interesse daran haben, Kathrein zu erhalten, um nicht abhängig von Huawei zu werden. Wirklich helfen könnte dem Unternehmen eine staatliche Intervention, so wie in den USA. Dort hatten die Geheimdienste Sicherheitsbedenken angemeldet, wenn den Chinesen Zugang zum Telekommunikationsnetz gewährt würde. Huawei ist seitdem chancenlos, während Kathrein in den USA gute Geschäfte macht. Anton Kathrein streitet ab, auf derlei Hilfe in Europa zu hoffen. „Protektionismus macht träge und zahlt sich auf Dauer nicht aus“, sagt er. Ein Kathrein jammert eben nicht. Zumindest das hat er vom Vater geerbt.

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