Lamy Alles noch mal neu schreiben

Lamy entwickelt sein Produkt in immer neuen Variationen. Der Heidelberger Stiftehersteller lässt sich dabei viel Platz für Ideen – und Zeit.

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Mittelstand: Lamy erfindet sich ständig neu. Quelle: PR

Wer die Firma Lamy verstehen will, muss in die Heidelberger Innenstadt kommen. Ende Februar hat das Unternehmen hier seinen ersten Flagship-Store eröffnet. In einer Vitrine inszenieren Scheinwerfer die 450 Euro teure Sonderedition zum 50. Geburtstag des klassischen Füllers Lamy 2000. Auf der gegenüberliegenden Seite des hellen Verkaufsraumes gibt es den wesentlich preisgünstigeren Lamy Safari. Mit dem Modell haben Millionen Schüler ihre ersten Klassenarbeiten geschrieben. Für die jüngste Zielgruppe liegen weiter hinten Deckfarbkästen und Buntstifte in den Regalen.

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Rund 200 unterschiedliche Modelle hat Lamy im Sortiment. Sie alle sind hier ausgestellt wie in einer Galerie. Die 100 Quadratmeter in der Heidelberger Altstadt sind damit mehr als bloß ein Geschäft für Kugelschreiber und Füllfederhalter. Sie verkörpern die DNA des größten deutschen Schreibgeräteherstellers: Auf der Basis schnörkelloser Formen und hoher Funktionalität stellt das Unternehmen so ziemlich alles an, was man mit Stiften machen kann, Und das seit nunmehr 86 Jahren.

Die Heidelberger lassen einen Stift nicht einfach Stift sein, sie streben ständig nach neuen Varianten. Schon von der Straße aus sieht man auf dem sieben Kilometer von der Innenstadt entfernten Firmengelände die sogenannte Innovationswerkstatt. In dem Glasbau mit schwarz verspiegelten Scheiben experimentieren rund 50 Techniker, Designer und Marketingexperten an den Schreibgeräten von morgen. Ihr jüngstes Produkt ist der Lamy Screen, der dieses Jahr auf den Markt gekommen ist. Eine Kugelschreibermine auf der einen und eine Silikonspitze auf der anderen Seite machen es möglich, sowohl auf Papier zu schreiben als auch auf Tablets und Smartphones zu tippen. Rund drei Jahre hat Lamy an dem Multifunktionsstift getüftelt. Eine solch langwierige Entwicklung kostet nach Unternehmensangaben rund eine Million Euro.

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Manchmal dauert es noch länger, bis ein Produkt reif für den Markt ist. Am Modell dialog 3 etwa haben die Heidelberger acht Jahre gearbeitet. Herausgekommen ist ein Drehfüllhalter ohne Kappe. Wer ihn auseinanderbaut und ins Innere schaut, fühlt sich an ein Uhrwerk erinnert. Die Feder fährt durch einen Drehmechanismus heraus, gleichzeitig versenkt sich der Ansteckclip, sodass der Benutzer nicht in Gefahr kommt, den Stift bei ausgefahrener Mine ans Jackett zu heften und so Flecken zu riskieren.

Doch wer greift in Zeiten von Smartphones und Tablets eigentlich überhaupt noch zu Stift und Papier? „Es gibt immer mehr Leute, die schreiben“, sagt Bernhard Rösner, der seit 2006 an der Spitze des größten deutschen Schreibgeräteherstellers steht. „Zumindest mit Lamy.“ Der Umsatz, den die rund 320 Mitarbeiter erwirtschaften, ist zuletzt jährlich im zweistelligen Bereich gewachsen, dieses Jahr wird er vermutlich bei rund 110 Millionen Euro liegen.

Unverrückbare Grundsätze

Das verdankt Lamy auch der erfolgreichen Expansion ins Ausland: Vor zehn Jahren noch hatte sich das Unternehmen nur auf den deutschen Markt konzentriert, inzwischen ist es in 15 Ländern mit eigenen Geschäften vertreten, Tendenz steigend. „Wir sind von einer deutschen zu einer Weltmarke geworden“, sagt Rösner. Seit vier Jahren hat das Unternehmen zudem einen Internetshop, Ende kommenden Jahres soll er weltweit aus 80 Ländern zu erreichen sein.

„Auch da, wo vermeintlich schon alles erfunden ist, kann man immer noch etwas weiterentwickeln“, gibt Rösner als Devise vor. Da ist etwa das Modell pico. Mit einer Länge von neun Zentimetern passt es in jede Hosentasche, erst nach Betätigen eines Druckknopfs entfaltet es sich auf die schreibtaugliche Länge von zwölf Zentimetern. Der Lamy spirit hingegen eignet sich mit seinem kleinen Durchmesser besonders gut, um ihn an den Taschenkalender zu heften. Und der Lamy st tri pen vereint Kugelschreiber, Druckbleistift und Textmarker in einem. Bevor das Unternehmen vor vier Jahren eigene Buntstifte auf den Markt brachte, holten die Entwickler eine Kosmetikfirma ins Boot, um die Stifte beim Malen weich wie Kajal zu machen.

Bei all den Variationen bleiben einige Grundsätze unverrückbar: Das Design folgt dem Bauhaus-Prinzip der schlichten Formen und hohen Funktionalität. Dazu engagiert das Unternehmen stets externe Designer. Bekannte Kreative wie Franco Clivio, Richard Sapper und Naoto Fukasawa haben bereits für Lamy gearbeitet. Mit großem Erfolg. Weltweit hat kein Schreibgerätehersteller mehr Designpreise gewonnen. Und bei der Produktion verlässt sich Lamy nur auf Lamy. Das Unternehmen stellt jedes Teil seiner Stifte selbst her – sogar die Plastik-Tintenpatronen für die Füller.

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