Kein Durst auf Bier Darum können Deutschlands Brauer nicht von der WM profitieren

Quelle: imago images

Wenn Deutschland siegt, steigt der Bierkonsum. Aber nun boykottieren Kneipen die Spiele, Public Viewing kommt wegen Kälte kaum in Frage. Die deutschen Brauereien haben wenig Hoffnung, dass die Weltmeisterschaft ihren Absatz ankurbelt.

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Wenn ein Tor fällt, dann fließt in deutschen Stadien das Bier, am besten in den Mund, manchmal auch über den Rücken des Vordermanns. Bier und Fußball, das gehört in Deutschland für viele Fans zur Kultur, erst recht während einer Weltmeisterschaft. Aber gilt das auch in diesem Jahr? In den Stadien in Katar ist der Alkoholkonsum ohnehin verboten, wie das Gastgeberland kurz vor dem Eröffnungsspiel bekanntgab. Aber auch in Deutschland scheint der Durst auf Bier trotz Weltmeisterschaft nicht allzu groß.

Die deutschen Brauereien sind jedenfalls skeptisch, ob die Weltmeisterschaft ihnen mehr Geschäft bringt. Eine zuverlässige Prognose? Sei bei der „aktuellen Gemengelage“ kaum möglich, heißt es bei Krombacher. Nicht nur wegen der WM: Die steigende Inflation drückt die Kauflust der Verbraucher, auch eine neue Welle der Coronapandemie könnte das Geschäft in Frage stellen, so Krombacher. „Hätten wir eine Glaskugel, wären wir glücklich“, sagt auch Peter Böck, Geschäftsführer von Oettinger. Man werde abwarten müssen, in wie weit die Deutschen Zuhause zum Bierglas greifen.

Deutlicher werden Warsteiner und Veltins: Im Vergleich zu früheren Weltmeisterschaften seien die Erwartungen „deutlich gedämpft“, heißt es aus den Unternehmenszentralen in Warstein und . Veltins erklärt sogar: „Die Fußball-WM 2022 wird der deutschen Brauwirtschaft am Ende keinen spürbaren Hauch von Absatzzuwachs bringen"

Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, allen voran die Kritik an den Umständen der Vergabe der Weltmeisterschaft in Katar und möglichen Menschenrechtsverletzungen. „Man hört immer mehr von Menschen, die die Spiele in der Form ablehnen und auch nicht in den Medien verfolgen wollen“, heißt es von Warsteiner. „Die aktuelle WM in Katar gehört sicherlich zu den umstrittensten Fußballweltmeisterschaften, die es je gab“, sagt eine Sprecherin von Bitburger. Veltins spricht sogar von einem „weitreichenden Strömungsabriss der ansonsten flammenden Fußballbegeisterung" in Deutschland.

von Sonja Álvarez, Daniel Goffart, Florian Güßgen, Max Haerder, Volker ter Haseborg

Die Lust der Deutschen auf Fußball ist getrübt, das bestätigen auch Umfragen. Tatsächlich könnten viele Deutsche ganz darauf verzichten, den Fernseher für die Spielübertragung überhaupt anzuschalten. 56 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass sie sich kein einziges Spiel anschauen werden, so das Ergebnis einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends. Bei Frauen liegt der Anteil sogar bei 63 Prozent. Und selbst viele Fans geben an, wahrscheinlich weniger Spiele zu verfolgen.

Entsprechend halten sich auch die Brauereien mit Werbung zurück. Das gilt selbst für die großen Fernsehmarken: „Wir haben im Vorfeld entschieden, keine TV-Werbung im Umfeld der Katar-WM zu schalten“, heißt es von Bitburger. Die Brauerei war bis Ende 2018 Partner des deutschen Fußballverbunds DFB. Seitdem steht die Nationalmannschaft ohne Bier-Sponsor da.

