Kettler, Beate Uhse, Metz & Co. Wie beweglich ist der Mittelstand?

Der deutsche Mittelstand hat in den vergangenen Jahren viel für die eigene Legendenbildung getan. Trotzdem haben die Unternehmen zu kämpfen. Wie zukunftsfähig ist die Erfolgsstrategie Mittelstand?

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Die Welt schwärmt vom deutschen Mittelstand – doch längst nicht alle Mittelständler sind noch so erfolgreich wie einstmals. Quelle: dpa Picture-Alliance

Ob es die Rettung ist, sei dahingestellt, zumindest aber konnte Karin Kettler Ende März endlich mal eine Lösung präsentieren. Die Chefin des traditionsreichen Fahrrad- und Gartenmöbelherstellers erhielt da in letzter Minute eine Bürgschaft der nordrhein-westfälischen Steuerzahler über kolportierte – die Zahl unterliegt auf Wunsch des Finanzministeriums der Geheimhaltung – 30 Millionen Euro, um das seit Juni 2015 laufende Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu beenden. Ihre entlassungsbedrohten Mitarbeiter ließen vor Freude rote Ballons in den sauerländischen Himmel steigen.

Karin Kettler hat sich Luft verschafft – vorerst. Als warnendes Beispiel lohnt sich der Blick auf das Unternehmen als einstigem Markenbotschafter deutscher Wertarbeit aber immer noch. Während die Welt von deutschen Weltmarkführern schwärmt und etliche Länder versuchen, das Erfolgsmodell Mittelstand zu kopieren, hat sich bei manchen Selbstgefälligkeit breitgemacht. Beim Freizeitartikelproduzenten Kettler war es der klassische Abstieg: Vater Heinz hatte mit seinen Ideen den deutschen Familienalltag noch tief durchdrungen.

Deutsche Unternehmer werden immer zögerlicher

Seit den Siebzigerjahren bretterte republikweit der Sohn im Kettcar über den Garagenhof, Vati schraubte am neuen Kettler-Rad, dem weltweit ersten aus Aluminium. Opa hielt sich auf dem Kettler-Heimtrainer beweglich, und Oma sonnte sich auf der schweren Kettler-Gartenliege. Doch seit den Neunzigerjahren fegten Plastik-Bobbycars die schweren Kettcars vom Hof, E-Bikes ersetzten die Aluräder, Fitnessstudios die Hometrainer und schweres Gartengestühl musste luftigen Lounge-Sesseln weichen.

Die Top 10 der Weltmarktführer im deutschen Mittelstand

Viele Unternehmer, egal, ob im 100-Mann-Betrieb oder fast schon als Konzernvorstand, agieren zunehmend zögerlich. So melden Forscher und Ingenieure aus Japan, den USA und China weit mehr Patente als ihre deutschen Kollegen an. Nach neuen Zahlen der World Intellectual Property Organization liegt Deutschland auf den drei Hightechfeldern der Zukunft beim 3-D-Druck auf Platz drei, bei Nanotechnologie und Robotik auf Platz fünf. Zugleich investieren deutsche Unternehmer immer weniger und trauen sich seltener ins Ausland. Womöglich noch schlimmer: Ein Großteil schaut verschreckt auf die Digitalisierung seiner Branche, anstatt sie selbst voranzutreiben. So zeigt eine Umfrage des Handelsblatt Research Institute unter 302 Unternehmen aus sieben Branchen: 38 Prozent der Befragten haben keine Digitalisierungsstrategie, bei 63 Prozent gibt es nicht einmal einen Verantwortlichen für das wichtigste Thema der nächsten Jahrzehnte.

Mit fehlendem Kapital haben die Denkfehler in vielen Chefetagen nichts zu tun: Die Eigenkapitalquote deutscher Mittelständler ist laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) seit dem Jahr 2002 bis 2014 von 18 auf 29 Prozent gestiegen. Es muss an anderen Gründen liegen, warum mancher heimliche Weltmarktführer, der in den vergangenen Jahren tatkräftig an der Legendenbildung des Mittelstands made in Germany werkelte, etwas behäbig geworden ist:

Den Unternehmen fehlt es an Innovationsmanagement

Nicht nur Kettler hat sich zu lange auf Altbewährtes verlassen. 2015 rügte die KfW: Nur noch 28 Prozent aller Mittelständler investieren in die Entwicklung neuer Produkte oder Prozesse. Zudem sei die Handlungsbereitschaft nicht nur im dritten Jahr in Folge gesunken, schlimmer noch: Sie liege sogar unter dem Niveau der Krisenjahre 2007 bis 2009.

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