Kathrein Eine Mittelstandsikone in der Existenzkrise

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Restrukturierungsprofi als letzte Hoffnung

Als der Junior dann ernst machte mit seinem Plan, sich selbst um die Geschäfte zu kümmern, wechselte das Personal schneller als bei der Deutschen Bank. Von den im Jahr 2016 gewählten Aufsichtsräten war im Jahr drauf nur noch einer übrig. Auch die vier 2017 neu ins Amt gekommenen Aufsichtsräte sind schon wieder ausgetauscht. Viele Geschäftsführer gingen. Der letzte war nur etwas länger als ein Jahr an Bord.

Derweil wächst der Druck der Geldgeber. Bei seinen zwölf kreditgewährenden Banken wird Kathrein nicht mehr vom Kundenbetreuer empfangen, sondern von den Mitarbeitern der Risikoabteilung.

Eine letzte Hoffnung hat AK3: Hans-Joachim Ziems. Den Restrukturierungsprofi holte er sich vor sechs Monaten an die Seite. Er wird gerufen, wenn eine Firma kurz vor dem Exodus steht. Beim Holzverarbeiter Pfleiderer und bei der Werkstattkette A.T.U hat Ziems gezeigt, dass er Firmen retten kann. Jetzt also Kathrein. Ziems und Kathrein wirken fast wie Vater und Sohn. Als Ziems mit dem Auto, durch ein Funkloch fährt, scherzt er: „Da haben wohl unsere Antennen versagt.“ „Das waren die der Konkurrenz“, gibt Kathrein zurück. Ziems sagt: „Kathrein war und ist im Kern ein gutes Unternehmen. Allerdings hatten die Banken zeitweise das Vertrauen in die weitere Planung des Managements verloren.“

Ziems hat einen detaillierten Plan für Kathrein ausgearbeitet. Die Banken vertrauen ihm und waren deshalb bereit, Kathrein einen Aufschub und noch mal frisches Geld zu geben. Im Unternehmen eckt er mit seiner strikten und kompromisslosen Art teilweise an. Der Restrukturierer würde die Gremien nicht richtig einbinden, sagen zwei Insider. Ziems war es auch, der die Suche nach einem Investor einstellte. Dabei glauben manche im Haus: Nur so könne verhindert werden, dass die Banken Kathrein beim nächsten kleinen Problem zerschlagen.

Denn ihre Bereitschaft, Kathrein erneut zu unterstützen, soll teuer erkauft worden sein: Mehreren Insidern zufolge verlangten die Banken nicht nur die üblichen Sicherheiten. Vielmehr sollen die Kreditinstitute direkten Zugriff auf Unternehmensanteile erhalten haben. Hierdurch könnten sie bei Bedarf sehr schnell durchgreifen, heißt es. Kathrein wollte sich hierzu nicht äußern.

Um den Bedarfsfall abzuwenden, wird ein harter Sparkurs gefahren. Zwei Werke wurden schon geschlossen und Personal abgebaut. Insider gehen davon aus, dass weitere Jobs verschwinden. Das Geld ist knapp. Selbst das Restaurant machte der Junior dicht. Auch das Stadion trägt jetzt einen anderen Namen. Im Jahr 2021 muss die Gruppe wieder schwarze Zahlen schreiben.

Die Rettung bringen soll der neue Mobilfunkstandard 5G. Für die Aufrüstung will Kathrein Antennen liefern. Die Banken erwarten, dass der Umsatz ihres Kunden sehr deutlich steigt, wenn die Technologie ausgerollt wird. Nur konkurriert Kathrein eben mit Huawei – einem echten Milliardenkonzern – um die lukrativen Aufträge. Die Chinesen haben für ihren Standort in München sogar Mitarbeiter von Kathrein angeheuert.

Zwar kann der deutsche Mittelständler die Konkurrenz immer wieder mit Innovationen beeindrucken, doch wird der Zeitraum immer kürzer, in dem er den Vorsprung halten kann. Viele in der Szene meinen, der Kampf gegen die Chinesen sei aussichtslos.

Bei Kathrein sehen sie das naturgemäß anders. Tatsächlich sind die Ingenieure besser und schneller als die Konkurrenz. Zudem setzen sie darauf, dass die Netzbetreiber wie Vodafone ein Interesse daran haben, Kathrein zu erhalten, um nicht abhängig von Huawei zu werden. Wirklich helfen könnte dem Unternehmen eine staatliche Intervention, so wie in den USA. Dort hatten die Geheimdienste Sicherheitsbedenken angemeldet, wenn den Chinesen Zugang zum Telekommunikationsnetz gewährt würde. Huawei ist seitdem chancenlos, während Kathrein in den USA gute Geschäfte macht. Anton Kathrein streitet ab, auf derlei Hilfe in Europa zu hoffen. „Protektionismus macht träge und zahlt sich auf Dauer nicht aus“, sagt er. Ein Kathrein jammert eben nicht. Zumindest das hat er vom Vater geerbt.

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