Kongress der Familienunternehmen Ist Erben gerecht?

Viele Menschen erben nichts, manche ein ganzes Unternehmen. Ist das fair? Auf einem Kongress prallen die Ansichten aufeinander. Journalistin Friedrichs betont: „Es geht um die Dimension der Ungerechtigkeit.“

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Nicht alle einer Meinung (v.li.): Stefan Heidbreder (Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen), Jung-Unternehmener Armin Steuernagel, Journalistin Julia Friedrichs, Familienpsychologe Arist von Schlippe und Moderator Jörn Weingärtner, Geschäftsführer der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Witten-Herdecke.

Witten Eine heikle Frage steht im Raum. Drei Personen heben die Hand. Sie erklären damit, dass bei ihren Familienunternehmen die Wahrung des Vermögens im Vordergrund steht. Auf die vorherige Frage, ob ein Kundennutzen bei der Unternehmensführung der primäre Zweck sei, hatte sich dagegen ein Großteil der Anwesenden gemeldet. Armin Steuernagel, Jungunternehmer im Alter der Generation Y, sieht damit seine These bestätigt: Bei Familienunternehmen steht nicht primär der Profit im Vordergrund – sondern die Weiterführung des Unternehmens unter sozialen Aspekten.

Rund 300 Familienunternehmer sind am Freitag, 12. Februar, sowie Samstag, 13. Februar, zum 18. Kongress der Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke zusammengekommen. Unter dem Titel „Eigentum verpflichtet“ diskutierten sie über die Erbschaftssteuer. Insgesamt 41 Workshops beschäftigten sich mit dem Eigentumsbegriff, dem Umgang mit Eigentum sowie seiner Zukunft. Den gesamten Kongress über sind die Unternehmer dabei unter sich geblieben. Nun findet das Abschlusspodium statt. Es ist 14 Uhr und das Audimax füllt sich allmählich. Nach und nach wird auf den mit grünem Stoff bezogenen Stühlen Platz genommen, es wird getuschelt, Angespanntheit liegt in der Luft. Das Thema Erbschaft ist immer emotional. Über Geld spricht man nicht – es sei denn, man muss es abgeben.

Vorne sitzen Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, Armin Steuernagel, ein ambitionierter Jung-Unternehmener der Generation Y, Julia Friedrichs, die Journalistin, die mit ihrem Zeit-Magazin-Artikel im letzten Jahr die Erbschaftsdebatte neu entfachte, sowie Professor Arist von Schlippe, Psychologie-Professor und Familientherapeut. Eine bunte Mischung aus konträren Meinungen. Ist Erben gerecht? Oder zerstört es unseren sozialen Frieden? Was macht es mit der Psyche, wenn man Geld bekommt, ohne dafür gearbeitet zu haben? Und wenn es in Ordnung ist, dass jemand erbt, wie viel davon muss er abgeben? Sollte er überhaupt etwas abgeben, wenn er doch eigentlich Verantwortung erbt?

Julia Friedrichs eröffnet die Diskussion und betont: „Es geht um die Dimension der Ungerechtigkeit.“ 250 Milliarden Euro, schätzt sie, werden pro Jahr vererbt, wobei wenige viel erben – und die meisten gar nichts. „Es kommt zu einer ungleichen Vermögensverteilung und somit zu unterschiedlichen Startchancen“, sagt die Journalistin und Buchautorin. Das diene nicht dem Wettbewerb und sei schlecht für unser Demokratieverständnis. Damit heizt Friedrichs die Diskussion an, wird immer wieder zum Zündstoff für aufkommende Meinungsverschiedenheiten. Ihre Thesen sorgen teils für Unmut in der Zuschauermenge.


„Unternehmen sind für den Kundennutzen da“

Ihr größter Kontrahent: Stefan Heidbreder. „Ein Erbe eines Familienunternehmens bekommt nicht mit seiner Geburt einen Sack voll Geld mit auf den Weg gegeben“, setzt er Friedrichs’ Ausführungen entgegen. „Das Vermögen ist in dem Betrieb investiert.“ Dort bei einem Erbfall das Geld für die Steuer herauszuziehen, brächte große Wettbewerbsnachteile mit sich. Manche Betriebe könnten es gar nicht bezahlen, eine Erbschaftsteuer würde sie zerstören.

Das Publikum ist bei ihm – und nicht unbedingt bei Friedrichs. Eine Person, die sich zu Wort meldet, findet das Thema ungleiche Vermögensverteilung müßig; der nächste, der nach dem Mikrofon greift, ist der Auffassung, dass man auch ohne mit einer Erbschaft ausgestattet zu sein, Vermögen aufbauen könne.

Viel positive Resonanz bei den Unternehmern erhält auch Diskutant Steuernagel: „Unternehmen sind für den Kundennutzen da“, erläutert er seine Ansicht. „Das Unternehmen gehört sich selbst. Als Unternehmen ist man immer nur der Treuhänder.“ Das hieße, dass im Grunde genommen bloß die Verantwortung weitervererbt werde. Dadurch lassen sich Familienbetriebe von Shareholder-Value-Unternehmen abgrenzen, bei denen es vorwiegend um eine Steigerung des Vermögens geht. „Wir brauchen eine neue Rechtsform, die gemeinsam mit der Politik erarbeitet werden soll“, plädiert Steuernagel. „Es muss zwischen Verantwortungs-Weitergabe und Vermögens-Weitergabe unterschieden werden.“

Aber nicht nur die vier Personen auf dem Podium haben unterschiedliche Ansichten über das Erben – auch innerhalb von Familien, in denen vererbt und geerbt wird, wird darüber gestritten. Das weiß Familienpsychologe Schlippe: „Erbschaften sorgen für ein hohes Konfliktpotenzial innerhalb einer Familie.“

Dennoch betont Friedrich, dass Vererben keine private Familienangelegenheit sei. „Wir müssen offen darüber reden, dass große Vermögen vererbt werden. Die finanzielle Architektur unserer Gesellschaft ist bedroht“, so die Journalistin. Deutschland verteile überwiegend beim Einkommen um, nicht beim Vermögen. „Wie können Mensch ohne Vermögen heute noch aufsteigen?“, fragt sie.

Nach anderthalb Stunden wird die Diskussion beendet. Die eingeplante Zeit ist vorbei und die Argumente drehen sich im Kreis. Fest steht: Es muss einen neuen Diskurs in der Gesellschaft geben. Wie verteilt man Einkommen? Wie Vermögen? Und was ist das überhaupt? Was soll dabei aus den Familienunternehmen werden? Eine Lösung wurde auf dem Abschlusspodium nicht gefunden.

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