Interesse an diesem Posten scheint es auch bei den anderen Brauereien wenig zu geben. Auch Krombacher verzichtet auf TV-Spots zur Meisterschaft in Katar: „Von unserer Seite sind auch keine Sonderaktionen oder Kampagnen geplant“, teilt eine Sprecherin mit. Auch Veltins ignoriert die WM in seiner Werbung. Lediglich Warsteiner will in einer Aktion im Handel das Thema aufgreifen.

In der Vergangenheit waren Fußballweltmeisterschaften für die Brauereien in Deutschland ein gutes Geschäft. „Bei Fußball-Weltmeisterschaften steigt der Konsum von Bier und Biermischgetränken in Deutschland stets“, sagt etwa Peter Böck von Oettinger. Wie stark das Plus durch Fußballturniere ausfalle, hänge „vor allem von sonnigem Wetter und auch dem Abschneiden der deutschen Mannschaft“ ab, heißt es bei Krombacher. „Erfahrungsgemäß kann ein WM-Turnier einen Mengenzuwachs für den deutschen Biermarkt von rund 800.000 Hektoliter bringen", erklärt Veltins. Andere sprechen sogar von bis zu einer Millionen Hektoliter mehr. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 haben die Brauereien laut Daten des Statistischen Bundesamts rund 85 Millionen Hektoliter Bier verkauft.

Torjubel mit Glühwein?

Dabei könnten die deutschen Brauereien das Plus durch die WM gut gebrauchen. Zwar tranken die Deutschen zuletzt wieder mehr Bier - zwischen Januar und September stieg der Absatz um 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Doch damit ist der Absatz noch nicht auf das Niveau vor der Coronapandemie zurückgekehrt. Die steigenden Rohstoffkosten und Lieferschwierigkeiten machten den Brauereien zu schaffen. Einigen ging zwischenzeitlich sowohl das Glas für ihre Flaschen als auch die Kohlensäure aus. Die hohen Gaspreise belasten die finanzielle Situation der Brauereien zusätzlich.

Doch auf warmes Wetter kann die Branche schon jahreszeitbedingt nicht hoffen. Dass das Turnier wegen der besseren Wetterbedingungen in Katar im Winter stattfindet, stößt in der Branche auf viel Kritik. „Der Winter mit seiner kalten Witterung ist nicht ideal für den Getränkekonsum“, heißt es von Warsteiner. „Kein Rudelgucken, kein Public-Viewing - eine Fußballnation sucht in diesen Tagen nach jahreszeitlicher Identifikation und findet sie nicht", kritisiert Veltins.

Die Weihnachtsmärkte fallen als Ersatz für das Public Viewing im Biergarten ebenfalls aus. Betreiber von Weihnachtsmärkten in Nürnberg, Hamburg, Köln, Dortmund, Düsseldorf, München, Stuttgart, Dresden und Berlin haben bereits angekündigt, dass es keine Übertragungen geben soll. Dem Deutschen Brauer-Bund ist es Recht: „Glühwein passt einfach nicht zu Fußball“, sagte Holger Eichele, Geschäftsführer des Brauer-Bunds.

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Einzige Hoffnung für die Brauereien bleibt die deutsche Mannschaft. Sollten die ein Spiel nach dem anderen gewinnen, könnte das auch die Freude am Fußball wieder steigern. Bisher sei die Haltung von Gastronomen und Fans zwar „sehr verhalten bis ablehnend“, sagt eine Sprecherin von Bitburger. „Wie aber dann tatsächlich Akzeptanz und Resonanz bei den Übertragungen der Spiele ausfallen werden, wird sich erst im Verlauf des Turniers zeigen.“

Immerhin: Spätestens 2024 dürfte der Absatz der Brauereien mit der Europameisterschaft wieder steigen. Die schließlich findet in Deutschland statt. Dann werde man „hoffentlich viele Fans von unserer Deutschen Bierkultur überzeugen", erklärt die Radeberger Gruppe.

Lesen Sie auch: Auf ihrem Heimatmarkt sind die Fußballtrikots von Adidas und Puma wenig gefragt. Die beiden großen deutschen Sportfachhändler Intersport und Sport2000 befürchten deutlich schlechtere Verkäufe von WM-Artikeln.

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