Körber kauft Beratungsunternehmen Mit neuem Schwung gegen die Skepsis

Quelle: imago images

Die Digitaltochter des Mischkonzerns Körber übernimmt die deutsch-finnische Agentur Dain Studios – und will so anderen Mittelständern beweisen, welche Kraft in Daten steckt. Der erste Schritt dafür: Überzeugungsarbeit.

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Kennengelernt haben sich die Gründerinnen und Gründer von Dain Studios bei Nokia. Jetzt wollen sie das nächste Level erreichen. Ulla Kruhse-Lehtonen, Saara Hyvönen und Dirk Hofmann haben schon bei der längst untergegangenen Mobilfunklegende daran gearbeitet, Daten sinnvoll auszuwerten und einzusetzen. 2016 haben die alten Kollegen wieder zusammengefunden. Und mit Dain Studios ein Beratungsunternehmen mit Büros in Helsinki, Berlin und München aufgebaut, das Firmen vor allem bei Fragen rund um die Künstliche Intelligenz (KI) mit Rat und Quellcode zur Seite steht.

Jetzt hat der Mischkonzern Körber die Mehrheit an der auf 40 Mitarbeitern gewachsenen Beratung übernommen. Wie viel Geld für wie viele Anteile floss, verrät das Hamburger Unternehmen mit etwa 1,8 Milliarden Euro Jahresumsatz nicht. Man wolle dank der Übernahme die „Position als globaler Innovationsführer im Zukunftsfeld KI“ stärken, sagt Christian Schlögel, im Vorstand von Körber verantwortlich für Digitalisierung. Das ist wichtig, um das strategische Ziel zu erreichen: Bis 2025 will der Konzern mit 10.000 Mitarbeitern, der für Pharmaunternehmen, Tabakhersteller oder Verpackungsanbieter eigene Maschinen herstellt, 30 Prozent seines Umsatzes mit digitalen Produkten machen. Drumherum sind bereits heute zahlreiche Softwarelösungen entstanden, die beispielsweise dabei helfen, die Produktion zu steuern oder zu warten.

Unterschätzte Technologie

Jenseits der Vision wartet auf die beiden neuen Partner jedoch eine große Aufgabe: Denn viele ihrer potenziellen Kunden blicken mit deutlich weniger Enthusiasmus auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Bei einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC aus dem vergangenen Jahr unter 307 Mittelständlern ordneten 58 Prozent die strategische Bedeutung der Technologie als „sehr unbedeutend“ oder „unbedeutend“ ein. Die staatliche Förderbank KfW kam bei ihren Untersuchungen vor einem Jahr auf vier Prozent der Mittelständler, die bereits KI-Anwendungen im Einsatz hatten.

Dabei sehen die Firmenverantwortlichen durchaus die Chancen, die solche Systeme bieten könnten. In erster Linie geht es um einen höheren Automatisierungsgrad, eine effizientere Nutzung von Daten oder die Beschleunigung von bestehenden Prozessen, zeigt die PwC-Erhebung. Deutlich dahinter kommt die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die Hürden bleiben hoch: Knapp zwei Drittel der Mittelständler attestierten sich selbst noch „Kompetenzmangel“ in Sachen KI – und hielten sich mit Pilotprojekten und Investitionen lieber zurück.

Dain-Chefin Ulla Kruhse-Lehtonen. Quelle: PR

„Es gibt da noch eine große Skepsis“, räumt auch Daniel Szabo, Chef der eigenständigen Sparte Körber Digital ein. „Aber es gibt immer mehr Belege dafür, wie ein wirklicher Mehrwert geschaffen werden kann.“ Mit geballter Kraft wollen Körber und Dain Studios jetzt am Sinneswandel vor allem im produzierenden Gewerbe arbeiten. „Wenn man sich genauer damit beschäftigt, kann man es sehr gut nutzen, um seine Produkte schlauer zu machen“, unterstreicht Dain-Chefin Ulla Kruhse-Lehtonen. In der Vergangenheit halfen die Berater etwa einem finnischen Energieversorger, besser zu verstehen, über welche Kanäle er seine 700.000 Kunden am effizientesten ansprechen kann. Die erste Lektion: Die verstreuten Daten mussten an einem Ort zusammengeführt werden.

