Modelleisenbahnromantik unterm Weihnachtsbaum? Nach Geschmack von Märklin-Chef Florian Sieber war das in den vergangenen Tagen noch viel zu selten der Fall. Absatz und Umsatz des schwäbischen Modelleisenbahn-Spezialisten entwickelten sich in diesem Jahr nicht so positiv wie geplant. "Wir werden unsere Ziele für das Geschäftsjahr 2015/2016 wohl nicht erreichen", sagt Sieber im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online.
Zwei Gründe sind hierfür ausschlaggebend:
1. Die größte Kundengruppe sind nach wie vor erwachsene Männer ab vierzig. Eine zwar treue und auch kaufkräftige Gefolgschaft, aber keine mit der das schwäbische Traditionsunternehmen wachsen kann.
2. Der Weg zurück in die Kinderzimmer ist für die Modellbahn-Bauer um einiges schwieriger als gedacht.
Märklin hatte 2011 die Linie MyWorld eingeführt, um mehr neue und junge Kunden zu gewinnen. Anfangs richteten sich die Produkte noch an Wiedereinsteiger und Kinder. Schnell wurde aber klar, dass das nicht funktioniert. 2014 wurde das Sortiment nochmals geteilt und MyWorld ausschließlich auf Kinder ab drei ausgerichtet. Dazu kam die Linie Startup für Kinder ab sechs und Wiedereinsteiger. Das ehemals in den MyWorld-Packungen enthaltene und im Grunde zu hochwertige C-Gleis wurde durch ein kinderfreundliches, robustes Kunststoffgleis ersetzt. Das C-Gleis nutzt dafür die Serie Startup.
Der Handel reagierte aber nicht so positiv wie erhofft auf das Märklin-Kinder-Sortiment. Brio, Lego-Duplo und Playmobil bieten ähnliche Produkte. „Die Konkurrenz ist groß. Wir kämpfen um jeden Meter im Einzelhandel. Das hatten wir uns etwas einfacher vorgestellt“, gibt der Märklin-Chef zu. Kampflos aufgeben will er nicht, im Gegenteil.
„Wir geben im neuen Jahr richtig Gas“
Man sei mit zu wenig „Marketingpower rangegangen“ analysiert er nüchtern und habe den Wettbewerb deshalb nicht so schnell verdrängt, wie gedacht. Eine Produkt- und Marketingoffensive, inklusive einer TV-Kampagne vor dem nächsten Weihnachtsfest soll dem Kinder-Sortiment 2016 auf die Sprünge helfen. „Wir geben im neuen Jahr richtig Gas“, verspricht Sieber.
Das Angebot an Neuheiten für die erwachsenen Sammler soll 2016 dafür kleiner ausfallen. „Wir haben in den vergangenen Jahren den Fehler gemacht zu denken, je mehr Neuheiten, desto mehr Umsatz“, erklärt der Chef. Stattdessen habe sich die Kaufkraft auf eine größere Anzahl an Produkten verteilt. Die Produktion vieler Artikel mit geringen Stückzahlen habe sich als zu kostspielig erwiesen. „Im neuen Jahr werden wir weniger Artikel auf den Markt bringen und das Programm produktionsoptimiert aufstellen“, erklärt der studierte Betriebswirt.
Dass es kein Leichtes werden würde, Märklin wieder in die Spur zu bringen, war für Florian und seinen Vater Michael Sieber von Beginn an klar. 2013 übernahm die Spielwarengruppe Simba-Dickie (Bobby Car, Schuco), der Michael Sieber vorsteht, das Göppinger Traditionsunternehmen. Märklin hatte zu diesem Zeitpunkt verschiedene Investoren kommen und gehen sehen, war mehrfach der Pleite nur knapp entronnen.
Die Siebers verstehen sich als Investoren mit Weitblick. Nur ein Bruchteil dessen, was sie bisher investiert haben, wird sich rasch auszahlen. Zehn Millionen für eine neue Werkshalle im ungarischen Gyor, jeweils 8,5 Millionen Euro in 2013 und in 2014 für die Entwicklung von Formen und Werkzeugen für neue Modelle, plus Investitionen für neue Maschinen und Automatisierungstechnik. „Da landen wir locker bei 28 oder 29 Millionen“, rechnet Sieber junior vor. Und das bei einem jährlichen Umsatz von rund 100 Millionen Euro. Allein die Entwicklung und Fertigung einer neuen schlanken Bogenweiche kostete das Unternehmen etwa eine Million Euro. „Das wird sich vielleicht erst in zehn Jahren rechnen. Aber die Sammler wollten dieses Teil seit über 15 Jahren. Daran sehen Sie, wir meinen es wirklich ernst mit Märklin", erklärte Sieber junior gegenüber der WirtschaftsWoche schon 2013.
