Kettler Kettcar-Hersteller sucht Investoren

Nach überstandener Insolvenz hält der Freizeitgerätebauer Ausschau nach Käufern. Eine angebliche Steueraffäre um den verstorbenen Firmengründer Heinz Kettler sorgt zusätzlich für Unruhe im Sauerland.

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Generationen von Kindern sind mit dem Kettcar groß geworden. Jetzt sucht der Hersteller aus dem Sauerland nach Investoren. Quelle: picture alliance/dpa

Düsseldorf Die Traditionsfirma Kettler kommt nicht zur Ruhe. Im Juni 2015 hatte Karin Kettler für den Hersteller von Sport- und Freizeitartikeln Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Das Familienunternehmen, 1949 gegründet von ihrem Vater Heinz und bekannt für das Tretauto Kettcar, war in finanzielle Schieflage geraten. Die Gründertochter wollte damals „eine unabgestimmte Übernahme durch einen Finanzinvestor“ verhindern.

Im Frühjahr 2016 gelang die Rettung des legendären Kettcar-Herstellers – vor allem auch Dank einer auf zehn Jahre ausgelegten Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Fahrradsparte wurde an ZEG verkauft. Die anderen Geschäfte der insolventen Heinz Kettler GmbH gingen auf die Kettler GmbH mit Sitz in Ense über. Diese wird treuhänderisch verwaltet.

Dann der nächste Schock für die Belegschaft, die von über 1000 auf rund 700 geschrumpft war: Im März verunglückte Karin Kettler mit 57 Jahren bei einem Autounfall tödlich. Bereits ihr Bruder, einst vom Vater als Firmennachfolger ausersehen, war 1981 ebenso ums Leben gekommen. „Eine Tragik wie bei den Buddenbrooks“, meint ein Beobachter. Die promovierte Biologin Karin Kettler hatte die Geschäftsführung inzwischen abgegeben. Zuletzt war sie nur noch im Beirat tätig. In der Todesanzeige betrauern Geschäftsleitung und Mitarbeiter „einen wertvollen Menschen“.

Auch nach dem tragischen Unfall kommt die Traditionsmarke nicht zur Ruhe. Mit neuen Investoren hofft die Familie die Lage zu stabilisieren, was in der Belegschaft zu neuen Spekulationen führt. „Die Kettler GmbH prüft aktuell alle Möglichkeiten einer Kooperation mit einem strategischen Partner oder potenziellen Investoren/Gesellschaftern“, bestätigte eine Firmensprecherin dem Handelsblatt. Der Belegschaft war dies in der Werler Stadthalle bereits vor den sommerlichen Betriebsferien mitgeteilt worden, wie der „Soester Anzeiger“ berichtete.

Der Grund für die Suche nach einem starken Partner ist laut Kettler der harte Wettbewerb in der Branche. Viele Konkurrenten fertigen - anders als Kettler - überwiegend im günstigeren Ausland. „Die Produktion von Alurohren im Sauerland für den Massenmarkt ist heute schwierig“, sagt ein Brancheninsider. Gartenmöbel seien zwar ein boomender Markt. Viele Kunden bevorzugten aber schicke Lounge-Möbel statt bespannter Alustühle wie Kettler sie überwiegend anbiete, heißt es. Auch für Heimtrainer ist der Markt schwieriger geworden. Die Leute gingen lieber ins Fitnessstudio. Oder sie stellten sich in den heimischen Fitnessraum Premium-Geräte statt mittelpreisiger Heimtrainer wie von Kettler. Die Marke habe allerdings weiter einen exzellenten Klang – nicht zuletzt wegen des legendären Kettcar. Der Umsatz lag zuletzt bei rund 135 Millionen Euro.

Mit der Suche nach Investoren möchte die Firma Kettler „eine zukunftsorientierte Ausrichtung für das Unternehmen schaffen, um uns den Herausforderungen des schärfer werdenden Wettbewerbs zu stellen und zeitnah den laufenden Restrukturierungsprozess zu beenden.“ Es gebe keine Alternative für das Unternehmen, meint ein Beobachter. Die Firma Kettler geht davon aus, dass sie den Prozess bis Jahresende abgeschlossen hat. Mit der Suche beauftragt wurde die M&A-Beratung Clearwater International, die Kettler mit einem Unternehmenswert von 100 Millionen Euro bewirbt, wie das Magazin „Bilanz“ berichtete.

Clearwater wollte dies auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. Mögliche Interessenten bekommen jedoch derzeit Prospekte für das Projekt Olympia zugeschickt. Darin wird ein namhafter deutschen Hersteller angepriesen. Dazu ein Bild eines Kettcar in Blautönen.


Guthaben auf Auslandskonten

Mitten in die Investorensuche platzt nun die Nachricht von einer mutmaßlichen Steueraffäre rund um den 2005 verstorbenen Heinz Kettler. Der Firmengründer soll in den 90er-Jahren zweistellige Millionenbeträge am deutschen Fiskus vorbei in die Schweiz geschleust haben, berichtete „Bilanz“. Demnach ermittele die Bochumer Steuerfahndung. Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen teilte dazu auf Anfrage nur mit, es könne zu konkreten Einzelfällen aufgrund des Steuergeheimnisses keine Angaben machen.

Für eine solche mutmaßliche Steuerhinterziehung könnte allerdings keine lebende Person mehr belangt werden. Karin Kettler war einzige Erbin ihres Vaters. Nach ihrem Tod hat sie die gemeinnützige Heinz-Kettler-Stiftung als Alleinerbin eingesetzt. Diese setzt sich für Behinderte ein.

„Von einem Ermittlungsverfahren oder von Vorwürfen wegen Steuerhinterziehungen ist uns nichts bekannt“, teilte die Stiftung indessen auf Nachfrage mit. Bei der Sicherung des Nachlasses hatte die Stiftung auch Guthaben auf Auslandskonten vorgefunden. Es stehe jedoch noch nicht fest, ob es sich hierbei überhaupt um unversteuerte Guthaben handele. „Die zuständigen Finanzbehörden haben wir bereits vor einigen Monaten vorsorglich umgehend hierüber informiert“, betont die Stiftung. Alle kursierende Beträge oder genannten Größenordnungen seien Spekulation. Die Kettler GmbH stehe zudem in keinem Zusammenhang mit den Sachverhalten.

Tatsache ist: Weder Karin Kettler noch die Heinz-Kettler-Stiftung waren oder sind an der neuen Kettler GmbH beteiligt. „Die Kettler GmbH handelt unabhängig und selbstständig von der Heinz-Kettler-Stiftung. Es bestehen keine gesellschaftsrechtlichen Verbindungen“, betont die Firma. Ebenfalls ausgeschlossen: eine Haftung für Verbindlichkeiten der insolventen Heinz Kettler GmbH, die nicht im Rahmen der Ausgliederung übernommen wurden. Dies ist im Handelsregister zu lesen. Wären mutmaßlich Firmengelder der Heinz Kettler GmbH damals unversteuert geblieben, würde also die heutige Kettler GmbH wohl kaum dafür haftbar zu machen sein.

Die Firma wird nach etlichen Wechseln im Management heute von Ludger Busche, einem langjährigen Vertrauten von Karin Kettler, zusammen mit Olaf Bierhoff geführt. Dieser kam im August vom Haushaltshersteller Severin. Der Kettcar-Hersteller geht davon aus, die Suche nach einem Partner bzw. Investor bis zum Jahresende abzuschließen. Für die Mitarbeiter von Kettler bleibt es eine Zeit voller Ungewissheit.

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