Luftreiniger-Hersteller Venta Viel Nachfrage kann auch eine schlechte Nachricht sein

Quelle: Presse

Die Coronakrise heizte weltweit die Nachfrage nach Luftreinigern an – auch beim Hersteller Venta. Bei der Firma aus Baden-Württemberg sorgte der Boom dennoch für ein Problem: Das Unternehmen hatte anderes vor.

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Es ist davon auszugehen, dass sich Andreas Wahlich seinen neuen Job ruhiger vorgestellt hat. Nach Jahrzehnten bei internationalen Technologiekonzernen wie Sony und Leica, zuletzt als Head of Sales and Marketing bei Samsung Electronics, trat er Mitte 2020 seine neue Stelle als CEO beim Mittelständler Venta an. Von der Welt der südkoreanischen Chaebols in die oberschwäbische Provinz, nach Weingarten, eine Stadt, die vor allem für ihren alljährlichen Blutritt, einer Reiterprozession, am Freitag nach Christi Himmelfahrt bekannt ist.

Doch mit Ruhe hatte seine bisherige Zeit nichts zu tun. Denn Venta, 1981 gegründet, konnte sich vor Kundenanfragen kaum retten. Die Firma stellt Luftwäscher und -reiniger her, Geräte, die in aerosolbewegten Zeiten einen Nachfrageschub erleben. „Das ist natürlich erst einmal sehr positiv für uns“, sagt Wahlich. „Langfristig hatte die Situation für uns allerdings auch ein paar Nebeneffekte, die es galt, zu bewältigen“, erklärt er weiter. Statt einer strategischen Neuausrichtung, für die er eigentlich geholt worden war, musste er nun zunächst das explodierende Tagesgeschäft managen. Und die Nebenwirkungen der Pandemie sorgten dafür, dass der angedachte Wandel von Venta, weg vom Maschinenbauer und hin zum Systemlieferanten, zunächst auf Eis lag. Corona trifft so hinterrücks auch Unternehmen, die eigentlich profitieren sollten.

Gegründet wurde Venta von Alfred Hitzler. Der gelernte Flugzeugbauingenieur erkannte Ende der Siebzigerjahre das Geschäftspotenzial, das Luftreinigung im vom Smog geplagten Deutschland haben könnte. Er entwickelte einen Luftwäscher, zwar nicht den ersten überhaupt, aber den ersten, der eine integrierte Walze hatte. Diese bestand aus einem Plattenstapel, der bei der Wasserverdunstung hilft. Und „Plattenstapel“ ist hier wörtlich zu nehmen: In den damaligen Prototypen setzte Hitzler noch auf Schallplatten. Diese drehten sich durch ein Becken mit Leitungswasser, das dadurch verdunstete, gleichzeitig blieben Staub oder Pollen auf den Platten hängen.

In den folgenden Jahren erweiterte das baden-württembergische Unternehmen das Angebot immer weiter, heute verkauft Venta rund 2,5 Millionen Geräte im Jahr. Mittlerweile gehören auch Luftreiniger zum Sortiment, die im Gegensatz zu den Luftwäschern nicht nur die Luftfeuchtigkeit regeln, sondern auch kleinste Partikel herausfiltern, wie zum Beispiel Aerosole.

von Julian Heißler, Anja Holtschneider, Jürgen Salz, Christian Schlesiger, Silke Wettach

Als Wahlich 2020 als CEO auf Unternehmenspatriarch Hitzler folgte, waren die Ziele klar: Expansion nach Asien und den Umbau der Venta GmbH zum Systemanbieter. „Der Plan war, den Menschen Sensoreinheiten, Luftreiniger und -wäscher sowie die passende Steuerapp aus einer Hand zu verkaufen“, erklärt er. Dabei sollte der Samsung-gestählte Manager mit seiner Erfahrung im Bereich Consumer Electronics helfen. Venta sieht sich selbst als Premiumanbieter, der nicht mit Billigherstellern aus China konkurriere. Da die Fertigung in Weingarten bleiben soll, wollte man das Angebot nun noch hochwertiger gestalten.

Doch daraus wurde erstmal nichts. Stattdessen kam Corona und damit ein nie dagewesener Schub für Firmen, die ihr Geld mit sauberer und guter Luft verdienen. „Als ich kam, herrschte natürlich erstmal etwas Chaos“, berichtet Wahlich. In normalen Zeiten seien die Kunden von Venta vor allem Endverbraucher. Aber mit der Pandemie kamen plötzlich Unternehmen auf Wahlich und seine Mitarbeiter zu. „Das waren Arztpraxen und Anwaltskanzleien, im Prinzip alle, die mit Raumgrößen bis 100 Quadratmeter arbeiten“, sagt er. Auch Schulen hätten vermehrt Produkte bezogen.

In Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2021 gut 400.000 Luftreiniger und -filter verkauft, mehr als im Vorjahreszeitraum, in dem die Branche bereits ein deutliches Plus verzeichnet hatte. Der Umsatz bis Mitte 2021 lag bereits bei 110 Millionen Euro.

So schön diese Zahlen sind, für die Pläne, Venta zum Systemlieferanten zu machen, bedeuteten sie nichts Gutes. Zunächst wurde alle Kraft gebraucht, um die explodierende Nachfrage zu befriedigen. Nun, wo sich die Situation wieder ein wenig beruhigt hat, fehlen plötzlich Teile. „Materialkomponenten, Elektronik et cetera sind deutlich teurer als noch vor einem Jahr“, sagt Wahlich. Dazu kommen Lieferschwierigkeiten, die aktuell alle Unternehmen ausbremsen.

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Der Start des neuen Komplettangebotes ist nun für das Frühjahr geplant. „Da reden wir von einem Jahr Verzug, das ist kein Beinbruch“, sagt Wahlich. Aber es sei schade, da gerade in der aktuellen Zeit viel Interesse an einem solchen Angebot bestünde. Immerhin die App ist seit Mitte 2021 auf dem Markt, seit Ende 2021 auch das entsprechende Sensorgerät, das dann die Venta-Maschinen steuern soll. Mit einem neuen Luftreiniger, der im Frühjahr folgt, wird das Smart-Home-System dann „scharf“ geschaltet.

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