Für die Stammbelegschaft gab der neue Eigentümer daher auch eine Arbeitsplatzgarantie bis 2019 ab. „Dahinter stehen wir nach wie vor“, sagt Sieber. „Geht alles so auf wie geplant, brauchen wir auch nach 2019 alle unsere Mitarbeiter – sowohl in Göppingen, als auch in Ungarn.“ Märklin beschäftigt am Stammsitz in Göppingen 470 Mitarbeiter und weitere 650 in ungarischen Gyor.
Große Impulse in Nordamerika erwartet
Die Sammler ab 40 bleiben die Kernzielgruppe der Märklin-Loks. Das bedeutet neben der schrittweisen Erschließung der jungen Zielgruppe aber auch: „Wenn wir nachhaltig wachsen wollen, ist der größte Hebel definitiv im Ausland“, erklärt Florian Sieber. 2015 klappte das schon recht gut. In Polen hat Märklin im Sammlergeschäft Marktanteile dazugewonnen, in Tschechien die Kindermarke MyWorld erfolgreich eingeführt. Große Impulse erwartet sich der Märklin-Chef vom nordamerikanischen Markt. Dort sei man 2015 deutlich gewachsen. „Das Potenzial für die kommenden Jahre ist längst noch nicht ausgeschöpft“, schwärmt Sieber. Vor zwei Jahren hatte das noch ganz anders geklungen.
Mit seiner amerikanischen Niederlassung der Simba-Dickie-Gruppe, erzählte Simba-Dickie-Chef Michael Sieber damals, habe er Lehrgeld bezahlt, aber im Gegensatz zu den großen deutschen Konzernen wie Telekom oder Daimler immerhin nur Millionen statt Milliarden verbrannt. „Der amerikanische Markt ist sehr abgeschottet. Als europäisches, mittelständisches Familienunternehmen haben sie es da schwer", so Sieber Senior damals. Jetzt laufen die Geschäfte in den USA besser als erwartet, dafür mussten die Modelleisenbahner Rückschläge in Russland verkraften. „Wir standen in den Startlöchern, haben wegen der Krise aber alle geplanten Aktivitäten zurückgestellt“, erzählt Florian Sieber. Die Abwertung des Rubels habe die Preise für hochwertige Spielwarenimporte in astronomische Höhen getrieben. In dieser Lage sei es sehr schwierig, den Handel davon zu überzeugen, teure Importe zu listen.
Denn auch ohne Währungsschwankungen - die Märklin-Produkte haben ihren Preis. Die Loks sind Sammlerstücke und gehen für mehrere hundert bis tausend Euro über die Ladentheke. Was liebevoll auf Dachböden oder Hobbykellern auf Pressspanplatten aufgebaut wird, ist keine Massenware, sondern das Ergebnis eines über 150 Jahre weiterentwickelten und perfektionierten Fertigungsprozesses. Bis auf die Motoren und wenige elektronische Komponenten fertigen die Schwaben jedes der rund 300 Einzelteile einer Märklin-Lok in der hauseigenen Gießerei, in der Gussnachbearbeitung, Dreherei, Galvanik und Montage selbst. „Wir müssen zeigen, was an deutscher Ingenieurskunst und Fertigungs-Know-how in Göppingen sitzt. Das ist für mich ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Erfolg von Märklin“, erklärt Florian Sieber.
Neues Märklin-Museum in Göppingen
Genau aus diesem Grund - und trotz der schwachen Entwicklung im Jahr 2015 - gibt Sieber schon in wenigen Monaten den Startschuss für ein Großprojekt im Wert von 11,3 Millionen Euro. Am Stammsitz in Göppingen entsteht ein neues Märklin-Museum. Um die Schätze aus der Gründersammlung zu bewahren und in Göppingen zu halten, hat die Kreissparkasse Göppingen eigens eine Stiftung eingerichtet. „Damit haben wir sicher gestellt, dass egal was mit Märklin passiert, die Sammlung nicht zerrissen wird“, erklärt Sieber. Der Wert der Sammlung wird auf fünf bis sieben Millionen Euro geschätzt. Sie wird an die Stiftung veräußert. Den Erlös steckt Märklin in das neue Museum und trägt den restlichen Teil der Finanzierung selbst.
Zu den rund 7000 Stücken, die dem Publikum zugänglich gemacht werden sollen, zählt auch die älteste Märklin-Lok „Storchenbein“ von 1891 und einige der Züge, die 2005 bei einem spektakulären Raub entwendet und später sichergestellt werden konnten. Für das Museum will Märklin rund 3000 Quadratmeter in einer ehemaligen Fabrikhalle nutzen und zusätzlich ein Nachbargrundstück kaufen.
Für die Unsterblichkeit der Marke, ist aber auch jenseits der Museumsmauern gesorgt. Im November 2015 erhielt Märklin die Auszeichnung "Marke des Jahrhunderts". Die gleichnamige Enzyklopädie vom Verlag Deutsche Standards schreibt über Märklin: "Es gibt Dinge, die eine Generation mit ihrer Kindheit verbindet, z.B. ein bestimmter Song. Und es gibt eine Marke, die Menschen generationsübergreifend mit ihrer Kindheit verbinden: Sie heißt Märklin."