Schramberg im Schwarzwald. Unternehmenssitz von Junghans, einst größter Uhrenhersteller der Welt. 1903 war das, heute wirkt das riesige Firmengelände verwaist, der düstere Schwarzwald drumherum trägt seinen Teil zur morbiden Szenerie bei. Die knapp 124 übrig gebliebenen Mitarbeiter finden in einem einzigen Gebäude Platz. Doch es wird wieder gebaut. Der berühmte Terrassenbau, eine industrielle Architektur-Ikone, wird nach einem Vierteljahrhundert Leerstand zum Museum umfunktioniert. Das darf sich Schmuckherstellerin Claudia Wellendorff, die aus dem nahen Pforzheim angereist ist, gleich anschauen. Nach der Privatführung nehmen beide im verglasten Gesprächsraum, umgeben von Uhrenwerkstätten, Platz.
Die beliebtesten Uhren
Das Unternehmen Chronext für gebrauchte Uhren hat 10 Millionen Suchanfragen des zweiten Halbjahres 2015 ausgewertet. Am häufigsten gesucht wurden vor allem Uhren einer Marke.
Die Rolex Submariner. Das ursprünglich als Sportuhr geplante Modell erfreut sich nicht nur großer Beliebtheit, sondern zeigt sich auch über Jahre als wertstabil. Ganz weit vorne in der Gunst der Kunden liegt die Version mit schwarzer Lünette.
Die Datejust ebenfalls von Rolex wurde erstmals 1945 präsentiert. Zehn Jahre später erhielt das Uhrglas eine kleine Lupe, die es erlaubt, das Datum genauer abzulesen. Mit 36 Millimetern Durchmesser ist sei vergleichsweise kompakt.
Die Cosmograph Daytona ist ebenfalls von Rolex und ist ausgerechnet als Stahlmodell vergleichsweise selten. Seit dem Jahr 2000 steckt in der Daytona auch ein eigenes Werk, zuvor wurde eines von Zenith verwendet.
Platz 4 geht an: Rolex. Die GMT-Master II ist eine Uhr, die mehrere Zeitzonen anzeigt. Die Lünette, ist drehbar und mit zwei Farben ausgestattet, die Tag und Nacht signalisieren. Ein eigener Zeiger ist für die Zeit in einer anderen Ecke der Welt.
Und auf Platz 5 folgt erstmals eine andere Marke, kaum weniger ikonisch: Omega. Das Modell Speedmaster, das auch als Moonwatch oder Speedy bezeichnet wird war ursprünglich eine Uhr für den Autorennsport. Sie war an Bord der Apollomission 1970.
WirtschaftsWoche: Frau Wellendorff, Herr Stotz, Sie beide schreiben sich deutsche Wertarbeit auf die Fahnen, dabei agieren Sie in völlig unterschiedlichen Preisklassen. Geht das?
Matthias Stotz: Junghans baut seit 1861 Uhren, die sich jeder leisten kann. Im Schwarzwald wurden damals vor allem Holzräderuhren gebaut, doch aus Amerika drohte Konkurrenz durch die ersten industriell gefertigten Uhren. Um dagegenzuhalten, begannen Erhard Junghans und sein Schwager industrielle Uhren zu bauen.
In einer Junghans-Uhr steckt also gar kein Handwerk mehr?
Stotz: Es steckt auch heute noch in jeder Uhr viel Handarbeit. Junghans war immer ein Unternehmen, das handwerkliche Tätigkeiten industriell übersetzt hat. Noch heute werden unsere Uhren von Hand gezeichnet, montiert und geprüft – auch bei unseren Einstiegsmodellen für rund 300 Euro.
Claudia Wellendorff: Unsere Philosophie ist eine etwas andere. Der Urgroßvater meines Mannes hat uns folgenden Leitspruch mitgegeben: Wenn du Erfolg haben willst, nimm nur die besten Materialien, die besten Spezialisten und statte sie mit den besten Werkzeugen aus. Nur dann bekommst du auch den besten Schmuck. Wir gehen in die Tiefe statt in die Breite. Pro Tag stellen wir nur 30 bis 40 Schmuckstücke her.
Stotz: Bei uns sind es heute wieder 60 000 im Jahr. Und das ist wenig im Vergleich zu früher: Da hatten wir 9000 Uhren pro Tag.
Damals, als Junghans noch größter Uhrenhersteller der Welt war. Wollen Sie dahin zurück?
Stotz: Nahezu jedes Unternehmen wünscht sich doch, erfolgreich zu sein, und wir wollen auch weiter wachsen, aber die Zeit ist heute eine andere und unsere Produkte auch.
Misst sich Erfolg also an der Größe?
Wellendorff: Nein. Wir haben uns vor ein paar Jahren zusammengesetzt und uns gefragt: Wie sieht Wachstum bei Wellendorff aus? Wir kamen zu dem Ergebnis, dass Wellendorff dauerhaft in Familienhand bleiben soll. Und je größer ein Unternehmen wird, desto größer wird die Organisation und desto mehr Managementebenen müssen eingezogen werden. Das wollen wir nicht. Wir wollen den familiären Charakter zu unseren Mitarbeitern und unseren Kunden nicht verlieren.
Kann man in Ihrer Branche denn wirklich mit Made in Germany werben? Bei Autos und im Maschinenbau klingt das logisch, aber bei Luxus?
Stotz: Ja, für uns ist das ganz entscheidend. 1961 waren wir in über 100 Ländern vertreten, heute sind es knapp 30. Gerade jetzt, wo wir kleiner sind, ist die Herkunft und das damit einhergehende Qualitätsversprechen ein entscheidendes Verkaufsargument. Anders als die Schweizer Produkte stehen die deutschen Uhren dabei nicht nur für technische Qualität, sondern auch für ein besonders klares Design. Die reduzierte, funktionale Formensprache, die deutsche Architekten im Bau und Interieur groß gemacht haben, für die stehen auch unsere klassischen, schlichten Uhren.