KraussMaffei-Chef Stieler "Chinesen haben Hochachtung vor Deutschland"

Die Einkaufstour chinesischer Investoren verunsichert viele Menschen hierzulande. Die Geschichte von ChemChina und KraussMaffei zeigt: Die Investoren gehen mit Bedacht und Respekt vor.

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Ting Cai, Chairman und CEO der China National Chemical Equipment Co. Ltd., Frank Stieler, CEO der KraussMaffei Gruppe, und Chen Junwei, CEO von ChemChina. Quelle: dpa

Das neue Kapitel in der Unternehmensgeschichte von KraussMaffei beginnt zwischen den Guilin Bergen in der Provinz Guangxi im Nordosten Chinas und dem Münchener Hofbräuhaus am Platzl 9 zwischen Marienplatz und Residenz. Bei Brezen, Weißbier und Schweinsbraten mit Kartoffelknödel in dunkler Soße haben KraussMaffei-Chef Frank Stieler und Ren Jianxin, der Vorstandsvorsitzende des chinesischen Chemiekonzern ChemChina über die potenzielle Zusammenarbeit gesprochen.

„Wir glauben an das Management und ihre Mannschaft“, sagt Ren Jianxin an jenem Herbstabend im Hofbräuhaus sinngemäß zu Stieler. Immer wieder wird er in den nächsten Tagen und Wochen dem deutschen Manager sein Vertrauen aussprechen und der Konzern ChemChina den Spritzgussmaschinenhersteller schließlich für 925 Millionen Euro kaufen.

Die Übernahme von KraussMaffei reiht sich in eine Serie von Akquisitionen, die chinesischen Investoren in jüngster Vergangenheit im deutschen Mittelstand getätigt haben. Der Baumaschinen- und Pumpenhersteller Putzmeister, der Gabelstaplerspezialist Kion, der Schließsystemehersteller Kiekert und die Autozulieferer Koki und Hilite – sie alle gingen ins Reich der Mitte. Aktuell bietet der chinesische Hausgerätehersteller Midea für den den Augsburger Industrie-Roboterhersteller Kuka.

Die chinesischen Investoren gelten als Strategen. Sie wollen technologisch dazulernen, die deutschen Marken erhalten. Nur in Ausnahmefällen kam es bisher zu Produktionsverlagerungen nach China. Dennoch zeigt die politische Debatte, die die mögliche Kuka-Übernahme entfacht hat: Vielen Menschen ist nicht wohl bei dem Gedanken, das Perlen des deutschen Mittelstands und Maschinenbau künftig unter chinesischer Flagge auf den Weltmärkten auftreten.

Frank Stieler kann im Fall von KraussMaffei beruhigen. Er hat im vergangenen dreiviertel Jahr viel Zeit mit den neuen Eigentümern aus dem Reich der Mitte verbracht. Sein Fazit: „Ich habe bisher nicht erlebt, dass sich ein Konzern bei einer Akquisition so viel Zeit genommen hat, Management und Mitarbeiter kennen zu lernen.“ Nach der Kontaktaufnahme mit dem bisherigen Eigentümer, dem kanadischen Investor Onex, wendet sich das Management von ChemChina an Stieler und seine Kollegen. An einem Nachmittag im November zeigt er der chinesischen Delegation die Produktion in Münchener Stadtteil Allach.

Kraussmaffei auf einen Blick

Ren Jianxin will es genau wissen. Er geht zu einem der Maschinenbediener in der Taktmontage für Spritzgießmaschinen, schüttelt ihm die Hand, fragt nach, nickt interessiert. Stieler lächelt, wenn er von diesen Tagen erzählt. „Wir haben hier Mitarbeiter in der vierten Generation, die haben ein anderes Interesse als jemand, der nach fünf Jahren wieder weg ist“, sagt er.

Symbolträchtige Renovierungen

In zwei Jahren feiert KraussMaffei sein 180. Firmenjubiläum. Die Wurzeln des Unternehmens reichen bis ins Jahr 1838 zurück. Die Gebäude in  Allach atmen die Historie mit jeder Pore – die Buntglasfenster im Anbau, das schmiedeeiserne Treppengeländer, auf dem schwarze Krallen eine Kugel umschließen – Ren Jianxin hat sie auf dem Weg zu Stielers Büro ebenfalls bewundert. Der Chef des Maschinenbauers sitzt im ersten Stock. Vor seinem Fenster blühen die Kastanien. Im Innenhof, zwischen den Bäumen weht eine blau-weiße KraussMaffei-Fahne, daneben die deutsche und europäische Flagge. „Wir sind ein deutsches Unternehmen. Das zeigen wir auch weiterhin. Wenn wir Besuch aus China haben, zeigen wir natürlich auch die chinesische Flagge“, sagt Stieler.

Drinnen wird gebohrt und gehämmert, dass die gläsernen Schaukästen nur so vibrieren. Vor dem Büro des Chefs sind die Produkte drapiert, die KraussMaffei-Maschinen hervorgebracht haben: Zahnbürsten, Einmalrasierer, Kanülen, Spritzen, Schraubverschlüsse aus Plastik. Zu den größten Kunden zählt die Autoindustrie, die Maschinen für Frontmodule, Armaturenbretter oder Reifen ordert.

Die Renovierungsarbeiten im Konzern wirken schon fast symbolisch. Selbst im Ahnensaal wird gehämmert. Natürlich hat Stieler die Delegation von ChemChina auch hier empfangen. Fünfzehn in Goldrahmen gefasste Porträts ehemaliger KraussMaffei-Chefs und Aufsichtsratsvorsitzender verleihen dem Raum eine stille Würde. Ren Jianxin sei beeindruckt gewesen, erzählt Stieler.

Ausgewählte Beteiligungen chinesischer Unternehmen in Deutschland 2015

Die Gäste und er nahmen auf den schweren Eichenstühlen Platz. „In einer solche Atmosphäre entwickeln sich andere Gespräche als in einem modernen, sterilen Konferenzraum“, sagt Stieler. Man denke unweigerlich darüber nach, ob man ganz im Sinne der Gründer handle. Stieler ist sich sicher, das zu tun. Mit ChemChina bekommt KraussMaffei einen strategischen Investor. „ChemChina vertraut uns einige seiner chinesischen Standorte an. Ein immenser Vertrauensbeweis und eine große Verantwortung“, sagt Stieler.

Die Angst, dass die Chinesen die europäischen Standorte auf den Kopf stellen, hält er für unbegründet. Es sei gerade andersherum. „Die Chinesen sehen mit viel Hochachtung auf Deutschland", sagt Stieler. Auf einer 10-tägigen Rundreise zu den Standorten der ChemChina-Gruppe sei ihm das Ausmaß der Mission klar geworden – mitten in den Guilin-Bergen, einem Wahrzeichen Chinas, das auf den 20-Yuan-Scheinen zu sehen ist.

Hier ragen die Berge wie grüne Zuckerhüte aus der Erde, umgeben von Seen und Flüssen. Vor einer solchen Kulisse kann man schon mal philosophisch werden. Der aufstrebenden Nation bei ihrem Vorhaben zu helfen, so erfolgreich zu sein wie Deutschland, das sei schon etwas Besonderes. Nicht der, der die Rechnung zahlt, sondern der Gekaufte weist dafür den Weg. Stieler: „Die Chinesen sagen: Ihr seid Weltmarktführer, zeigt uns, wie das geht.“

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