Luxus made in Germany Mehr Uhr braucht der Mann

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„Die Gesamtkomposition ist ein Genuss“

Wo kommen denn bei Ihnen die Ideen her, Frau Wellendorff?

Wellendorff: Unsere Ideen entstehen vor allem bei der Begegnung mit unseren Kunden und Mitarbeitern. Nehmen Sie etwa unsere Jahresringe-Linie, das fing 1997 an. Damals kam aus Hongkong der Wunsch nach einem besonderen Schmuckstück anlässlich der Übergabe der Kronkolonie an China. Wir entwarfen den Hongkong-Ring, den unsere Kunden auch nur dort kaufen konnten. Außerdem gab es nur 97 Exemplare. Das darauffolgende Jahr war das Jahr des Tigers, und passend dazu brachten wir den Tigerring auf den Markt, dieses Mal weltweit zu kaufen, aber ebenfalls limitiert, auf 98 Stück. Heute sind die Jahresringe die begehrtesten Sammlerstücke.

Bei der Digitalisierung hingegen verweigern Sie sich beide – weder Junghans noch Wellendorff haben einen Onlineshop.

Wellendorff: Wir haben eine zeitgemäße Website und nutzen soziale Medien. Es ist für uns eine Möglichkeit, mit den Kunden zu kommunizieren. Wir handeln mit einem sehr emotionalen Gut, das man anfassen will, das steht im Gegensatz zur digitalen Welt.

Stotz: Der beste Ort, um eine Uhr zu kaufen, ist immer noch der Händler. Die digitale Welt gehört dazu, man kann sich davon nicht fernhalten und muss diese weiter ausbauen. Wir nutzen diese Kanäle ebenfalls fürs Marketing.

Heißt das, dass auch digitale Produkte keine Rolle spielen werden?

Wellendorff: Wir haben in unserem kleinen Firmenmuseum ein altes Etruskerschwert, über 2600 Jahre alt. Ein Smartphone hält dagegen höchstens zwei Jahre. Das ist nicht die Dimension, in der wir über Produkte nachdenken. Wir wollen Langlebiges schaffen.

Teilen Sie diese Fortschrittsskepsis?

Stotz: Junghans steht da in einer anderen Tradition. Ich trage immer zwei Uhren, einen Designklassiker und eine Retro-Smartwatch. Diese Uhr haben wir Ende der Neunzigerjahre entwickelt. Sie hat Funkuhrwerk, ein Solarziffernblatt und einen Transponderchip, mit dem ich bei Junghans Türen öffne und mein Mittagessen zahle. Wir waren Innovationsführer, als keiner diese Produkte wollte. Die Tradition für technische Innovationen gibt es also durchaus. Heute fehlt uns der direkte Marktzugang — den haben die großen Digitalkonzerne.

Im besten Falle bauen Sie also noch die Teile ein, die andere erfinden?

Stotz: Mit der Rolle werden wir uns nicht zufriedengeben. Aber wir sind offen für Partnerschaften. Wenn wir eine Uhr gestalten können, die aussieht wie eine Junghans, aber so viel kann wie eine Apple Watch — das wäre schon grandios. Derzeit geht der Trend aber in eine andere Richtung: Die Smartwatch wird immer günstiger und daher perspektivisch eher in Niedriglohnländern gefertigt.

Apropos Trends — reagieren Sie darauf?

Wellendorff: Was heute in ist, kann auch morgen wieder out sein. Dieses Spiel wollen wir nicht spielen. Wir wollen Klassiker kreieren.

Wie erkennt man denn einen solchen?

Stotz: Da müssen Sie nur in unseren Katalog gucken (lacht). Nein, das ist natürlich schwer. Als Max Bill seine Uhr entworfen hat, war die nicht halb so erfolgreich wie heute. Er war seiner Zeit einfach voraus.

Zu den Interviewpartnern

Wie häufig mit Klassikern in der Literatur ...

Stotz: Wenn ich mit unseren Designern über neue Uhren spreche, frage ich mich immer: Was sagt mir diese Uhr? Möchte ich sie selbst gerne tragen? Für was steht die? Ich glaube, das ist ganz wichtig. Das schafft man aber nur, wenn man über jedes Detail, jeden Strich, jede Zeigerstärke diskutiert. Es ist wie bei einem guten Essen im Lokal: Da lassen sich die einzelnen Komponenten oft nicht erkennen, aber die Gesamtkomposition ist ein Genuss.

Aber es gilt doch den eigenen Geschmack zu überlisten. Vieles von dem, was ich vor fünf Jahren mochte, würde ich mir heute nicht mehr kaufen.

Wellendorff: Sie bewerten nur das Design, ein Schmuckstück ist aber mehr. Am Ende zählt doch das Gefühl. Ihren Ehering etwa, der wird Sie immer an diesen besonderen Moment mit Ihrer Frau erinnern.

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