Beratung als Einstiegshelfer

Das Beispiel passt zum Kalkül der neuen Konstruktion: Dain Studios, das auch künftig eigenständig und unter eigenem Namen agieren soll, bietet sich Kunden als Einstiegshelfer an. Die Mitarbeiter beraten zu grundsätzlichen Strategien, unterstützen bei der Aufbereitung der Daten und bringen erste Projekte mit auf den Weg.  „Wir helfen Kunden, sich auf diese Reise zu begeben“, skizziert es Szabo. Muss eine eigene Lösung gebaut werden, springen andere Experten von Körber Digital ein. Und deutet sich an, dass auch andere Mittelständler diese neue Anwendung brauchen könnten, kann theoretisch sogar eine eigenständige Firma entstehen. 250 Mitarbeiter vereint die Digital-Sparte aktuell, in diesem Jahr soll sich die Anzahl verdoppeln. Mit einer Mischung aus Beratung, Entwicklung und Implementierung verfolgt Körber so selbstbewusste Ziele: „Wir wollen der größte Anbieter von KI-Lösungen für produzierende Unternehmen werden“, sagt Szabo.

Daniel Szabo ist Chef der eigenständigen Sparte Körber Digital. Quelle: PR

Auf seinem Weg steuert der Mischkonzern immer mal wieder nach. Im Sommer 2020 erst startete die Digitaltochter mit dem Plan, komplett eigenständige Firmen aufzubauen – als sogenannter Company Builder. In den ersten eineinhalb Jahren entstanden FactoryPal, das Maschinendaten aus der Produktion aufbereitet, sowie InspectifAI, das mit einer KI-Bilderkennung Medikamente überprüft. Eine weitere Firma befinde sich in der Ausgründung, zwei bis drei zusätzliche Ideen könnten in diesem Jahr noch sichtbar werden, berichtet Szabo.

Konkurrenz für Körber steht bereit

Neu ist nun, dass Zukäufe nicht mehr ausgeschlossen werden. Bewusst habe man sich etwa für eine Übernahme im Beratungsbereich entschieden, sagt Szabo. „Der Aufbau einer Beratung wäre intern schwer zu machen gewesen.“ Umgekehrt konnte Dain Studios seit der Gründung immer nur so stark wachsen, wie es die vorherigen Projekte ermöglichen. Unter dem Dach von Körber soll es nun schneller vorangehen.

Mit dem grundsätzlichen Konzept ist Körber Digital jedoch nicht allein auf dem deutschen Markt. Eine ganze Reihe an Dienstleistern dient sich Mittelständlern und Konzernen als Helfer an, um Daten zu verstehen und KI zu erproben. In Berlin baut der Company Builder Merantix, ausgestattet mit einem 25-Millionen-Euro-Fonds, einen eigenen „AI Campus“ auf. Zu Industriepartnern zählen unter anderem Evonik, Vitra, Continental. Auch Körber Digital hat dort seine Heimat gefunden.

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In etwas kleinerem Maßstab, aber ebenfalls mit großen Ambitionen, arbeitet Westphalia Data Lab aus Münster an einem ähnlichen Vorhaben: Die Spezialisten versuchen zunächst, für ein Unternehmen ein Problem mithilfe von KI zu lösen. Und bieten die Anwendung dann auch anderen Firmen an. Dazu kommen spezialisierte IT-Beratungshäuser wie etwa Valantic oder Statworx.

Die Hoffnung aller Akteure: Nach und nach trauen sich mehr Mittelständler, Budget in erste Datenprojekte zu stecken. Und dort, wo es gut läuft, kann das lokale Pilotvorhaben schnell auch weltweit ausgerollt werden. Körber könne eine Menge Türen öffne, sagt Ulla Kruhse-Lehtonen aus dem Gründerteam von Dain Studios, „so dass wir direkt an Projekten arbeiten können.“

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