KfW-Erhebung zum Mittelstand Nachfolger dringendst gesucht

620.000 deutsche Mittelständler suchen in den kommenden drei Jahren einen Nachfolger. Ebenso deutlich sinkt die Zahl derer, die sich dafür interessiert. Eine gewaltige volkswirtschaftliche Herausforderung bahnt sich an.

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Bei vielen Mittelständlern ist die Nachfolge noch ungeklärt. Quelle: imago/McPHOTO

Frankfurt Die Antwort auf diese Frage schieben viele Unternehmer auch deshalb weit in die Ferne, weil sie insgeheim doch auch mit deren eigener Endlichkeit zu tun hat. Wer als Mittelständler einen Nachfolger sucht, der gibt damit schließlich auch zu, dass er die längste Zeit an der Spitze seines von ihm gegründeten oder übernommenen Unternehmens gestanden hat. Sensibilität ist auf Seiten derer, die mit ihm über dieses Thema sprechen, ebenso angebracht wie Realitätssinn bei demjenigen, der sich mit seiner Nachfolge beschäftigt.

620.000 kleine und mittlere Unternehmen suchen in den kommenden drei Jahren in Deutschland einen Nachfolger. Oder um es in relativen Zahlen auszudrücken: 17 Prozent aller deutschen Mittelständler brauchen Ersatz an der Spitze. Vor drei Jahren lag die Zahl noch bei 14 Prozent. Das haben die Experten der staatlichen Förderbank KfW gerade herausgefunden

Zahlen, die alarmieren. „Es zeichnet sich immer deutlicher ein demografischer Engpass bei der Nachfolge ab“, weiß Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei der KfW. Was zu einen daran liegt, dass das Problem von Unternehmensseite viel zu lange nach hinten geschoben wurde. Auf der Gegenseite schrumpft die Zahl potenzieller Nachfolgekandidaten, allein schon durch den demografischen Wandel. Der Gruppe der 54- 70-Jährigen standen schließlich im Jahr 2000 im Schnitt noch 2,8 Jüngere im Alter von 20 bis 54 Jahren gegenüber. Aktuell sind es 2,4. Im Jahr 2030 könnten es gar nur noch 1,8 sein.

Einen geeigneten Kandidaten oder eine Kandidatin zu finden, wird deshalb immer schwerer. Das Bewusstsein dafür will die KfW wecken, macht dabei in der Realität aber die Erfahrung, dass sich viele Mittelständler bei dieser entscheidenden Frage viel zu spät Gedanken machen und dabei auch noch den damit verbundenen Zeitbedarf unterschätzen. Das Tagesgeschäft geht eben vor.

Von Glück können dabei noch die gut 56 Prozent der Betroffenen reden, die in der kommoden Situation sind, die Nachfolge innerhalb der Familie regeln zu können. Spannend dabei: Immer häufiger kommt dabei die Tochter oder ein anderes weibliches Familienmitglied zum Zuge. Die Ansicht, dass die Nachfolge automatisch in männliche Hände gelangen soll, gehört damit womöglich der Vergangenheit an. Wobei es noch gar nicht allzu lange her ist, dass es ganz anders war. Noch im Jahr 2012 lag der Anteil weiblicher Neu- und Übernahmegründer bei bescheidenen 20 Prozent. Im abgelaufenen Jahr waren es dagegen erstaunliche 52 Prozent.

Wobei sich beim Blick ins Detail deutliche Unterschiede zeigen. Wer in Deutschland gründet, der gründet neu. Der Anteil lag im vergangenen Jahr bei 75 Prozent aller Gründungen. Nur acht Prozent waren dagegen Übernahmegründer, führen also ein bestehendes Unternehmen weiter. Die restlichen 17 Prozent verteilen sich auf diejenigen, die sich nur zum Teil an bestehenden Unternehmen beteiligen.

Die Diskrepanz hierbei liegt wie bei so vielem am Geld. Etwas neu gründen lässt sich in der Regel mit so gut wie keinem Geld. Nur 23 Prozent der Neu-Unternehmer brauchen dafür mehr als 10.000 Euro. Wer hingegen ein bestehendes Unternehmen übernimmt, der muss mindestens mit dem Doppelten rechnen, oft sind gar mehr als 50.000 Euro nötig.


Woran die Übernahme oft scheitert

Und auch aus Branchensicht unterscheiden sich Neu- und Übernahmegründer. Während die Start-up-Szene eher im Dienstleistungssektor unterwegs ist, sind Nachfolger eher für bestehende Handelsunternehmen gesucht.

Gründereuphorie und der Bedarf in den bestehenden Strukturen finden also systembedingt nicht zusammen in Deutschland. Mit womöglich noch weitreichenden Folgen in den kommenden Jahren. Empfiehlt doch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), spätestens drei Jahre vor der Übergabe mit der konkreten Suche nach einem Nachfolger zu beginnen. Andernfalls könne es eng werden. Nach den Zahlen der KfW könnte das wohl auf rund 200.000 Mittelständler in Deutschland zutreffen.

Die Erfahrungen der KfW zeigen indes noch in anderen Bereichen ein ernüchterndes Bild. Rund ein Drittel derer, die in den kommenden drei Jahren ihren Betrieb übergeben wollen, haben sich darüber bisher lediglich informiert oder sich gar noch überhaupt nicht damit beschäftigt. „Und das vor dem Hintergrund, dass es aktuell jährlich etwa dreimal so viele übergabebereite Unternehmer wie Übernahmegründer gibt“, bringt KfW-Chefvolkswirt Zeuner das immer krassere Missverhältnis auf den Punkt.

Wer also derzeit überlegt, eine bestehende Firma zu übernehmen, der kann sich vieles aussuchen. Umgekehrt muss derjenige, der nach einem Nachfolger zur Übernahme sucht, froh sein, überhaupt jemanden zu finden.

In der Praxis zeigt sich vielmals auch, woran die Übernahme scheitert. Während der bisherige Chef größten Wert auf die intensive Einarbeitung des Neulings und den Erhalt von Kunden und Lieferanten legt, ist ihm hingegen die Modernisierung des Unternehmens und seiner Abläufe indes weit weniger wichtig. Umgekehrt hätte es hingegen der Nachfolger gerne. Bei Kunden- und Lieferantenbeziehungen hat er womöglich ganz andere Vorstellungen als der Vorgänger. Auch zu viel Einarbeitung und damit auch Einfluss schreckt ihn womöglich ab. Er hätte stattdessen lieber einen Betrieb auf dem neuesten technischen Stand ohne allzu viel Investitionsstau. Hier wiederum fragt sich nicht selten der Vorgänger, ob er da nicht in Dinge investiert, deren Früchte dann erst der Nachfolger ernten wird.

Dabei ist es gerade der digitale Wandel, durch den sich im Moment für viele Mittelständler entscheidet, ob sie entweder den Schritt in die nächste Generation mitgehen oder womöglich früher oder später vom Markt verschwinden werden. „Die Märkte werden sich auch in Zukunft ständig verändern – Unternehmen sind daher gut beraten, diese Dynamik aufzunehmen“, sagt Jürgen Meffert von der Unternehmensberatung McKinsey. Für die Schnelligkeit des Wandels hat er ein einfaches Beispiel: Hatte eine Produktinnovation vor wenigen Jahren noch Aussicht auf 15 Jahre Lebensdauer, so sind es heute im Schnitt fünf Jahre. Allein deswegen sollten Übergabefragen schnell geklärt werden.

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