LKW-Raub So jagen Diebesbanden auf Autobahnen nach Beute

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"Geklaut wird alles, was sich irgendwie verkaufen lässt."

Einer, der seit Jahren auf Abhilfe drängt, ist Ulrich Franke. Der ehemalige Logistikprofessor hat vor zwei Jahren das Institute for Supply Chain Security (ISCS) in Dortmund gegründet. Dort forscht er daran, wie Unternehmen Lieferketten sicherer gestalten können. Das Problem betrifft alle Branchen und Firmen. „Die organisierte Kriminalität dringt wie ein Krebsgeschwür in die Unternehmen“, sagt er. „Geklaut wird alles, was sich irgendwie verkaufen lässt.“

So stahlen Unbekannte am Wochenende des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft im Juli 2014 zum Beispiel rund 400 000 Flaschen Bier aus einem Lager in Krefeld im Wert von zwei Millionen Euro. Im November verschwand in Lübeck ein Lkw inklusive 20 Motoren im Wert von 525 000 Euro. Und aus einem Lkw auf einem Rastplatz in der Nähe von Kassel nahmen Diebe sogar 20 Tonnen Haselnüsse mit – für rund 250 000 Euro. Eine wertvolle Beute. Denn im Gegensatz zu Elektroartikeln lassen sich Nahrungsmittel nicht durch Seriennummern zurückverfolgen.

Musterbeispiel Niederlande

Besonders im Bundesland Nordrhein-Westfalen steigt die Straßenkriminalität, wie die Zahlen von Tapa zeigen (siehe Karte). Von den 330 der Polizei bekannten Fällen im vergangenen Jahr konnten die Ermittler nur acht aufklären. Der Grund für die steigenden Fallzahlen liegt jenseits der Grenze: In den Niederlanden haben die Behörden aufgerüstet. Die Polizei gründete ein Sondereinsatzkommando, Rastplätze wurden mit zusätzlichen Laternen und Sicherheitskameras ausgestattet. Knapp zehn Prozent weniger Vorfälle verzeichnete die Tapa im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2013. „Die Niederlande sind ein Musterbeispiel“, sagt Tapa-Chef Neumann.

Entsprechend sind viele Räuber gen Osten nach Nordrhein-Westfalen gezogen. Denn Dunkelheit ist für sie die beste Kulisse, um nachts über die Rastplätze zu schleichen und Lkw-Planen aufzuschlitzen. Der Fahrer bemerkt den Schaden in der Regel erst am nächsten Morgen – oder dann, wenn er die Ladung übergibt. Hinzu kommt, dass viele der Lkw-Fahrer auf deutschen Straßen nur auf der Durchfahrt sind und oft kein Deutsch sprechen. Deshalb wenden sie sich selten direkt oder zu spät an die örtlichen Behörden. Das erschwert es den Polizisten, Tatzeit und Tatort im Nachhinein noch zu bestimmen.

Domäne für Detektive

Viele Spediteure und Auftraggeber trösten sich anfangs damit, dass die Versicherung den Schaden in der Regel übernimmt, solange die Betroffenen nicht grob fahrlässig gehandelt haben. Doch wenn die Fälle sich in einem bestimmten Unternehmen häufen, werden die Versicherer aktiv. „Im Schadenfall empfehlen wir unseren Versicherungsnehmern nachhaltige Maßnahmen, die Frachtdiebstähle verhindern können“, sagt Axel Salzmann von der Kravag Versicherung in Wiesbaden, dem Marktführer in der Logistikbranche. „Wenn es dann zu weiteren Fällen kommt, ist eine Kündigung nicht auszuschließen.“ Für den Spediteur bedeutet das meistens die Insolvenz. Denn ohne Transportversicherung kann er keine Aufträge fahren.

Bei besonders wertvollen Ladungen versuchen die Versicherungen mitunter sogar, die Diebe selbst aufzuspüren, und setzen stattliche Belohnungen für Hinweise aus. Oder sie beauftragen private Ermittler wie Michael Hepperle. Der 56-Jährige ist Ermittler und Leiter der Präventionsabteilung bei der Acon Detektei in Solingen bei Düsseldorf, die sich unter anderem auf die Aufklärung von Frachtdiebstählen spezialisiert hat. Hepperle sucht in ganz Europa nach verschwundenen Lkw-Ladungen – von Laptops über Maschinenbauteile bis hin zu geklauten Waschpulver- oder Kupferlieferungen.

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